Geschichtliche und begriffliche Einführung
sche allgemeine Verwaltungsrecht bildete sich heraus. Diese Entwick-
lung wurde durch die Tatsache begünstigt, dass der Conseil d’Etat als
zentrale Instanz für ganz Frankreich zuständig war und ihm ausgewie-
sene Fachleute angehörten, die durch ihr Schrifttum die Ausbildung des
allgemeinen Verwaltungsrechts noch unterstützten. Das Verwaltungs-
recht unterschied sich darin wesentlich vom Zivilrecht, welches nur über
ein Kassationssystem zusammengehalten wurde.
Das in Frankreich weit entwickelte Verwaltungsrecht wurde durch
den elsässischen Rechtsanwalt Otto Mayer (1846-1924), später Profes-
sor in Strassburg und Leipzig, für Deutschland rezipiert. Es hat sich mit
den eigenständigen Wurzeln des Verwaltungsrechts (“Polizeywissen-
schaft” und Kameralistik) der konstitutionellen Monarchien’ und den
Forderungen der Rechtsstaatsbewegung® eigentümlich vermengt. Mayer
hat sich als eigentlicher Schöpfer des deutschen Allgemeinen Ver-
waltungsrechts stark an die französische Praxis und Wissenschaft ange-
lehnt. Davon zeugt die erste Auflage seines zweibändigen Werks “Deut-
sches Verwaltungsrecht” (Leipzig 1895/1896)°:
“Nichts wäre verfehlter als zu glauben, die Idee des Rechtsstaates sei
eine ganz besondere deutsche Eigentümlichkeit. Sie ist uns in allen
wesentlichen Grundzügen gemeinsam mit unseren Schwesterna-
tionen, welche die gleichen Entwicklungsstufen durchgemacht haben;
insbesondere mit der französischen, mit welcher das Schicksal uns
nun einmal trotz alledem geistig zusammengebunden hat.
Sollen wir das Wesen dieses Rechtsstaates hier noch einmal zu-
sammenfassen, so mögen wir immerhin von ihm sagen, dass er seine
Wirksamkeit gegenüber Untertanen bestimmt in der Weise des Rech-
tes, dass er eine Rechtsordnung und Rechte der Untertanen aner-
kennt und aufrecht erhält auch in der Verwaltung. Greifbare Merk-
male erhält er erst durch die besondere Art und Weise, wie er das be-
werkstelligt. Diese stellt sich dar in gewissen Grundregeln, die ihm
eigentümlich sind, Regeln von verschiedener Natur: zum einen Teil
’ Vgl. Adamovich/Funk, S. 80 f.; Wolff I, S. 56 ff.; Ernst Hellbling, Österreichische Ver-
fassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. Aufl., Wien/New York 1974, S. 331.
Allen voran sind hier Otto Bähr und Rudolf Gneist zu nennen, vgl. Kley, Rechtsschutz,
5. 49 f., 155 ff.
2. Aufl. 1914/1917; 3. Aufl. 1924.
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