Volltext: Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts

Überprüfungskompetenz des Staatsgerichtshofes 
Die Landesverfassung enthält keine grundrechtliche Garantie richti- 
ger Gesetzesauslegung, die dem Staatsgerichtshof die Kompetenz geben 
würde, die einfache Rechtsanwendung umfassend zu prüfen. Die Ver- 
fassung anerkennt keinen Anspruch auf eine “verkehrsübliche Ausle- 
gung und Anwendung” der gesetzlichen Bestimmungen! “Eine verfas- 
sungsgerichtliche Festschreibung auf ‘verkehrsübliche Auslegung und 
Anwendung” .widerspräche der Verfassungsgarantie der richterlichen 
Unabhängigkeit wie einer Rechtsentwicklung und -fortbildung im Ver- 
fassungs- und Gesetzesrahmen”!*, 
Es ist dem Staatsgerichtshof als Verfassungsgericht verwehrt, gegen 
die Untätigkeit des Gesetzgebers vorzugehen'®. Er kann nur verfas- 
sungswidrige Gesetze und Verordnungen aufheben (kassieren), nicht 
aber ergänzen oder sogar neue Gesetze erlassen'*. Letzteres ist allein 
Aufgabe der rechtsetzenden Gewalt'”. “Diese nicht selten sich ergebende 
Problematik im Zusammenhang mit der Funktion des Verfassungs- 
gerichts als gewissermassen ‘negativer Gesetzgeber’ wird dadurch ver- 
schärft, dass die Aufhebung einer als verfassungswidrig erkannten 
Rechtsnorm nur gerade um die gesetzliche Maximalfrist von sechs Mo- 
naten gemäss Art. 43 Abs. 2 StGH aufgeschoben werden kann”!®. Der 
Staatsgerichtshof hat allerdings angedeutet, dass er seine Zurückhaltung 
dann aufgeben würde, “wenn der Gesetzgeber trotz der aus grundrecht- 
licher Sicht nicht unbedenklichen Gesetzeslage längere Zeit nicht tätig 
würde” 159, 
In der Praxis wird das Problem der aufgrund eines Urteils des Staats- 
gerichtshofs erforderlichen Gesetzesanpassung mit erwähntem Fristauf- 
28.10.1986, LES 1987, S. 43 (44); SGH 1984/6 und 1984/6, Urteil vom 6.10.1984, LES 
1986, S. 61; SCGH 1984/11 und 1984/11 V, Urteil vom 25.4.1985 bzw. 7.4.1986, LES 
1986, S. 63 und 67. 
53 StGH 1993/13 und 1993/14, Urteil vom 23.11.1993, LES 1994, S. 49 (52); SCGH 1988/15, 
Urteil vom 28.4.1989, LES 1989, S. 108 (112); SGH 1986/5, Urteil vom 28.10.1986, LES 
1987, S. 46 (48); SCGH 1985/6, Urteil vom 9.4.1986, LES 1986, S. 114 (117). 
5 StGH 1993/13 und 1993/14, Urteil vom 23.11.1993, LES 1994, S. 49 (52); SIGH 
1988/15, Urteil vom 28.4.1989, LES 1989, S. 108 (112). 
155 Vgl. SCGH 1981/5, Urteil vom 14.4.1981, LES 1982, S. 57 (59). 
'5 In Deutschland haben gewisse Urteile des Bundesverfassungsgerichts “Gesetzeskraft”, 
vgl. $ 31 Abs. 2 BVerfGG. 
57 Vgl. SCGH 1981/14, Beschluss vom 9.12.1981, LES 1982, S. 169; SCGH 1993/3, Urteil 
vom 23.11.1993, LES 1994, S. 37 (39); SCGH 1995/20, Urteil vom 24.5.1996, LES 1997, 
S. 30 (37). 
58 SEGH 1995/20, Urteil vom 20.5.1996, LES 1997, S. 30 (37). 
159 Vgl. SCGH 1993/3, Entscheidung vom 23.11.1993, LES 1994, S. 37 (39); vgl. auch SGH 
1991/14, Urteil vom 23.3.1993, LES 1993, S. 73 (75 f.). 
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