Beilage zur Liechtensteiner Landeszeitung Nr. 7.
Landtagsverhandlungen.
Sitzung vom 18. Februar 1864.
Berathung der Gemeindeordnung. (Fortsetzung aus
Beilage zu Nr. 6; Gegenstand der Debatte 8. 15: Um-
lagenpflichtigkeit der geistl. Pfründ guter zu Ge
meindezwecken betreffend).
Gegen diese Beweisführung machten andere Mitglie
der geltend, man könne zwar zugestehen, daß einige
schwächere Pfründen namhafte Lasten bekämen, daß es
zu wünschen wäre, ihr Einkommen ungeschmälert zu er
halten: immerhin aber müsse der Grundsatz gleichmä
ßiger Behandlung aller Gemeindeglieder aufrecht blei
ben. Kommen die betreffenden Geistlichen nicht mehr
aus, so soll die Gemeinde für ein genügendes Einkom
men bedacht sein. Wenn sich keine Bewerber um die
geringen Pfründen mehr finden, so wird es die Gemein
den zu einer Aufbesserung zwingen; überhaupt solle die
Regierung es gar nicht mehr zulassen, daß solche gering
dotirte Pfründen geschaffen werden. Es wäre viel
zweckmäßiger, wenn z. B. in einigen Gemeinden die
vorhandenen Kapitalien noch 10—20 Jahre verzinslich
angelegt und dadurch vergrößert worden wären, als daß
man die Pfründen sogleich besetzt hätte.
Soviel wurde zum Schluß bemerkt, daß man nicht
inkonsequent werden dürfe: d. i. wenn man Beamte,
Lehrer ze. zu den Lasten ziehe, so müßte man es auch
den Geistlichen thun.
Bei der Abstimmung fällt der II. Theil des 8. 15
bis „besitzen" — über den Rest des 8. wird die Ab
stimmung ausgesetzt, da im 8. 37 die Frage wieder zu
behandeln sei und da namentlich keiner der Abgeordneten
aus dem geistlichen Stande anwesend sei; dieselben wür
den jedenfalls weitere Gründe zur Vertheidigung ihrer
Sache in Bereitschaft haben. Bei dieser Verzögerung
der Abstimmung blieb es auch, ungeachtet bemerkt wur
de, es sei hier nur Rücksicht aufs Recht, was die Ver
sammlung leite, es seien im Landtage keine ständischen,
sondern Landes abgeordnete.
8. 16: 2. Absatz „Hintersaßen treten" wird ver
ändert „gelangen". §. 17 unverändert. 8. 18: statt
„Entfernt sich ein Bürger" heißt es nun: „Nimmt ein
Bürger seinen Wohnsitz in einer andern Gemeinde des
Inlandes oder im Auslande". 8. 19: statt Theilnahme
an dem Gemeindevermögen — „an den Gemeindi'nutzun-
gen". 88. 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29,
30, 31, 32, 33 unverändert; 8. 34 streiche: „sofern
widmen". 88. 35, 36 unverändert.
§. 37. Bezüglich dieses §. wird die Debatte länger
fortgesetzt, ohne daß man sich zu einer bestimmten An
sicht einigt. Endlich beschließt man Aussetzung der De
batte und Abstimmung und wird die Sitzung geschlossen.
Die nächste Sitzung Montag 22. Februar.
Sitzung, Montag am 22. Februar 1864.
Fortsetzung der Berathungen über die Gemeindeord
nung. Gegenwärtig 12 Abgeordnete, Büchl, Erni,
Gmelch abwesend.
Nach Verlesung des Protokolls, Präsident: Wir ste
hen bei 8. 37. Derselbe beruft sich auf 8. 15 und be
handelt die Verpflichtung der Geistlichen, Beamten, Leh
rer zu Gemeindelasten. Der II. Absatz des 8. 15 wurde
in letzter Sitzung abgelehnt und die Frage ist dadurch
noch offen gelassen. Ich erlaube mir einen Antrag,
welcher den Ansichten der Majorität ziemlich entsprechen
dürfte und zwar so,, wir machen den Zusatz zu 8. 18:
„Ebenso haben Bürger einer Gemeinde, welche dem
Staate Dienste leisten, die ihre Zeit voll in Anspruch
nehmen, wie Geistliche, Beamte, Lehrer, Aerzte und ak
tive Militärs, das Recht zu einer solchen Abfindung we
gen ihrer Gemeindeleistungen" — Der Antrag mit 1L
Stimmen unterstützt.
Präs.: Der Fall bezüglich dieser Klasse von Perso
nen hat Ähnlichkeit mit dem, wo ein Gemeindebürger
durch seine Abwesenheit verhindert ist, die Gemeindelasten
persönlich zu übernehmen. Solchen Bürgern gestattet der
8. 18 eine Abfindung. Auch die Beamten :c. sind we
gen ihres Dienstes außer Stande, persönlich die Lasten
zu tragen, folgerecht muß auch ihnen die Abfindung oder
Stellvertretung zugestanden werden.
Kind: Kann man unter aktiven Militärs nicht auch
gemeine Soldaten verstehen?
Präs.: Jedenfalls. Aber sie kommen hier nicht in
Betracht, indem das Bürgerrecht noch bei ihren Eltern
ruht. Diese aber sind von den Lasten nicht ausgenom
men. Nur dann, wenn ein Soldat schon im Nutzgenuß
des Bürgerrechts steht, findet diese Bestimmung auf ihn
und mit Recht Anwendung.
Marrer: Man soll nur Offiziere ausnehmen.
Wolfinger: Wir kommen zu weit, die Ausnahmen
mehren sich. Wir haben z. B. die 600 fl. bei den
Geistlichen nicht ausgenommen und nun kommen wir
am Ende dahin, daß das ganze Contingent ausgenom
men ist.
Präs.: Ich muß Herrn Wolfinger aufmerksam ma
chen, daß aktive Militärs auf keinen Fall zu persönli
chen Lasten verpflichtet werden können. Es wäre ihnen
rein unmöglich, das ist ganz selbstverständlich. Was
wir mit diesem Zusatz gewinnen, ist hauptsächlich das,
daß der Beamte ein Recht hat, von der Gemeinde zu
verlangen, daß sie sich mit ihm abfinde.
Reg.-Comm.: 8. 2t spricht aus, daß die Gemeinde
verpflichtet sei, den Abwesenden rücksichtlich der Natural
leistungen eine Abfindung zuzugestehen. Eine ähnliche
Bestimmung muß nun nach meinem Dafürhalten auch
beim 8. 18 aufgenommen werden, wenn dieser in der
vom Herrn Präsidenten beantragten Weise abgeändert
werden soll, da der 8. 18 in seiner dermaligen Fassung
eine Abfindung blos zulässig erkennt. Was hätte z. B.
zu geschehen, wenn die Gemeinde zum Abfinden nicht
geneigt ist? Dann müßte der Beamte oder Geistliche
einen Stellvertreter halten, womit wieder nichts gewon
nen wäre. Ich möchte bestimmt ausgesprochen hören,
daß die Gemeinde unter allen Umständen eine Abfindung
zulassen müsse.