Geschriebene Rechtsquellen
Staatsverträge und die in Art. 2 des Gesetzes ausdrücklich aufgezählten
Verordnungen und Hof-(Kanzlei-J)dekrete.
In der Lehre wird dem formellen Gesetz häufig das materielle Gesetz
gegenübergestellt. Dieses bezeichnet nichts anderes als einen generell-
abstrakten Rechtssatz, unabhängig davon, ob er sich auf der Stufe der
Verfassung, des formellen Gesetzes oder der Verordnung befindet’. Das
materielle Gesetz bezeichnet damit eine Qualität aller Rechtsquellen; es
ist aber keine Rechtsquelle im Stufenbau der Rechtsordnung.
4. Verordnungen“
Bei Verordnungen handelt es sich regelmässig um materielle Gesetze
(also Rechtssätze), welche nicht auf dem Weg der Verfassungs- oder Ge-
setzgebung erlassen worden sind®!. Sie stehen in der Hierarchie der
Normen unterhalb der Stufe des formellen Gesetzes. Die Verordnungen
werden in der Praxis unterschiedlich bezeichnet; so als Reglement,
Benutzungsordnung, Weisung, Dienstanweisung, Beschluss, autonome
Satzung oder Bauordnung“. Die Kategorie der Verordnung übernimmt
gewissermassen die Funktion eines Auffangbeckens von Rechtsquellen,
die weder auf der Verfassungs- noch auf der Gesetzesstufe stehen. In
diesem Sinn steht das alte, vorbestandene Hausrecht des Fürstlichen
Hauses Liechtenstein - soweit es sich nicht auf die Materien des Art. 3
LV beschränkt und nicht der staatlichen Gesetzgebung widerspricht —
lediglich auf der Stufe der Verordnung®.
% Vgl. VBI 1995/75, Entscheidung vom 17.12.1996, LES 1997, S. 95 (96); VBI 1969/29,
Entscheidung vom 21.1.1970, ELG 1967-72, S. 7; Antoniolli/Koja, S. 149; Merkl, 5. 7,
100, 168; differenzierter Wolff I, S. 105. Die schweizerische Lehre bezeichnet — anders
als die österreichische und deutsche Lehre — die Rechtssätze der Verfassung nicht als
materielle Gesetze, vgl. Häfelin/Müller Nr. 85.
» Vgl. Antoniolli/Koja, S. 149.
% Vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen in der Dissertation Schurti sowie in dessen
Beitrag in LPS 21: Verordnungsrecht — Finanzbeschlüsse, S. 233 ff.
Vgl. SCGH 1978/12, Urteil vom 11.12.1978, S. 8, nicht veröffentlicht; Otto Mayer, zitiert
bei Merkl, S. 119; Wolff I, S. 116; Adamovich/Funk, S. 252 f.; Antoniolli/Koja, S. 154 f.
Bauordnungen der Gemeinden sind Verordnungen, vgl. StGH 1976/7, Urteil vom
(0.1.1977, Stotter, Verfassung, S. 60 f., Ziff. 2; StGH 1975/7, Entscheidung vom
15.9.1975, Stotter, Verfassung, S. 71 f., Ziff. 16.
Das neue Hausgesetz des Fürstlichen Hauses Liechtenstein vom 26.10.1993 LGBl.
1993/100, LR 111.0. ist wegen seines verfassungswidrigen Zustandekommens insgesamt
als nichtig anzusehen. Aus diesem Grunde besteht das bisherige Hausrecht des Fürst-
lichen Hauses fort, vgl. S. 41 ff.
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