Gesetzmässigkeit der Verwaltung
4. Examen und unbestimmter Rechtsbegriff
Besonders ausgebildete Experten nehmen Fach-, Berufs- und Schul-
prüfungen ab. Es ist zulässig, dass die Abnahme solcher Prüfungen an
private Verbände delegiert wird (sog. belichene Verwaltung)!®. In die-
sem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem “Ermessen” dieser
Prüfungskommissionen. Der Staatsgerichtshof spricht in diesem Zusam-
menhang von einem “technischen Ermessen”! Freilich handelt es sich
nicht um ein eigentliches Ermessen, die Prüfungskommission hat viel-
mehr einen unbestimmten Rechtsbegriff zu handhaben: Sie hat nämlich
“in unmittelbarer Anschauung”!* zu untersuchen, ob die Kandidaten
die vom Gesetz geforderte Eignung oder Befähigung innehaben. Anders
als bei den gewöhnlichen unbestimmten Rechtsbegriffen auferlegen sich
die Rechtsmittelinstanzen in diesem Zusammenhang zu Recht eine
grosse Zurückhaltung. Sollten nämlich die Rechtsmittelinstanzen die
Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs überprüfen, so setzt dies
bei der betreffenden Instanz ein gleichermassen vorhandenes Experten-
wissen voraus!*!, Dies würde im Ergebnis auf eine Oberexpertise
hinauslaufen. Die Beschwerde gegen Prüfungsentscheidungen will je-
doch keine Oberexpertise ermöglichen. Das Beschwerderecht will ledig-
lich die rechtsgleiche Behandlung in der Prüfung sicherstellen!?? und die
Einhaltung wesentlicher Verfahrensvorschriften garantieren.
Die Verwaltungsbeschwerdeinstanz kontrolliert das Prüfungsver-
fahren insofern, als es allen Kandidaten die gleiche Chance bieten muss,
die Prüfung zu bestehen. So müssen beispielsweise allen Kandidaten die-
138 Vgl. SIGH 1984/17, Urteil vom 25.4.1985, LES 1986, S. 100; vgl. ferner STGH 1984/17/V,
Urteil vom 7.4.1986, LES 1986, S. 105. Siehe zur beliehenen Verwaltung: StGH 1978,
Urteil vom 11.12.1978, S. 11 f., Erw. I1.3., nicht veröffentlicht, mit weiteren Beispielen
beliehener Verwaltung.
'39 Vgl. StGH 1984/17, Urteil vom 25.4.1985, LES 1986, S. 100 (104).
‘40 Vgl. SEGH 1984/17/V, Urteil vom 7.4.1986, LES 1986, S. 105 (107).
4 Vgl. VBI 1990/39, Entscheidung vom 20.5.1992, LES 1993, S. 31 (33).
#7 Vgl. StGH 1984/17, Urteil vom 25.4.1985, LES 1986, S. 100 (104). Dies ist etwa dann
gegeben, wenn gewissen Kandidaten Lösungstips gegeben werden, währenddem andere
Kandidaten, die an derselben Problemstellung arbeiten, ohne solche Lösungshinweise
auskommen müssen, vgl. Urteil des schweizerischen Bundesgerichts vom 23.2.1993,
AJP 1994, S. 91 ff. mit Besprechung von Andreas Kley.
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