Liechtensteiner Kandeszeitung.
Zweiter ^adrKanK.
Vaduz, Samstag
Rro. A«
den 2V. Februar 18K4.
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Zur Schulfrage.
Der Eintritt Liechtensteins in die Reihe der konstitu
tionellen Staaten weckte auch in den Herzen der Lehrer
des Landes Keime der Hoffnung; sie hegten die Erwar
tung, auch ihnen werde es in der neuen Aera vergönnt
werden in Angelegenheiten der Schule und in ihren ei
genen Anliegen ein Wort mitsprechen zu dürfen. Diese
Hoffnung ist aber bedeutend herabgestimmt worden, nach
dem wir den „Entwurf einer Gemeindeordnung für das
Fürstenthum Liechtenstein" gelesen; denn wir finden dort
in §. 82 die Zusammensetzung des Ortsschulrathes unter
dem Titel: „Lokal-Schulbehörde" folgendermaßen verzeich
net: Mitglieder sollen sein, der Ortsseelsorger als Vor
sitzender, der Ortsvorsteher und Säckelmeister und zwei
aus der Mitte der Gemeindeglieder auf die Dauer von
3 Jahren zu wählende Schulräthe. Nur einen Mann,
der Jahr aus Jahr ein im Schulstaube steckt, den die
Schule und deren innere und äußere Angelegenheiten ge
wiß mit in erster Linie interessiren, den Lehrer, finden
wir in genannter Zusammensetzung des Ortsschulrathes
übergangen. Ob dies aus Uebersehen geschah oder aus
anderweiten Ursachen, ist uns unbekannt und wir wol
len auch vor der Hand hievon absehen; aber im Interesse
der Sache der Schule und der Lehrer erlauben wir uns,
beregte Angelegenheit in Folgendem des Näheren zu be
leuchten.
Mit welchen Befugnissen der künstige Ortsschulrath
ausgestattet werden wird, können wir natürlich nicht wis
sen; doch wird er gewiß über Alles zu berathen haben,
was das Gedeihen oder die Hemmungen des Ortsschul
wesens betrifft. Und hiebei sollte nach unserer Ansicht
dem Lehrer Rath und Stimme nicht verweigert werden,
da ihm durch den täglichen Umgang mit den Kindern
der meisten Ortsfamilien so vielfache Gelegenheit geboten
ist, die fördernden und hemmenden Einflüsse — meist
sehr örtlicher Natur — auf Schulunterricht und Schul
erziehung kennen zu lernen, ja gewöhnlich genauer ken
nen zu lernen als Andere, welche der Schule ferner ste
hen. Dem Lehrer, der durch theoretische Vor- und Fort
bildung und jahrelange Praxis gewiß so gut als die
meisten Mitglieder des nun zu bildenden Ortsschulrathes
befähigt ist, in Schulangelegenheiten ein begründetes Ur
theil abzugeben, ihm sollte nicht durch neue gesetzliche Bestim
mungen, und wahrscheinlich aus lange hinaus, die Ver
günstigung benommen werden, als sehr nahe Betheiligter
mitsprechen zu dürfen. Er, dem Schule und Schulwe
sen Lebensaufgabe sind und sein müssen, sollte in den
ihn zunächst berührenden Angelegenheiten nicht wieder
aufs Neue gleichsam als unmündig erklärt werden. Es
würde dies gewiß bei manchen Familienvätern, denen
daran liegt, daß ihre Kinder nicht nur gut unterrichtet,
sondern unter Beihülfe der Schule auch gut und charak
terfest erzogen werden, eigenthümliche Gedanken erwecken,
wenn der Mann, dem das keineswegs leichte Geschäft
der Erziehung und des Unterrichts vorzugsweise übertra
gen ist, nicht einmal als befähigt erachtet wird, in die
ser hochwichtigen Angelegenheit ein Wort mitzusprechen.
Man könnte es solchen Familienvätern kaum verargen,
wenn sie dies entweder als ein geistiges Armuthszeugniß
oder Mißtrauensvotum gegen die Lehrer betrachteten.
Wenn es sich um Beförderung und Verbesserung des
Weinbaues z. B. handelte und man schlöße von der Theil
nahme an einem dahin einschlägigen Verein und dessen
Berathungen diejenigen aus, die praktisch sich mit Wein
bau befassen oder doch viele Kenntnisse sich hierüber ge
sammelt haben oder entsprechende Kenntnisse und prakti
schen Betrieb miteinander vereinen: so würde doch schwer
lich Jemand dies Verfahren als geeignet bezeichnen, den
beabsichtigten Zweck zu erreichen. Gegentheils schließt
man sonst Fachmänner da nicht aus, wo man auf gei
stigen oder muteriellen Gebieten einen Fortschritt und
sicheres Gelingen erzielen will.
Betrachten wir die Sache noch von einer anderen
Seite Wir leben nicht für uns allein, sondern der Gang
der Dinge in anderen Staaten übt natürlich auch Ein-
luß aus auf uns. Es ist aber die Frage der Mitglied
schaft des Lehrers im Ortsschulrathe (Ortsschulvorstand)
eine schon seit vielen Jahren häufig und stets wieder er
örterte Frage. Sie war in Blättern für Erziehung und
Unterricht, öfters auch in politischen Tagesblättern, viel
fach Gegenstand der Verhandlung, und es hat sich diese
Frage in letzterer Zeit in der Presse so weit geklärt, daß
erstere Blätter ohne Unterschied der Parteifarbe — (und
es find darunter auch konservative und strengkirchliche
Organe) sich dahin ausgesprochen haben: Der Lehrer soll
Mitglied des Ortsschulrathes sein!
Im Prinzipe betrachten wir die Frage zu Gunsten der
Lehrer gelöst; auch ist sie in einigen deutschen Staaten
und anderen Ländern zum Vortheil der Lehrer praktisch
erledigt oder man sieht deren Lösung in Bälde entgegen.