Volltext: Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts

Geschriebene Rechtsquellen 
ist der Gesetzesbegriff in Liechtenstein offen. In der Form eines Geset- 
zes können sowohl Rechtssätze ergehen, als auch andere Anordnungen, 
die keinen rechtssetzenden Charakter haben. Dazu gehören etwa die 
jährlichen Voranschläge*, die als Anhang der jährlichen Finanzgesetze 
des Landtags? ergehen. Dabei handelt es sich um sog. “rein formelle 
Gesetze”, die keine Rechtsquellen darstellen‘. Das liechtensteinische 
Verfassungsrecht kennt also keinen materiellen Gesetzesbegriff”, der 
den Landtag verpflichtet, Gesetze mit ausschliesslich rechtssetzendem 
Inhalt zu erlassen”. Die Rechtslage entspricht damit derjenigen in 
Österreich” und in Deutschland”. 
Die gemäss Art. 66 Abs. 1 LV dringlich erklärten Gesetze unterliegen 
keinem Referendum, sondern können nach der Sanktion des Landes- 
fürsten und der Gegenzeichnung des Regierungschefs sofort in Kraft 
treten”, Der dadurch bewirkte Ausschluss des Referendums ändert in- 
dessen nichts daran, dass die beschlossenen Vorlagen ihre Rangstufe als 
Gesetz oder sogar als Verfassungsgesetz behalten. 
Die vor der Verfassung von 1921 zustandegekommenen Gesetze, wie 
etwa das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch von 1811 oder das Ex- 
propriationsgesetz von 1887, sind in demjenigen Verfahren zustande ge- 
kommen, das zu ihrer Zeit gültig war. Sie sind durch die neue Ver- 
fassungsordnung von 1921 nicht abgelöst worden, sondern bleiben wei- 
‘% Vgl. Allgäuer, S. 243 f. 
” Vgl. z.B. Finanzgesetz vom 10.12.1992 für das Jahr 1993, LR 612.0, LGBI. 1993/1. Vgl. 
weitere Beispiele solcher Gesetze bei Allgäuer, S. 187. 
Vgl. Steger, Fürst, S. 128 f.; Allgäuer, S. 239; Pappermann, Regierung, S. 111; Merkl, S. 100. 
Immerhin verwendet der Staatsgerichtshof diesen Begriff im Gutachten vom 22.1.1935, 
StGH 1/29, nicht veröffentlicht; vgl. ferner VBI 1969/29, Entscheidung vom 21.1.1970, 
ELG 1967-72, S. 7. 
Diese Rechtslage besteht im Gegensatz zu Liechtenstein in vielen Schweizer Kantonen, 
so etwa in St. Gallen. So beschränkt z.B. Art. 54 Abs. 2 der st. gallischen Kantonsver- 
Fassung vom 16.11.1890 den Inhalt der Gesetze auf Normen, “welche die Rechte und 
Pflichten der Privaten, ... der Gemeinden und des Staates sowie die organıschen Ein- 
richtungen des Staates, des Gerichts- und Verwaltungswesens allgemein und bleibend 
bestimmen”, vgl. dazu Yvo Hangartner, Das Gesetz im st. gallischen Staatsrecht, in: 
Andreas Auer/Walter Kälin (Hrsg.), Das Gesetz im Staatsrecht der Kantone, Chur/ 
Zürich 1991, 5. 279 ff. m.H. 
Vgl. Allgäuer, S. 239, Anm. 224 m.H.; Antoniolli/Koja, S. 149; so fasst z.B. der österrei- 
chische Nationalrat Gesetzesbeschlüsse über die Aufnahme einer Anleihe oder die 
Genehmigung des Rechnungsabschlusses nach Art. 42 Abs. 5 B-VG. 
Vgl. BVerfG v. 17.7.1996, Urteil 2 BvF 2/93, EUGRZ 1997, S. 192 (197); Allgäuer, S. 239, 
Anm. 224 m.H.; Wolff I, S. 109. 
Vgl. Schurti, 153 f.; Hoch, S. 222; Ritter, Demokratie, S. 7; Batliner M., S. 188. 
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