bin nach vollkommener Ueberzeugung für die Beibehaltung
unseres Antrags und glaube, daß wir dem Recht und
der Sittlichkeit Vorschub geleistet haben.
Gmelch: Ist es erlaubt zu antworten? Die Einwen
dungen, welche Hr. Präsident gemacht hat, sind drei.
Zuerst hat er mir den Rechtsstaat vorgehalten und zweitens
hat er mir gesagt, daß wir den unehelichen Kindern nicht
wehe thun dürfen und drittens hat er mir gesagt, daß
wir ihnen eine gänzlich unwürdige Stellung iu den Ge
meinden zugewiesen. Ich erwiedre auf erstens. Der
Rechtsstaat ist mir recht und muß mir recht sein; aber
er ist nicht unbegrenzt, nicht absolut und kann nicht alles
umwerfen. Namentlich darf er auch das sittliche Gefühl
nicht stören und darf die Schranken, durch die man die
Sittlichkeit befördert, nicht umwerfen. Er wird auch
noch Schranken haben, es wird manche Verhältnisse ge
ben, welche der Rechtsstaat anerkennen muß. Zweitens.
Daß wir ihnen wehe thun? Wir können Jemand, der
nicht existirt und nicht existiren soll, nicht wehe thun.
Sie existiren noch nicht, es ist ein Gesetz sür die Zu
kunft. Etwas, was nicht da ist, und was nicht da sein
soll, auf dem Wege in der Welt nicht Existenz erhalten
soll, ans dem die unehelichen Kinder die Existenz erhalten,
dem thuen wir nicht weh! Drittens. Ich will keine
unrechtliche Stellung. Ich spreche nur vom Recht auf
den Bürgernutzen, nicht vom politischen Bürgerthum.
Das politische lasse ich ihnen gerne zukommen und wenn
sie das haben, so sind sie auch was die andern und sind
auch Glieder der Gemeinde, nur daß sie am -Bürgernutzen
nicht Antheil haben, das ist am Ende noch keine Unehre.
Die jetzigen Beisassen, welche sich nicht einkaufen können,
sind ebensowenig in der Unehre. Sie hätten's also viel
besser, wie jene Beisassen, welche sich wegen Armuth nicht
einkaufen können. — Ich bleibe darum bei meiner Ansicht.
Keßler: Ich glaube, wenn Hr. Abg. Gmelch den
Gesetzesentwurf richtig aufgefaßt hätte, so hätte er sich
nicht so sehr ereifert. Es ist im Entwurf klar ausge
sprochen, daß die jetzt vorhandenen unehelichen Kinder von
Gemeindebürgerinnen erst dann in den Bürgernutzen treten,
wenn sie den Einkauf erlegt haben. Für künftige unehe
liche Kinder von Gemeindebürgerinuen gilt der humane
Grundsatz, daß uneheliche Geburt an politischen Rechten
keinen Abbruch thut. Hr. Gmelch will durch die Zurück
setzung der unehelich Geborenen uneheliche Geburten ver
hindern; das wird dadurch nicht erreicht; jedenfalls ist
die Ansicht, wie ich sie bei Hrn. Gmelch finde, vom Rechts
standpunkte aus nicht zu vertheidigen. Er meint ferner,
die unehelichen Kinder von Hintersassinnen treten künftig
ohne weiters in die Bürgernutzungsrechte ein. Dem ist
aber nicht so.
Gmelch: Hr. Keßler meint, daß ich mich übereifert
habe, weil ich den Entwurf unrichtig aufgefaßt habe.
Ich lese aber in Z 23: „. . . . oder bisheriger heimat
berechtigter Hintersassinnen ..."
Reg.-Komm.: Da ich letzthin die Erklärung abgege
ben habe, den Entwurf zu vertheidigen, so erlaube ich
mir, noch Einiges auf die Augriffe des Hrn. Abgeordneten
Gmelch zu erwiedern. Sie haben vor Allem besonders
auf die Bevölkerung hingewiesen, und gesagt, daß diese
es nicht will. Daß man aber hierauf nicht in Allem
Rücksicht nehmen kann, werden sie mir sicher zugeben;
so war z. B. die Bevölkeruug auch nicht dafür, daß man
die Geistlichen von den Gemeindelasten befreie und doch
hat dieses Haus eine Ausnahme für die Geistlichen ein
treten lassen. Zweitens ist im fraglichen Falle Nichts
beantragt worden, was mit den Gesetzgebungen anderer
Staaten abweicht. Ich weise insbesondere auf Ihr Hei
matland Baiern hin, wo schon vor 50 Jahren gesetzlich
festgestellt wurde, daß den unehelichen Kiudern das Bür
gerrecht gleich den ehelichen gebühre. Drittens: Sie
meinen, man solle einem unehelichen Kinde das politische
Bürgerrecht zugestehen. Nun aber habe ich immer ge
hört, daß die politischen Rechte eines Bürgers die höch
sten, die edelsten seien, die Nutzungsrechte aber nur se
kundär. Wenn Sie ihnen daher die höchsten Bürgerrechte
zuerkennen, so sehe ich dann keinen Grund ein, warum
ihnen die anderen minder wichtigen Rechte vorenthalten
werden sollten; es wäre denn, man habe den Hinterge
danken, sich wie eine Brüthenne aufs Gemeinde-Eigen
thum zu setzen. Viertens: Allen Hintersassen geben
Sie das Recht, sich ins Gemeindegut einzukaufen, dem
unehelichen Kinde wollen Sie es aber nicht gewähren.
Warum schließen Sie ein unschuldiges Kind von diesem
allgemeinen Rechte aus? Warum behandeln Sie es
schlechter als jeden andern Staatsbürger, selbst wenn
dieser der schwerste Verbrecher ist?
Gmelch: Das politische Recht ist ein Menschenrecht
und das nehme ich nicht, wie das Recht auf Einkauf.
Das Recht auf den Gemeindenutzen ist ein Privatrecht
und dazu gehört ein anderer Titel.
Keßler: Ich muß noch Folgendes bemerken. Nicht
die uneheliche Geburt ist der Grund des Erwerbes des
Gemeindebürgerrechtes, sondern die Abkunft von einer
Gemeindebürgerin; Herr Gmelch meint, der Gesetzesent
wurf setze auf uneheliche Geburten eine Prämie, wenn
er unehelichen Kindern von Gemeindebürgerinuen das
Bürgerrecht einräume.
Gmelch: Mir ist der Unwille des Volkes von gro
ßem Werth.
Reg.-Komm.: Aber dieser Unwille dürfte vorzüglich
nur darin seinen Grund haben, daß uneheliche Kinder an
dem Gemeindenutzen partizipiren sollen.
Gmelch: Nein!
Reg.-Komm.: Dann bin ich stolz auf dieses strenge
sittliche Gefühl unserer Bevölkerung, welche sich hiedurch
sehr wesentlich von jenen anderer Staaten unterscheidet.
Allein weun man ganz indifferent solch sittlichen Gefühlen
huldigt, so hielte ich es für besser, wenn doch einmal
gestraft werden soll, lieber die Mutter zu strafen, als das
unschuldige Wesen, das sie zur Welt bringt.
Präs.: Ich möchte Ihnen auch ein Urtheil des Volks
ins Gedächtniß rufen, das heißt: „Ein Mal ist kein
Mal". Sie sehen, auch das Volk urtheilt nicht in allen
Fällen gleich streng; man hebe den Stein zur Strafe
nicht zu früh. Erst wenn der Fall der Unzucht eintritt,
so strafe man diese, nicht aber seine schuldlosen Produkte.
Fischer: Gesetzt auch, aber nicht zugegeben, es sei dieß
wirklich ein Verhinderungsmittel der Unsittlichkeit, so ist
es jedenfalls nur eine Halbheit, es würde dadurch viel
leicht nicht einmal die kleinere Hälfte verhindert werden
können.
Abstimmung: § 23 mit 10—3 St. angenommen.
AZ 24, 25 mit 12 — 1 Stimme angenommen.