Ausnahmen vom Gesetzmässigkeitsprinzip
Sodann kennt die liechtensteinische Verwaltungsrechtsordnung ei-
nige spezialgesetzliche Klauseln zur Abwehr von Polizeigefahren. Art.
22 PolG gestattet im Sinne der traditionellen Polizeigeneralklausel'®
einen Eingriff in Freiheit und Eigentum ohne gesetzliche Grundlage,
wenn eine schwere oder unmittelbare Gefährdung oder Störung der öf-
fentlichen Sicherheit und Ordnung nicht anders abgewehrt werden
kann. Ferner ist Art. 137 Abs. 1 und 2 LVG über die Landsnöte eine ein-
fachgesetzliche Polizeigeneralklausel. Sie erlaubt es, dass die Exekutiven
von Land und Gemeinden im Falle von Rhein-, Feuer- und Rüfenot
Spanndienst- und Nothilfepflichten anordnen!®. Zur Gefahrenabwehr
können die Exekutiven ferner alle Massnahmen anordnen, die notwen-
dig und zweckdienlich sind. Im Falle öffentlicher Unruhen kann die
Landesregierung gemäss Art. 137 Abs. 3 LVG die erforderlichen Anord-
nungen (“Landsrettung”) treffen. Es handelt sich hier ebenfalls um
nichts anderes als eine einfachgesetzliche Polizeigeneralklausel!®,
Die Polizeigeneralklausel ist auf Gemeindeebene in Art. 52 Abs. 4
GemG ausdrücklich normiert, indem der Gemeindevorsteher Anord-
nungen zum Zwecke der Aufrechterhaltung von Ruhe, Sicherheit und
Ordnung treffen und Übertretungen mit Geldstrafen ahnden kann.
Wichtig ist, dass die Gemeindevorstehung unabhängig vom Strafrecht
die Übertretung ihrer Anordnungen bestrafen kann'?. Sie kann ferner
alle tauglichen Massnahmen treffen, um einen polizeiwidrigen Zustand
zu beheben. Die Gemeinden sind insoweit zu Massnahmen aufgrund
der Polizeigeneralklausel berechtigt, als die Beseitigung der Störung im
Vermögen der Gemeinden liegt.
Für den Bereich der aussenpolitischen Sicherheit des Landes gibt das
Gesetz über Massnahmen im Wirtschaftsverkehr mit fremden Staaten!®?
eine genügende spezialgesetzliche Grundlage ab!®. Gestützt auf dieses
188 Vgl. Funk, Polizeigesetz, S. 124.
187 Vgl. dazu einlässlich Schurti, S. 253 f.; Steger, Fürst, S. 79 f.; Beck, Enteignungsrecht, 5. 35 ff.
1% In diesem Zusammenhang sind die polizeirechtlichen Bestimmungen der Art. 131 ff.
LVG zu beachten. Für den Bereich der Luftverschmutzung nennen Art. 5 Abs. 4 und
25 Abs. 3 des Luftreinhaltegesetzes vom 20.11.1985, LGBl. 1986/3 entsprechende
Kompetenzen für die Regierung.
19 Vgl. StGH 1987/18, Urteil vom 10.11.1987, LES 1988, S. 92 (93). Das Urteil erwähnt in-
dessen die Polizeigeneralklausel nicht ausdrücklich; sie ergibt sich indessen zwanglos
aus der gesetzlichen Regelung des Art. 50 Abs. 1 des alten Gemeindegesetzes (heute:
Art. 52 Abs. 4 GemG); vgl. dazu auch Nell, S. 157 f.; Bielinski, S. 177 ff.
2 Vom 8.5.1991, LGBl. 1991/41, LR 946.201.
193 Vgl. Hoop, S. 143.
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