Volltext: Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts

Rechtsgleichheit 
VI. Willkürverbot in der Gesetzesanwendung 
Das Willkürverbot wird aus Art. 31 Abs. 1 LV abgeleitet”: “Die Willkür 
der Behörden hat der Staatsgerichtshof in ständiger Praxis als Verletzung 
des verfassungsmässigen Grundrechtes des Art. 31 ausgelegt”7‘, Willkür 
in der Gesetzesanwendung liegt nach ständiger Praxis des Staatsge- 
richtshofs dann vor, wenn eine Vorschrift offensichtlich falsch ausgelegt 
wird, also ım Anwendungsfall qualifiziert unsachlich, grob verfehlt oder 
denkunmöglich angewendet wird’°. Der Staatsgerichtshof hat damit den 
Sprachgebrauch des österreichischen Verfassungsgerichtshofes aufge- 
nommen’”®, Nach einer anderen, der Rechtsprechung des schweizeri- 
schen Bundesgerichts entnommenen Formulierung definiert der Staats- 
gerichtshof die Willkür wie folgt: “Eine Entscheidung einer Behörde ist 
... Willkürlich, wenn die Begründung im Ergebnis offensichtlich unhalt- 
bar ist, mit der tatsächlichen Situation in unverkennbarem Widerspruch 
steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtssatz krass verletzt 
3 Vgl. eingehender aus grundrechtlicher Sicht Höfling, S. 220 ff. 
4 StGH 1978/16, Entscheidung vom 11.12.1978, Stotter, Verfassung, S. 51, Ziff. 45. Diese 
Auslegung geht sehr weit, in SGH 1974/15, Entscheidung vom 12.1.1976, Stotter, Ver- 
Fassung, S. 45, Ziff. 27 hob der Staatsgerichtshof hervor, dass der Ausdruck “Willkür” 
nicht in der Landesverfassung vorkommt und nur als Verletzung des Art. 31 LV in Be- 
tracht gezogen werden könne. Es handelt sich hier um einen fliessenden Übergang von 
der Auslegung des Art. 31 LV zur Anerkennung eines ungeschriebenen Grundrechts, 
vgl. zur Problematik der Geschlossenheit der Rechtsquellen S. 67, 75. 
Vgl. StGH 1995/10, Urteil vom 23.5.1996, LES 1997, S. 9 (17); StGH 1991/12a und 
'991/12b, Urteil vom 23.6.1994, LES 1994, S. 96 (98); StGH 1987/21 und 22, Urteil 
vom 4.5.1988, LES 19883, S. 45 (47); SEGH 1987/15, Urteil vom 3.5.1988, LES 1988, 
S. 134 (136); SIGH 1984/18, Urteil vom 24.4.1985, LES 1987, S. 33 (34) m.w.H.; SIGH 
vom 12.6.1968, ELG 1967-72, 5. 225 (229); SEGH vom 12.6.1968, ELG 1967-72, 5. 231 
(235); SIGH 1968/4, Urteil vom 28.5.1969, ELG 1967-72, S. 246 (247); SIGH 1961/1, 
Entscheidung vom 12.6.1961, Stotter, Verfassung, S. 21 f., Ziff. 16a; SIGH 1974/15, 
Entscheidung vom 12.1.1976, Stotter, Verfassung, S. 45, Ziff. 27; StGH 1977/7, Ent- 
scheidung vom 21.11.1977, Stotter, Verfassung, S. 47 f., Ziff. 32; SGH 1980/5, Ent- 
scheidung vom 10.12.1980, Stotter, Verfassung, S. 51, Ziff. 46; VBI 1996/17, Ent- 
scheidung vom 29.5.1996, LES 1997, S. 40 (45). N 
Vgl. Walter/Mayer Nr. 1354 m.H.; VfGH v. 9.12.1992, B 1114/92 u.v.a.m., ÖJZ 1993, 
5.779 (780): Willkürliche Gesetzesanwendung liegt vor, wenn sich eine Behörde “bei ih- 
rer Willensbildung von subjektiven, in der Person des Beschwerdeführers gelegenen 
Momenten leiten liess”. Hat dabei die Behörde ihre Entscheidung “fern von jeder 
Leichtfertigkeit, im Einklang mit den Denkgesetzen sorgfältig und besonders einge- 
hend” begründet, so liegt keine Willkür vor. Der österreichische Verfassungsgerichtshof 
verwendet den Begriff der “denkunmöglichen” Gesetzesanwendung allerdings auch im 
Zusammenhang mit Verletzungen der materiellen Grundrechte, vgl. z.B. VEGH vom 
10.10.1994, B 1382/93, EUGRZ 1995, 5. 625 (27); VIGH vom 10.10.1994, B 46/94, Eu- 
GRZ 1995, S. 629 (630). 
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