Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1864)

gänglich nothwendig. Grund und Boden soll zur Tra 
gung der Lasten nur in jenen Gemeinden in Anspruch 
genommen werden können, in deren Gemarkung derselbe 
gelegen ist. Das war bisher nicht überall und immer 
der Fall. Wenn sich die Gemeinden bei Anstanden in 
Ausführung dieser gesetzlichen Bestimmungen nicht eini 
gen können, tritt ein Schiedsgericht ein. Auch in Be 
zug auf daS Bürgerrecht und den Bürgernutzen, dann 
in Betreff deS Niederlassungsrechts enthalt der Gesetz 
entwurf zweckmäßige Bestimmungen. 
Die Kommission war von Anfang an in der Ansicht 
einig, daß die Klasse der Hintersaßen in das neue Gesetz 
nicht übertragen werden dürfe. Es mußten also die 
Hintersaßen in die Klasse der Bürger erhoben werden. 
Das war nun bald ausgesprochen. Allein schwieriger 
war es, die Emanzipation der Hintersaßen mit den öko 
nomischen Interessen der Gemeinde in Einklang zu brin 
gen. Denjenigen gegenüber, welche sich in die Gemeinde 
um theures Geld eingekauft haben, wäre es unbillig ge 
wesen, die Hintersaßen ohne Entgeld in die Klasse der 
Bürger vorrücken zu lassen; andererseits konnte das Ge 
setz die Hintersaßen auch nicht geradezu zwingen, gegen 
Bezahlung einer Einkaufssumme Bürger zu werden. Es 
wurde daher der Ausweg genommen, daß diese Neubür 
ger vorerst nur die politischen Rechte der Bürger erlan 
gen und in den Nutzgenuß der Bürger erst dann ein 
treten sollen, wenn sie einen billigen Einkauf erlegt ha 
ben werden. So lange sie den Einkauf nicht bezahlen, 
haben sie nur ihre bisherigen Nutzungsrechte. Das neue 
Gesetz gibt es also jedem Hintersaßen in die Hand, 
vollberechtigter Gemeindebürger zu werden. 
Die Aufnahme ins Bürgerrecht hängt künftig lediglich 
von der Gemeinde ab, nur bei Feststellung der Auf 
nahmstare wirkt die Regierung mit, indem ihr das Recht 
der Ermäßigung zu hoch gespannter Einkaufstaren ein- 
geräumt ist. Die Einkaufssumme wird von sechs zu 
sechs Jahren festgestellt. Es können also immer nach 
sechs Jahren die inzwischen eingetretenen veränderten 
Verhältnisse berücksichtigt werden; während andererseits 
durch die Feststellung der Einkaufstare auf eine bestimmte 
Periode die Willkür in der Tarbestimmung für den ein 
zelnen Fall ausgeschlossen ist. Der Genuß der Rechte 
eines Gemeindebürgers bedingt den wirklichen Aufenthalt 
in der Gemeinde und die Tragung aller damit verbun 
denen Lasten. Nimmt ein Bürger seinen Wohnsitz in 
einer andern Gemeinde, so werden seine Genußrechte 
unterbrochen, wenn er nicht einen tauglichen Stellvertre 
ter zur Tragung der Gemeindelasten bestellt oder sich 
hierüber mit der Gemeinde abfindet. Bekanntlich herrschte 
bisher über die Frage, ob ein in einer andern Gemeinde 
des Inlandes oder im Ausland wohnender Gemeinde 
bürger den Gemeindenlltzen fortbeziehen könne, großer 
Streit. Durch die Bestimmung des neuen Gesetzes scheint 
sowohl das Interesse der Gemeinde als einzelner in einer 
andern Gemeinde oder im Ausland sich aufhaltender 
Bürger gewahrt. 
Da das neue Gemeindegesetz die Bürgerausnahmen 
der Gemeinde ganz überläßt, mußte das Recht der blo 
ßen Niederlaßung um so ausgedehnter werden. Staats 
bürger und Nichtstaatsbürger können sich in jeder Ge 
meinde niederlaßen, wenn sie mit gültigen Heimathsdo- 
kumenten versehen sind, die Mittel zum Unterbalt besitzen 
und einen guten Leumund haben. Den Inhalt des Nie- 
derlaßungsrechts bildet die Befugniß sich in der Gemeinde 
aufzuhalten und daselbst Oekonomie oder ein Gewerbe 
betreiben zu dürfen. Die niedergelassenen Staatsbürger 
haben noch das aktive Wahlrecht und das Recht der 
Theilnahme an den Gemeindsbeschlüßen, welche nicht daS 
Gemeindegut betreffen. Die Niedergelaßenen im Allge 
meinen haben das Recht der Mitbenützung der Gemein 
deanstalten, dagegen müßen sie auch jene Gemeindearbei 
ten mitmachen, welche ihnen wie jedem Gemeindegliede 
zum Vortheil sind. 
Meine Herren! Das sind die hauptsächlichsten Be 
stimmungen des neuen zwischen der fürst!. Regierung u. 
der Kommission vereinbarten Entwurfs. Der Fortschritt, 
der sich darin ausspricht, ist durch das bisher Gesagte 
genügend nachgewiesen. Die Erläuterung und Motivie 
rung der einzelnen Bestimmungen des Entwurfes wird 
dem mündlichen Vortrag vorbehalten. 
Ihre Kommission stellt den Antrag, dem Gemeindege- 
setzentwurse im Einzelnen und Ganzen die Zustimmung 
zu ertheilen. 
Ihre Kommission. 
Vaduz, den 6. Februar 1864.
	        

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