Volltext: Liechtensteiner Landeszeitung (1863)

liechtensteinische Landeszeitung. 
Vaduz, Samstag den 27. Juni 1863. 
Dieses Blatt erscheint monatlich regelmäßig 2mal, nur zur Zeit der Landtagsverhandlungen öfter, und kostet für das Fürsten 
tum Liechtenstein ganzjährig 1 fl., auswärts 1 fl. 50. — Einrückungsgebühr für die gespaltene Zeile 4 Nkr., im Wiederholungsfälle 
2 Nkr. Man bestellt die Zeitung in Vaduz bei der Redaktion. — Gesetze und Verordnungen erscheinen in einer Beilage, wofür 
ganzjährig 50 Nkr. ferner zu bezahlen find, — alle amtlichen Anzeigen und Bekanntmachungen werden im Hauptblatt abgedruckt. 
Der Zehent. 
(Schluß.) 
Ist aber der geistliche oder Kirchen-Zehent im Recht, 
so folgt wohl daraus, daß bei der nun in Frage stehen 
den Ablösung dasselbe Recht für ihn spreche und somit 
auch für das Recht der Pfründen auf diesen Zehenten. 
Es drängt demnach unwillkürlich die Frage sich auf: 
Wie kommt es denn, daß, diesem anerkannten Rechte ge 
genüber, bei der Ablösung der 4. Theil des Zehentens 
oder noch mehr vorenthalten, abgezogen werden will? 
Schon im alten Bunde, wie oben erwähnt, und auch 
noch lange später mußte bei der Ablösung der Zehenten 
noch der 5. Theil desselben zugelegt werden — und 
im 19. Jahrhundert will und hat man den Theil und 
noch mehr abgezogen! Wer hat Recht? Die Zehent 
pflichtigen werden doch kein begründetes Recht haben, ei 
nen „Abzug für Einbringung und Elementarunfälle" zu 
verlangen. Vielmehr liegt es in ihrer Schuldigkeit, wenn 
sie ablösen wollen, den Zehenten abzulösen, wie sie ihn 
zu entrichten verpflichtet sind. Nur in jenem Falle wäre 
der Abzug des Theiles billig, wenn die Zehentpflichti-- 
gen dem Zehentherrn jährlich ein bestimmtes Maß der 
verschiedenen Feldfrüchte frei ins Haus bringen würden. 
Die „Elementarunfälle" theilten die Pflichtigen und Be 
rechtigten gleichmäßig. In Mißjahren, wo eine Pfründe 
für die „Einbringung" des Wenigen ebensoviel oder 
noch mehr Auslagen hatte, als der Zehentertrag war, 
da hat sich natürlich kein Zehentpflichtiger darum beküm> 
mert. Noch mehr. Es wird angenommen und ist prak 
tisch richtig, daß die Grundstücke, folglich auch die Er 
trägnisse derselben immer mehr an Werth gewinnen, 
während das Geld an Werth verliert. Jedermann, der 
vom Laden, von gekauftem Maß und Gewicht leben muß, 
kann Zeugniß geben, welches Kapital nothwendig ist, um 
das Jahr hindurch ordentlich zu leben. Es ist demnach 
kein Zweifel, daß eine zehentberechtigte Pfründe mit dem 
Ablösungskapital schon in 20—30 Jahren viel schlimmer 
steht, als mit dem bisherigen Naturzehent. Der Ein 
wand, daß mit dem Ablösungskapital für die Pfründen 
Grundstücke angekauft werden sollen, hat wenig für sich, 
wenn man bedenkt, daß die Abzahlung dieses Kapitals 
erst in 20 Jahren vollendet sein soll. In 20 Jahren 
werden die Grundstücke vielleicht den doppelten Werth 
haben, wie heute, und die Pfründen mit dem Kapital 
nur sehr wenig Boden ankaufen können, der zum bishe 
rigen Zehenten in schlechtem Verhältniß zu stehen kommt. 
Hiemit will keinem Zehentpflichtigen Unrecht zugefügt 
werden. Es handelt sich hier nur um Recht und Bil 
ligkeit, und will die Aufmerksamkeit der Gemeinden und 
Privaten auf diese Billigkeit hingelenkt werden: ihre 
Pfarrpfründen durch Herabdrückung des Zehentablösungs- 
kapitals nicht zu schmälern; denn die unausweichliche 
Folge einer launischen Schmäterung dürfte diese sein, 
daß die Pfarrgemeinde die Pfründe aus eigenen Mitteln 
wieder entschädigen müßte, wie es in Deutschland, in 
Baiern und Oestreich unlängst öfters der Fall war. — 
Vor solchen mißlichen Folgen möchte, im Interesse der 
Gemeinden selbst, gewarnt werden. 
Kein Zehent Herr. 
Anmerkung der Redaktion. Wenn auch der 2. 
Theil des obigen Artikels mit den allgemein anerkann 
ten Grundsätzen über die Zehentablösung vielfach im 
Widerspruche steht, so mußten wir demselben dennoch ei 
nen Platz in der Landeszeitung gönnen. Wir hielten 
uns dazu verpflichtet, um dem Programme unseres Blat 
tes treu zu bleiben. Die Begründer dieser Zeitung stell 
ten für die Haltung desselben den Grundsatz auf, daß 
jede Ansicht über Landesangelegenheiten Ausdruck finden 
solle, wenn sie in ruhiger, leidenschaftsloser Form vorge 
bracht werde. Um die Erreichung dieses Zweckes mög 
lichst sicher zu stellen, und um Einseitigkeit und Partei 
lichkeit der Redaktion zu vermeiden, wurde für die Be 
urtheilung aller wichtigeren Fragen und Einsendungen 
ein Ausschuß bestellt. Dieser Ausschuß besteht aus dem 
Herausgeber, dem verantwortlichen Redakteur und dem 
Mitgliede Dr. Schlegel dahier. Der Redaktionsausschuß 
fand nun zur Herstellung des Gleichgewichts 
für gut, dem obigen Zehentartikel einige Ergänzungen 
und Erwiderungen anzureihen. War der gedachte Ar 
tikel offenbar vom Standpunkte des Zehentherrn ausge 
gangen, so wird es billig sein, daß wir, ohne aber Par 
tei zu nehmen, vom Standpunkte des Zehentschuldners 
ausgehen. Die Vergleichung beider Resultate und die 
Schlußfolgerung daraus überlassen wir unsern Lesern. 
Der geehrte Einsender sucht im 1. Theile seiner Arbeit 
das wohlbegründete Recht der Zehentherren, insbesondere 
der geistlichen Pfründen nachzuweisen. Wir bemerkten 
schon in Nr. 6, daß diese Beweisführung keine prakti 
sche Bedeutung für unser Land haben könne, indem bei 
uns dieses Recht unbestritten ist. Indeß als einer histo 
rischen Belehrung über die Entwicklung dieses Rechtes 
kann man dem fragl. Artikel immerhin ein Interesse ab 
gewinnen. 
Wichtiger ist der 2. Theil des Artikels. Der Herr Ein 
sender läßt die Frage geradezu unbeantwortet: Woher hat
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.