Volltext: Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts

Grundsätze des Verwaltungsverfahrens 
Nach dem Grundsatz der wechselseitigen Bindung der Behörden und 
Gerichte an ihre Entscheidungen muss der Sachverhalt nicht in jedem 
Fall vollständig ermittelt werden. Auch sind die daraus fliessenden 
Rechtsfolgen nicht erneut zu prüfen, wenn eine Behörde oder ein Ge- 
richt denselben Tatbestand schon rechtskräftig entschieden hat und die- 
ser ‚Sachverhalt in einem andern Verfahren relevant wird. In diesem 
Sinne kann eine Verwaltungsentscheidung über einen erfolgten Kirchen- 
austritt für die zivilrechtliche Rechtsgültigkeit einer Ehe relevant sein’. 
Oder einem Ausländer kann wegen einer strafrechtlichen Verurteilung 
die Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verlängert werden®. Dieser 
Grundsatz der wechselseitigen Bindung setzt aber voraus, dass das zeit- 
lich vorausgegangene Verfahren die Garantien für die Feststellung der 
objektiven Wahrheit bietet. Insbesondere muss den von der Vorfragen- 
entscheidung Betroffenen am vorgängigen Verfahren das rechtliche 
Gehör eingeräumt worden sein; ansonsten ist die Vorfragenentschei- 
dung nicht verbindlich®. Dieses Abstellen auf den in einem andern Ver- 
fahren rechtskräftig festgestellten Sachverhalt ist mit Art. 79 Abs. 1 LVG 
vereinbar, Denn diese Bestimmung schreibt nicht vor, wie die Regierung 
das Ergebnis der Beweiserhebungen zu würdigen hat!®. 
4. Beendigung des Verfahrens durch Entscheidung 
Nach der Ermittlung werden die erhobenen Beweise gewürdigt, d.h. der 
zutreffende und relevante Sachverhalt wird festgelegt. Dieses “Schluss- 
verfahren” ist in den Art. 78 bis 88 LVG ausführlich geordnet. Dabei 
werden die gesetzlichen Normen im Hinblick auf den Sachverhalt aus- 
gelegt. Aus der Subsumtion des Sachverhalts unter den gesetzmässig 
umschriebenen Tatbestand resultiert die Rechtsfolge. Die Entscheidung 
ist die verbindliche Antwort der zuständigen Instanz auf das durch den 
Privaten oder die Verwaltung ausgelöste Verfahren. Ist nur ein einzelner 
Beamter oder Richter zuständig, so geht das Entscheidverfahren formlos 
” Vgl. OGH 2 C 75/71, Urteil vom 9.11.1973, ELG 1973-78, S. 259. 
Vgl. VBI 1995/79, Entscheidung vom 7.2.1996, LES 1996, S. 125. 
Vgl. OGH 2 C 75/71, Urteil vom 9.11.1973, ELG 1973-78, S. 259 (260); VBI 1995/79, 
Entscheidung vom 7.2.1996, LES 1996, S. 125 (126 f.). 
Vgl. VBI 1995/85, Entscheidung vom 6.3.1996, LES 1996, S. 134 (135). In diesem Urteil 
ist allerdings der Grundsatz der wechselseitigen Bindung nicht angesprochen worden. 
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