Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1863)

der Bauer WMchk für „Gnsammeln Md UngluM 
fälle (Mißernten) einen Abzug am Zehentertrag zu 
machen"? Wir wissen nicht, ob der geehrte Verfasser 
diese Frage wirklich für unlösbar hält, ob er, mit andern 
Worten in diesem Abzüge einen Gewaltstreich des Bau 
ersmannes erblickt. Wir glauben das nicht vom Ver 
fasser Immerhin aber müssen wir diese Frage hier be 
antworten. Das Recht diesen Abzug zu machen, ist ei 
nes Theils so alt als das Zehentrecht selbst und ist an 
dern Theils in der wirthschaftlichen Natur der Sache be 
gründet. Nicht wahr! Der Zehentherr muß den Zehent 
selbst einsammeln oder einsammeln lassen. Diese Arbeit 
ist mit Zeitverlust oder Unkosten verbunden. Der Lohn 
sammler will Bezahlung für seine Arbeit und der Zehent 
herr gewährt sie ohne Widerrede. Wieviel ist nun das 
Recht auf den ganzen Zehent werth? Wohl nur soviel, 
als nach Bestreitung des Einsammelns noch erübrigt. 
Bei der Ablösung wird das Einsammeln dem Bauern 
selbst überlassen. Dieser besorgt alle erforderlichen Arbei 
ten selbst und liefert dem Herrn die blanken Thaler auf 
den Tisch. Ist nun der Bauer verpflichtet den Zehent 
unentgeltlich einzusammeln? — Wer will ihn dazu ver 
halten? — Die Gerechtigkeit fordert, daß ihm die 
Sammelarbeit bezahlt wird, und dies geschieht durch den 
Abzug von t/5 oder ^ u. s. f., je nach der Höhe der 
Arbeitslöhne. Ferner! Der Zehentherr hat nicht alljähr 
lich die gleiche Einnahme, wenn und obgleich er dem 
Sammler jedesmal den gleichen Lohn geben muß. In 
Mißjahren wird er oft nur Vz oder noch weniger ernten. 
Bei der Ablösung wird die Ernte vom Bauer selbst be 
sorgt. Wenn dieser nun z. B. ^ des gewöhnlichen Er 
trags erntet, soll er dann gehalten sein, den ganzen 
Ertrag zu liefern? Kein Zehentherr in der Welt kann 
das mit Recht und wird das mit gutem Gewissen 
verlangen. 
Der Abzug für Einsammeln ist also natürlich und 
selbstverständlich und die Erfahrung beweist, daß man 
denselben in allen Ländern als recht anerkannt hat, ja 
sogar dort, wo man nicht durch Gesetz, sondern durch 
Uebereinkommen abgelöst hat. Auch die Kirche hat über 
all diesen Abzug gebilligt. Die Aufgabe ist nur: Wie 
viel soll abgezogen werden? Hätte man genaue Buch 
führung über die Zehenterträge in einer Reihe von Jah 
ren und über den Belauf der Sammelkosten, so wäre in 
dem Mittel dieser Zahlen die mathematisch-genaue Lösung 
der Aufgabe enthalten. Wo diese Buchführung fehlt, da 
muß man es einer Pflicht- und Gewissenstreuen Schätzung 
überlassen, dieses Mittel zu finden. In dieser Hinsicht 
könnten wir nichts, als den Gesetzgebern und einstigen 
Schätzleuten die strengste Unparteilichkeit und Gerechtig 
keit empfehlen, wenn diese Empfehlung überhaupt noth 
wendig wäre. Beiden Theilen soll recht geschehen, in 
der Gegenwart, ohne Rücksicht auf Zukunft und 
Vergangenheit. Alle Nebenabsichten müssen schwei 
gen, sobald die Herrschast des Gesetzes beginnt; nur so 
lange man gütlich verhandelt, hat man unbeschränkte 
Freiheit der Rücksichten. Das ist unsere Ansicht von 
Recht, und Gesetz. ^ 
Deutschland. 
Vorarlberg. Die Feldk. Ztg. meldet, daß die Be 
schlüsse des Landtags über die Erhöhung der Gehalte der 
Volksschullehrer vom Kaiser nicht genehmigt wurden. Der 
Grund dafür ist, weil diese Beschlüsse theilweise nichts 
Neues, theilweise Bestimmungen enthalten, welche über 
das dem Landtage resp, den Gemeinden zustehende Recht 
hinausgehen. Es wird sich nun in dem nächsten Land 
tage zeigen, ob die bekannte liberale Gesinnung dieser Ver 
sammlung sich auch praktisch bewährt, — oder ob man 
auch in Geldsachen, fwo die Gemüthlichkeit aufhört) wirk 
lich liberal ist. Ist's dem Landtage Ernst, dann dürfen 
die zum großen Theile nicht besonders gut bezahlten Leh 
rer Vorarlbergs hoffen, daß ihnen eine Aufbesserung aus 
solchen Kassen verliehen wird, über welche der Landtag 
mit Recht verfügen darf — Auch das vom Landtag 
berathene Gemeindegesetz wird angeblich die kaiserl. Sank 
tion nicht erhalten. k. e. 
Wien. Am 18. Juni geschah die feierliche Eröffnung 
des Reichstags durch den Bruder des Kaisers, Erzherzog 
Karl Ludwig. Eine ungemein große Zahl von Zuschau 
ern hatte sich dazu angefunden. Die Thronrede, wodurch 
im Namen des Kaisers der Reichsrath eröffnet wurde, 
fand nach den Berichten der Mg. Ztg. einen lebhaften 
Beifall. Man erkannte daraus, daß es der Kaiser auf 
richtig meint mit der neuen Verfassung, er selbst gesteht 
es zu, daß nur durch ein freieres politisches Leben die 
Wiedergeburt Oestreichs möglich wurde, und daß nur 
durch dieses Mittel die Finanzen und der Staatskredit 
wieder geregelt und verbessert werden konnten. 
Es ist das eine erfreuliche Nachricht auch für Liechten 
stein. Unter allen unseren 35 Bundesgenossen ist uns 
Ostreich in jeder Hinsicht der nächste, es ist aber auch 
ein Erfahrungsgrundsatz, daß unser Staatsschifflein von 
jeher in demselben Fahrwasser dahin segelte, in welches 
die östreichische Staatenflotte eingelenkt hatte. Wir hat 
ten nur den geringeren Tiefgang des Schiffleins voraus, 
so daß es manchmal noch flott blieb, wenn dort die gan 
ze Flotte aufgefahren war. 
— Die protestantische Gemahlin des französischen 
Gesandten ist zur katholischen Religion übergetreten. Ein 
Jesuitenpater, welcher die Töchter zur hl. Kommunion 
vorbereitete, hat diesen Uebertritt zu Stande gebracht. 
Preußen. Der König ist seit längerer Zeit leidend. 
Er reiste am 20. nach Karlsbad um dort Genesung zu 
suchen. Man glaubt auch der russische Kaiser werde dort 
eintreffen, sowie Kaiser Franz Josef.. Die Nachkur wird 
der Preußenkönig in Jschl oder Nagatz nehmen; je nach 
„Neigung". 
Baiern. Der Landtag ist wieder zusammengetreten. 
Als Präsident wurde gewählt Graf Hegnenberg-Dur, 
als Vizepräsident Professor Pözl. Die Kammer zog die 
sen dem andern Kandidaten aus dem höhern Richterstande, 
v. Neumayr, vor. Der frühere Vicepräfident Dr. Weis 
erhielt keine Stimme. Er scheint durch sein Auftreten in 
der deutschen Frage oder wie immer an Vertrauen ver 
loren zu haben. Das zeigte sich auch bei der Abgeord- 
neten-Wahl. Diese Thatsache ist nicht bedeutungslos da 
Dr. Weis als Vertreter der ministeriellen Richtung gilt;
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.