Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1864)


Verbannung jeder nationalen Anregung aus Schulen 
und Hörsälen; in den Mittelstaaten wollte man eine 
eigene ausgemachte Rationalkultur, eigene Wissenschaft 
und Kunst großziehen, nicht zu gedenken der Puppenspiele 
mit kgl. hanoveranischen, kurfürstlich hessischen oder kgl. 
bairischen Nativnalfarben, Rationalhymnen, Na- 
. tionaldenkmälern und Nationalorthographien :c. 
Allerhand Neuigkeiten. 
Vaduz, 19. Oktober. Die heurige Weinernte ist bei 
uns total gefehlt. Eine warme Oktoberwitterung, wie 
sie bei uns sonst Saufig vorkommt, hatte die wenigen 
Trauben allerdings noch zur Reife bringen können. Allein 
die ungewöhnlichen Fröste im Anfange des Monats, fast 
2 Grad unter Null, zerstörten auch die letzte Hoffnung, 
so daß man in hiesiger Gemeinde es gar nicht der Mühe 
werth achtet, die wenigen sauren Trauben einzusammeln. 
— Am vorigen Samstag war der erste dießjährige 
Biehmarkt. Derselbe war infolge der Zollschrankenöff 
nung zum ersten Mal auch mit Schweizervieh aus dem 
gegenüberliegenden Sevelen befahren. Leider fehlte es 
an Käufern, welche es vorgezogen hatten den gleichzei 
tigen Gamser Viehmarkt zu besuchen. 
— Donnerstag den 20. hielt der Liechtensteiner Schil- 
tzenverein sein jährliches Festschießen zu Nendeln. 
— Von den fürstl. Jägern wurden in der letzten Zeit 
mehrere starke Gemsböcke eingebracht. Der Wildstand 
im hiesigen Alpengebiet soll ein vorzüglicher sein. 
— Die dießjährige SchweineansstelllMg und Prättli- 
rung findet statt am nächsten Vaduzer Viehmarkt, Mitt 
woch den 9. November. Die Prämiensumme beträgt 
100 fl. ö. W. — 5 Eber und 8 Mutterschweine wer 
den prämirt mit Preisen von fl. 12, 10, 8, 7 und 5. 
Es wird einzig nur auf Schönheit der Thiere, nicht aber 
auf das Alter derselben Rücksicht genommen. Die Schau 
stellung ist auf dem Vaduzer Viehmarkt, bis 10 Uhr 
Vormittags müssen die Thiere auf dem Platze sein. 
Tr lesen. Am 13. Oktober hat der Hochw. Herr 
S. Balzer, bisher Hofkaplan in Schaan, die dortige 
Pfarrstelle angetreten. Derselbe wurde von mehreren 
Geistlichen des Landes dahin begleitet und von der Ge 
meinde in feierlicher Prozession vor dem Dorfe empfan- 
gen. Musik und Pöllerschüsse geleiteten den Zug zu der 
Pfarrkirche, welche mit passenden Inschriften, Kränzen, 
Tannenbäumen festlich geschmückt war. Der anwesende 
Hochw. Herr Landesvikar Wolstnger führte daselbst den 
neuen Pfarrer in sein Amt ein und stellte ihn der 
versammelten Gemeinde als ihren Seelsorger vor. Der 
freundliche und ehrenvolle Empfang hat auf den neuen 
Herrn Pfarrer sicherlich den besten Eindruck gemacht und 
ihm erkennen lassen, daß in dieser Gemeinde für einen 
bemfseis'rigen Seelsorger ein fruchtbarer Boden vorhan 
den ist. Möge es Herrn Pfarrer Balzer gelingen in 
umsichtiger Weise seine Aufgabe zu erfüllen. — Bei die 
ser Gelegenheit läßt sich die ebenfalls erfreuliche Bemer 
kung anfügen, daß die Triesner Pfarrkirche in jüngster 
Zeit durch einen neuen Altar eine bedeutende Verschöne 
rung erfahren hat. Die Arbeit ist rein und geschmack 
voll, das Ganze nicht durch Figuren überladen oder durch 
allzugrelle Farben, wie das sonst häufig vorkommt, ver 
unstaltet. Wie man vernimmt, wurden die bedeutenden 
Kosten dieses Altars meist durch Schenkungen von Pri 
vaten aufgebracht. Möchte sich der gleiche religiöse Sinn 
der Gemeinde recht bald auch dadurch bethätigen, daß 
man die Mittel zur Reparatur der Orgel zusammen 
bringt. Die Klänge dieses Instruments Harmoniren 
durchaus nicht mit den hellen Stimmen der Chorsänger- 
innen! 
— In Bregenz ist vor 8 Tagen der wegen Tod 
schlags in Untersuchungshast befindliche Böhler aus Bild 
stein entsprungen. 
— Die östreichischen Staatsschulden betrugen Ende 
April d. I circa 3100 Millionen Gulden und erfordern 
jahrlich ungefähr 1-10 Millionen Gulden zur Verzinsung. 
Um zu sparen, hat Oestreich 15.000 Mann Soldaten 
entlassen. 
— Hr. v. Beust, der Vertreter Deutschlands auf der 
Londoner Konferenz hat dem Bundestag seine Londoner 
Kostenrechnung im Betrage von 14,600 fl. übergeben. 
— Der Friedensvertrag mit Dänemark wird demnächst 
unterzeichnet werden. 
— Zu den schmutzigsten Dingen gehören die geheimen 
Angebereien bei den Behörden )c., die in manchen Län 
dern und Städten furchtbar überHand nehmen. Nicht 
alle Behörden sind so fest und ehrenhaft, sie ohne wei 
teres zurückzuweisen oder doch unberücksichtigt zu lassen, 
wie es z. B. der Rath der Stadt Leipzig thut. Er 
macht öffentlich bekannt, daß die Unsitte anonymer De 
nunziationen sich ungeheuer gesteigert habe, daß er ihnen 
aber in keinem Falle Gehör schenke und erwarte, daß 
Anzeigen zu öffentlichem Nutzen von ihrem Verfasser ver 
treten würden, wie es die Ehrenhaftigkeit verlange. 
— Die dänische Prinzessin Dagmar ist ganz entzückt 
von der guten Partie, die sie macht. Ihr Bräutigam, 
der russische Thronfolger, ist ein ganz hübscher und sehr 
gebildeter Mann, auch sehr artig und freigebig. Am 
Verlobungstage hat er ihr ein russisches Halsband um 
gelegt, das unter Juwelieren seine 80,000 Thaler werth 
ist, und die Frau Schwiegermutter fügte ein paar dia 
mantene Armbänder hinzu, dergleichen in Kopenhagen 
noch nicht gesehen worden sind. — Wie Prinz Georg 
griechisch-katholisch werden mußte, um König der Griechen 
werden zu können, so muß die Prinzessin Dagmar rus- 
fisch-katholisch werden, um den russischen Thronfolger hei- 
rathen zu können. Das ärgert die Dänen ein wenig, 
die eifrige Lutheraner sind. Da sieht man nur, was 
die Vornehmen vom Glauben halten, mit dem sie dem 
Volke die Hölle heiß machen. 
— In den amerikanischen Siidstaaten solls mit dem 
Geld, mit den Nahrungsmitteln und mit den Soldaten 
Matthäi am Letzten stehen. Die 200,000 Mann, die
	        

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