Volltext: Die heilige politische Kuh

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Auf den Februar des Jahres 1974 hin erfüllten sich 
die Tage und füllten sich nächtlicherweise die 
Wirtschaften. 
«Wir schlafen nicht mehr!» hieß es plötzlich von 
allen drei Seiten. 
Ich, ein unbescholtener Bürger dieses Landes, legte 
mich eines Abends trotzdem ins gemachte Bett. 
Und philosophierte so vor mich hin. 
Dann geschah plötzlich das Wunderliche. 
Aus dem Philosophieren wurde immer mehr ein 
Viehlosophieren. Alle Bürger wurden Vieher. 
Nur die Frauen blieben Liechtensteinerinnen. 
(Nur einige versuchten sich unerlaubterweise an 
der Viehlosophie.) 
Wohin ich also sah, nur Viehlosophen. 
Die Veränderung beschränkte sich allerdings aufs 
Anatomische. Sonst blieb alles beim alten. 
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Wer gibt wem was, muß die Frage lauten. 
Es gibt eine einfache Antwort. Die ist hier 
dargestellt. 
Der Schnappschuß widerlegt ein für allemal 
sämtliche Theorien über dunkle Machenschaften, 
wie man zu Anleihen im Parteiprogramm kommt. 
So einfach ist das. 
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Die Liechtensteiner sind ein recht eigenwilliges 
Volk, auch wenn sie, wie hier, als Rindvieher 
auftreten. So muß man ihnen auch kräftig 
beibringen, was zu ihrem Glücke führt. 
Nun aber sind die Liechtensteiner selbst offen- 
sichtlich schlechte Antreiber ihrer Volksgenossen. 
Deshalb machte man auch eine freundnachbarliche 
Anleihe, getreu dem Motto: 
Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd’, 
(In Liechtenstein, da . . .) 
auch wenn die Hirten Schweizer sind. 
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In Wahlzeiten gibt es nicht nur Leute, 
mit denen man bricht, 
sondern es gibt auch Leute, von denen man spricht 
(und die gut davon leben). 
Auch an diesem Stalltisch ist die Rede von einem 
imaginären Papierkorb- und Kropfleerer, welcher 
'n einer Zeitung auf Kosten der anderen lebt und 
zedeiht. 
Wie Figura zeigt, ein unerschöpfliches Thema, das 
is zur Erschöpfung diskutiert wird. 
> 
Damit der wissenschaftlichen Genauigkeit Genüge 
getan ist, einige Worte zum berühmten Unterschied. 
7 Sie gibt Milch und ist erfreulich anzuschauen. 
Sie hat aber trotzdem nach männiglicher 
Auffassung nichts zu sagen. 
Er ist in seinen Möglichkeiten etwas beschränkt, 
aber ein friedlicher Bürger und zieht wie ein 
Ochse. 
Er ist ein potenter Kerl, fruchtbar und furchtbar 
zugleich, aber er zieht nicht, es sei den bei © 
ö 
Damit jeder genug offene Türen einrennen kann, 
damit jeder vor seiner eigenen Haustür wischen 
kann, 
damit jeder jedem seine eigene Haustür vor der 
Nase zuschlagen kann, 
darum fordern wir: . 
Tedem Liechtensteiner seine eigene Haustür. 
7 
Auch über uns kann man in guten Treuen und in 
allerlei Hinsicht verschiedener Ansicht sein. 
Aber man kann uns drehen und wenden, wie man 
will, eines stimmt immer: 
Wo wir gemolken werden, da sind wir immer rosig. 
Ohne Rücksicht auf «Ideologien». 
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Das kommt in den besten Familien vor. 
Ein schönes Früchtchen, bei aller Fairneß! 
Fürchtet Euch jedoch nicht, 
es dunkelt sicher noch nach. So oder so. 
(Oder so.} 
‚Hier sind wir bei Frau Kuh. Ihr Mann ist Politiker 
ınd wird ab und zu mit Dreck beworfen und in den 
ichmutz gezogen. Womit waschen Sie, Frau Kuh?» 
‚Auch ich nehme nur das neue MUH mit dem 
ıungrigen Stier. Aber nur bis sechzig Grad, damit 
ch mir die Finger nicht verbrenne. Besonders schön 
1art wird mit dem neuen MUH das Sitzleder 
neines Mannes, worauf er großen Wert legt.» 
Sie sehen also, Frau Kuh... Ja, Frau Kuh, Sie 
vollten noch etwas sagen?» 
‚Ja, Herr MUH-Reporter, dazu ist das neue MUH 
a so00 günstig. Und alle vier Jahre, da gibt es erst 
ıoch drei für zwei.» 
LO 
Was sagen Sie nun dazu, wenn Sie mich so 
ınschauen? Alle sind für den Umweltschutz. Ich 
‚uch. Aber in letzter Zeit ist auch beim Umwelt- 
schutz Übertrumpfen Trumpf. 
Nun bin sogar ich «persona non grata». Man will 
nir an den Kragen, wobei der eigentliche Grund 
veiter hinten zu suchen ist. 
Denn, so sagt man, Milch mache wohl manches 
vieder gut, aber nicht alles. 
Vlan sagt aber auch, wir hätten eine umwelt- 
verschmutzende Kehrseite. 
ch frage Sie, wer hat das nicht? 
L1 
Wie gesagt, es gibt Rote, Schwarze und Grüne. 
Das ist ja nicht neu. 
Jann gibt es aber auch Existenzen, bei deren 
\nblick sich selbst gewiegte Kenner der Volksseele 
ınter dem Ohr kratzen (Von Haus aus müßte er 
loch . . .), die Augenbrauen hochziehen (Der wird 
Joch nicht etwa . .. ), mit den Schultern zucken 
Bei diesen Intellektuellen weiß man ja nie...) 
der die Nase rümpfen (Zuzutrauen ıst dem alles, 
‚ber auch gar alles . . .}. 
is gilt halt auch für diese farbenprächtige Figur: 
_andauf, landab man von ihm spricht: 
ist er nun oder ist er nicht? 
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Yor der Wahl findet ein sogenannter «Wahlkampf» 
itatt. Damit aber Heckenschützen und Waffen- 
zeklirr nicht so sehr auffallen, gehört heutzutage 
vuch Musik zum Arsenal. 
Tier findet die Hauptprobe für den Wahlschlager 
:Blas mir das Lied vom Sieg», ein Marsch zu einem 
Aandat, statt. 
is frägt der Baß-Bläser (3. von links) den Baß- 
3läser (3. von rechts): 
ich frag mich nur am End, ; 
vo bleibt der Dirigent? 
Vachtrag 
Der oben genannte Baß-Bläser (3. von links) wurde 
curz darauf wegen parteischädigenden, wieder- 
1olten Fragens aus der Mannschaft genommen. 
Dem ebenfalls genannten Baß-Bläser (3. von rechts) 
vurde später der Blas-Ausweis entzogen, weil er 
Oortgesetzt unter der ominösen Gürtellinie geblasen 
ıatte. Sein Einwand, daß er wegen eben dieser 
ertigkeit bis vor kurzem noch Solo-Bläser gewesen 
ei, half ihm auch nichts. 
L3 
Wer hat die besseren Köpfe? 
Wer so frägt, der vergißt, daß auch kräftige Hörner 
ıb und zu von Nutzen sein können. 
Schließlich müssen Argumente nicht nur gut sein. 
je müssen auch stechen können. 
14 
Nach monatelangem, sachlichem und demo- 
zratischem Muhen auf breitester Basis, sind wir 
1un glücklich und einhellig der einstimmigen 
Meinung, daß wir bis zum 3. Februar 1974 keine 
gene Meinung mehr zu haben haben. 
Vluh! 
)er Wahltag rückt näher. 
Tan führte uns auf immer bessere und ver- 
ockendere Weiden mit vielen farbigen Blumen und 
aftigen Kräutern. 
dennoch wurde es einigen grün vor den Augen, als 
ie zu tief ins Gras schauten. 
.6 
edes Ding hat zwei Seiten. 
Jnd meistens sind sie unterschiedlich groß. 
Da hilft auch eine Verkleidung nichts. 
3s ist eben alles relativ. 
[7 
Vanchen hat schon der Hafer gestochen und er 
vollte als Volksvertreter in den Landtag gewählt 
werden. Und dann wurde doch nichts draus. 
Warum, so fragt man allgemein. 
Vielleicht könnte dieses Gespräch hinter Gläsern 
ine Antwort geben. Denn hier sprechen zwei vom 
<andidaten X. mit vielen kleinen «Abern». Gerade 
lie kleinen «Aber», die hinter der hohlen Hand 
yedeihen und von leiser Stimme getragen werden, 
ind oft die anhänglichsten. 
zZ u(Ch)rios, nicht? 
18 
ch bin eine farblose Kuh. 
Mein Kennzeichen ist der «Heiligenring». 
m Unterschied zum gebräuchlicheren «Heiligen- 
chein» schwebt er nicht, sondern hängt mir zur 
Vase heraus. Man kann daran vortrefflich ziehen. 
Jas tun denn auch meine farbigen Artgenossen 
esonders in Wahlzeiten ausgiebig. 
\us diesem Grunde schaue ich auch jetzt, Mitte 
“ebruar, immer noch so fragend drein. Mir ist 
ıoch ganz wirr im Kopf von den Kehrtwendungen 
9 
line steife Bise fegt durch das liechtensteinische 
3lätterwäldchen. Das Dickicht der Argumente 
ınd Gegenargumente wird für den Leser immer 
ındurchdringlicher. Der spitze Griffel muß jedoch 
nmer mehr den großen, größeren und größten 
„ettern weichen. 
zin Zeichen der Zeit oder vertraut man der Graphik 
;infach mehr als der eigenen Weisheit? 
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_iechtenstein sei das höchstindustrialisierte Land 
ler Welt, heißt es. 
U’rotzdem spielten die Bauern (und überraschender- 
weise vor allem die Bauernsöhne) eine wichtige 
Rolle. 
Jb der Landwirtschaft damit wirklich viel geholfen 
wird? Jedenfalls singt sie hier kräftig (und ein 
yißchen trotzig) 
Derna Buurabüable mag i net» 
21 
Der Wahltermin rückt näher: 
Die Bäuche werden immer trächtiger, 
‚je Farben leuchten immer prächtiger. 
’edoch, man erinnere sich: 
Zngel haben weiße Bäuche. 
7on der Seele gar nicht zu reden. 
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Wenn Bäume reden könnten, 
lann würden die drei Bäume im Hintergrund links 
wohl folgendes feststellen: 
Die Zeiten ändern sich, die Gruppen auf den 
3änken bleiben die gleichen. Wenigstens scheint das 
;o von unserem Standpunkt aus. Vielleicht ist das 
on vorne besehen aber ganz anders... 
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Wünsch Dir was. 
24 
Jen Glücklichen aber hängt der Himmel voller 
Zuter
	        

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