Volltext: Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts

Auslegung des Verfassungs- und Verwaltungsrechts 
Im Hinblick auf das Völkerrecht sind die nationalen Rechtssätze 
völkerrechtskonform auszulegen; dies gilt namentlich für die Europä- 
ische Menschenrechtskonvention?. Im Recht der Europäischen Union 
ist ferner die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts vom 
Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anerkannt? 
4. Historische oder zeitgemässe Auslegung 
Die historische Auslegung stellt auf den Normsinn ab, der zur Zeit ihrer 
Entstehung als der zutreffende angesehen wurde. Eine Norm gilt so, wie 
sie der Gesetzgeber ursprünglich verstanden wissen wollte. Bei der sub- 
jektiv-historischen Interpretation ist der subjektive Wille des histori- 
schen Gesetzgebers massgebend; d.h. es ist auf die Meinungen abzustel- 
len, die in den konkreten Landtagsdebatten zu diesem Gesetz abgegeben 
worden sind?. Dabei hat es die Verwaltungsbeschwerdeinstanz abge- 
lehnt, ehemalige Parlamentarier, die an der Ausarbeitung eines Gesetzes 
beteiligt waren, als Zeugen vorzuladen, um eine möglichst wahrheits- 
getreue entstehungszeitliche Interpretation zu ermöglichen?!. Die Ver- 
waltungsbeschwerdeinstanz begründete ihren Entscheid damit, dass 
eine objektive Feststellung des Willens des Gesetzgebers nicht mehr 
möglich sei. Der Entscheid ist ım Ergebnis richtig. Die Begründung ist 
indes wenig überzeugend. Nach dieser Argumentation wäre der Zeu- 
genbeweis stets untauglich. Wäre hingegen eine objektive Feststellung 
des Willens des Gesetzgebers durch die Parlamentarier im Zeugenstand 
möglich, so würden diese die “bouche de la loi”?? darstellen. Die Parla- 
mentarier interpretieren nachgerade “authentisch”. Eine derartige Zeu- 
genbefragung wäre mit der Gewaltenteilung nicht zu vereinbaren. Die 
legislative Körperschaft könnte direkt Einfluss auf hängige Prozesse und 
die Rechtsprechung nehmen. 
3 Vgl. SCGH 1990/7, Urteil vom 21.11.1990, LES 1992, S, 10 (11) zur EMRK-konformen 
Auslegung. 
» Vgl. das Urteil C-91/92 vom 14.7.1994, Paola Faccini Dori gegen Recreb Srl, Slg. 1994, 
I - 3325 (3357 m.H.); Adamovich u.a., Staatsrecht, S. 43. 
» Vgl. Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht, Nr. 132; Häfelin/Haller Nr. 87. 
3 Vgl. VBI 1946/17 vom 25.11.1946, ELG 1946-47, S. 53. 
» So die berühmte Formulierung von Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, XI. Buch, 
6. Kapitel, S. 221. 
RR
	        

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