Begriffe und Zweck der Unterscheidung
$2 Abgrenzung von öffentlichem Recht und Privatrecht
I. Begriffe und Zweck der Unterscheidung
Die liechtensteinische Rechtsordnung beruht, wie alle kontinental-
europäischen Ordnungen, auf der Unterscheidung zwischen Privat-
(oder Zivil-J)recht und öffentlichem Recht. Das Privatrecht ordnet die
Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen! und vereinzelt auch die
Rechtsbeziehungen zwischen Privaten und dem Staat. Im Privatrecht
treten die von einem Rechtsverhältnis erfassten Personen partner-
schaftlich auf. Eine rechtliche Über- und Unterordnung der beteiligten
Rechtssubjekte ist nicht möglich. Freilich bewirkt die faktische Un-
gleichheit der Parteien im Privatrecht eine tatsächliche Machtdifferenz.
Diese stellt das partnerschaftliche Miteinander des Privatrechts faktisch
in Frage. Zu denken ist beispielsweise an die Submissionen?, wo dem
Gemeinwesen infolge seiner Nachfragemacht eine gewichtige Stellung
zukommt. Ferner bestehen Ungleichgewichte im Arbeitsrecht oder im
Kindesrecht.
Liechtenstein hat sich durch die teilweise an das schweizerische Obli-
gationenrecht angepasste Übernahme des Allgemeinen bürgerlichen Ge-
setzbuchs (ABGB) eine Kodifikation des Privatrechts gegeben?. Das
Personen- (PGR) und das Sachenrecht (SR) sind in eigenen Teil-
kodifikationen zusammengefasst. Daneben bestehen einige privat-
rechtliche Spezialgesetze, wie etwa das Ehegesetz“‘, die Gesetze über das
Wertpapierrecht und das geistige Eigentum®. Das öffentliche Recht ist
nicht in einer Gesamtkodifikation zusammengefasst, sondern in zahlrei-
chen Spezialgesetzen für die jeweiligen Gebiete normiert. Einzig das
Landesverwaltungspflegegesetz mit seinem ausgeprägten Detaillierungs-
ı Vgl. $ 1 ABGB.
‘Vgl. S. 153 f.
Die Schlussbestimmungen des PGR übernehmen für Liechtenstein wichtige Bestim-
mungen des schweizerischen Obligationenrechts, so $ 44 die Hilfspersonenhaftung des
Art. 101 OR oder $$ 45 f. die Geschäftsübernahme der Art. 181 f. OR oder $ 47 die Ge-
schäftsherrenhaftung des Art. 55 OR.
Ehegesetz vom 13.12.1973, LR 212.10.
Vgl. das Gesetz vom 24.11.1971 betreffend das Wechselrecht, LR 218.01 oder das Ge-
setz vom 24.11.1971 betreffend das Scheckrecht, LR 218.02.
Vgl. z.B. Gesetz vom 26.10.1928 betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur
und Kunst (URG), LR 231.1.
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