Anspruch auf Gleichbehandlung in der Gesetzgebung
II. Anspruch auf Gleichbehandlung in der. Gesetzgebung
Der Anspruch auf Gleichbehandlung richtet sich gegen den Gesetzgeber
und den Verordnungsgeber, also gegen alle rechtsetzenden Organe®. Da-
bei werden zwei Arten der Rechtsgleichheit unterschieden‘:
absolute Gleichbehandlung: Eine Rechtsnorm knüpft an gleich ge-
wertete Sachverhalte je dieselbe Rechtsfolge.
Beispiel: “Jeder Einwohner hat eine Kopfsteuer von Fr. 20.- jährlich
zu bezahlen”.
relative Gleichbehandlung: Eine Rechtsnorm knüpft an unterschied-
lich gewertete Sachverhalte je entsprechend unterschiedliche Rechts-
folgen.
Beispiel: Festsetzung der Einkommenssteuern in Prozenten verbun-
den mit einer Progression. Die unterschiedliche wirtschaftliche Lei-
stungsfähigkeit rechtfertigt eine unterschiedliche Steuerbelastung!.
Welche der beiden Arten der Rechtsgleichheit in einem Sachgebiet gel-
ten soll, hängt von den jeweiligen Umständen und den Wertungen der
zuständigen Staatsorgane ab!!; allgemeingültige Aussagen lassen sich nur
schwer machen. Zum Teil ändert die Anschauung auch mit der gesell-
schaftlichen Entwicklung. Veränderte gesellschaftliche Lebensumstände
verlangen nach einer angepassten Gesetzgebung!?. So wurde es im letz-
ten Jahrhundert noch als mit der Rechtsgleichheit vereinbar angesehen,
dass beim Stimmrecht das Zensusprinzip galt (relative Rechtsgleichheit).
Später wurde das grundlegende Prinzip “one man one vote” anerkannt
(absolute Gleichbehandlung), das 1984 auf die Frauen ausgedehnt wur-
de’? und bis heute unangefochten gilt.
Die Rechtsgleichheit fordert sachliche und vernünftige Gründe für
rechtliche Unterscheidungen. Der Staatsgerichtshof nennt folgendes
liegen, “wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widerspre-
chenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvor-
schrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei
Erlassung des Bescheides Willkür übte”
Vgl. z.B. Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht Nr. 1347.
Vgl. bereits die Unterscheidung von Platon betreffend arıthmetische und geometrische
Gleichheit, vgl. Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht Nr. 1345.
% Vgl. BVerfGE 93, S. 121 (135) und BVerfG vom 10.4.1997, 2 BvL 77/92, EUuGRZ 1997,
S. 255 zu den Anforderungen der Besteuerungsgleichheit.
"Vgl. Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht Nr. 1348.
2 Vgl. StGH 1989/15, Entscheidung vom 31.5.1990, LES 1990, S. 135 (steuerrechtliche
Ungleichbehandlung von Ehepaaren und Konkubinatspaaren).
3 Vgl. LGBL 1984/27.
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