Geschichtliche und begriffliche Einführung
schwerdeinstanz) und dem Verfassungsgerichtshof (Staatsgerichtshof)
teilweise übernommen. Allerdings sind die Bezeichnungen unterschied-
lich, und der Staatsgerichtshof ist ın speziellen Materien, namentlich im
Steuerrecht, zugleich noch Verwaltungsgerichtshof?®.
Das materielle Recht wird in Liechtenstein zum Zweck der Erleichte-
rung meistens an Hand ausländischer Vorlagen erarbeitet. “Im Bereich
des Zivil- und Strafrechts hält man sich dabei häufig an österreichische,
im Verwaltungsrecht primär an schweizerische Vorlagen”?. Soweit al-
lerdings das Zivilrecht eine wirtschaftliche Relevanz besitzt, hat man
sich wegen des gemeinsamen Wirtschaftsraums gleichwohl an die
schweizerischen Regelungen angelehnt. So sind etwa das Mietrecht, das
Arbeitsrecht, das Eherecht oder das Sachenrecht dem schweizerischen
Privatrecht entnommen. Von Österreich übernommen worden sind
dagegen die Zivilprozessordnung, die Strafprozessordnung, das Strafge-
setzbuch oder das Amtshaftungsrecht. Liechtenstein kann mit dieser
Rezeption “vom Rechts- und Verfassungsdenken der grösseren, jeden-
falls quantitativ diskussionsstärkeren Staaten” profitieren?!. Das materi-
elle Verwaltungsrecht ist entweder über den Zollanschlussvertrag direkt
anwendbares schweizerisches Recht oder es ist freiwillig übernommenes
schweizerisches Verwaltungsrecht. Dieses staatsvertraglich oder freiwil-
lig übernommene “schweizerische” materielle Verwaltungsrecht wird
über das österreichisch orientierte allgemeine Landesverwaltungspflege-
gesetz angewandt. Dadurch entsteht eine Durchmischung zweier unter-
3 Vgl. S. 312 f. Anm.
” Hoch, S. 217; vgl. einlässlich Gschnitzer, 5. 43 ff.; vgl. sodann Batliner, Schichten, S. 298;
Brandstätter, S. 48 ff.; Waschkuhn, System, S. 209 ff.; Josef Kühne, Zur Struktur des
Liechtensteinischen Rechtes, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart
38/1989, S. 379 ff. zur Rezepuions- und Adaptionsgeschichte des liechtensteinischen
Rechts und Wilhelm Brauneder, 175 Jahre “Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch” in
Liechtenstein, LJZ 1988, 5. 94 ff.
Vgl. die eingehende Darstellung von Peter Liver, Gutachten vom 30.8.1954 über eine
neue Ordnung des Obligationenrechts im Fürstentum Liechtenstein, S. 5; vgl. ferner
Franz Gschnitzer, Gutachten über die Rezeption des Schweizerischen Obligationen-
rechts, 1952; Bei der Anpassung des liechtensteinischen Arbeitsvertragsrechts an Art. 69
EWR-Abkommen konnte die Rezeption nicht lückenlos fortgesetzt werden, vgl. Be-
üicht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein zur
Gleichstellung von Mann und Frau Nr. 1/1997 vom 7.1.1997, S. 21 f.; vgl. auch Thomas
Nigg, Liechtensteinisches und schweizerisches Vereinsrecht im Vergleich, Zürich 1996,
5. 6.
Vgl. OGH U 1000/88-22, Beschluss vom 31.7.1989, LJZ 1989, 157 (160), Ziff. 12; Wil-
loweit, S. 202; vgl. ausführlich Gschnitzer, S. 38 ff.
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