Auslegungsmethoden
Auch zum selbständigen liechtensteinischen Recht lassen sich aus der
Rechtsvergleichung wertvolle Gesichtspunkte entnehmen**. So füllte der
Oberste Gerichtshof eine echte Gesetzeslücke “durch einen Analogie-
schluss zu verwandten in- und ausländischen Gesetzen”®, Solche Ana-
logieschlüsse seien auch im Bereich des strafrechtlichen Verfahrens
zulässig. Der Staatsgerichtshof berief sich im selben Verfahren als
Rechtsmittelinstanz nicht auf eine Lücke, sondern auf die Polizeigene-
ralklausel®. Es ist allerdings wichtig, dass das ausländische Recht nicht
direkt, sondern analog? oder sachgemäss (mutatis mutandis®) herange-
zogen wird. Dies erlaubt es, nötigenfalls Besonderheiten der liechten-
steinischen Rechtsordnung zu berücksichtigen. In diesem Sinne kann
ausländisches Recht sinngemäss zur Auslegung herangezogen werden
und allenfalls eine echte Lücke füllen. “Sinngemäss” bedeutet, dass
selbst bei einer Übernahme ausländischen Rechtes eine “Analogie-
Automatik” nicht vertretbar ist, da dadurch die Eigenständigkeit der
Rechtsgestaltung unzulässig beschränkt würde®?. Selbstverständlich sind
rechtsvergleichende Analogieschlüsse nur dann tragfähig, wenn das aus-
ländische Recht mit der liechtensteinischen Regelung kompatibel ist”
und das liechtensteinische Recht selbst keine klaren Aussagen macht?!.
Es ist verständlich, dass die liechtensteinischen Instanzen bei den po-
litischen Rechten, die in den ursprünglichen Bereich der staatlichen Sou-
veränität gehören, der Rechtsvergleichung gegenüber zurückhaltend
sind. So hat der Staatsgerichtshof bei den politischen Rechten erklärt,
dass er ausländische Beispiele “nur mit grossen Vorbehalten” heranzie-
hen könne”, Den “grossen Vorbehalt” hat der Staatsgerichtshof aber
8 Vgl. SEGH 1988/9, Urteil vom 26.10.1988, LES 1989, S. 59 (61); STGH 1982/29, Urteil
vom 15.10.1982, LES 1983, S. 77 (80); vgl. auch StGH 1980/9, Gutachten vom
30.10.1980, LES 1982, S. 8 (9) hinsichtlich der öffentlichrechtlichen Rechtsnatur des Be-
amten- und Angestelltenrechts nach Beamtengesetz.
85 Vgl. die Darlegungen zur Position des OGH in StGH 1986/11, Urteil vom 6.5.1987,
LES 1988, 5. 45 (46).
56 Vgl. SCGH 1986/11, Urteil vom 6.5.1987, LES 1988, S. 45 (46 und 48).
87 So ausdrücklich StGH 1984/11, Urteil vom 25.4.1985, LES 1986, S. 63 /67).
88 Vgl. SEGH 1986/7, Urteil vom 5.5.1987, LES 1987, S. 141 (144).
89 Vgl. SEGH 1994/10, Urteil vom 4.10.1994, LES 1995, S. 28 (30); StGH 1993/13 und
1993/14, Urteil vom 23.11.1993, LES 1994, S. 49 (52).
% Vgl. SCGH 1979/4, Entscheidung vom 27.8.1979, LES 1981, S. 111 (112); StGH 1992/12,
Urteil vom 23.3.1993, LES 1993, S. 84 (86); vgl. auch VBI 1966/13, Entscheidung vom
26.5.1966, ELG 1962-66, S. 30 (31).
% Vgl. SCGH 1980/4/V, Entscheidung vom 10.12.1980, LES 1981, S. 187 (188).
2 StGH 1982/1-25/V, Entscheidung vom 15.10.1982, LES 1983, 5. 74 (76).
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