Volltext: Grundriss des liechtensteinischen Verwaltungsrechts

Anforderungen des Gesetzmässigkeitsprinzips 
“Bei schweren Eingriffen in grundrechtlich geschützte Positionen 
verlangt das Bundesgericht in den wesentlichen Punkten eine klare 
unzweideutige Grundlage in einem formellen Gesetz; leichtere Ein- 
griffe können bei Vorliegen einer schlüssigen gesetzlichen Delegation 
auch in Erlassen unterhalb der Gesetzesstufe vorgenommen oder auf 
Generalklauseln abgestützt werden (...). In gewissen Fällen kann eine 
aufgrund der Komplexität und Vielgestaltigkeit der zu regelnden Ver- 
hältnisse unabdingbare Unbestimmtheit der gesetzlichen Grundlage 
durch verfahrensrechtliche Garantien kompensiert werden (...)”. 
Die vom Bundesgericht angesprochene Kompensation einer (nur knapp 
genügenden) Gesetzesgrundlage durch das Verfahrensrecht ist von zen- 
traler Bedeutung. Diese Bedeutung des Verfahrensrechts und der Ge- 
richtskontrolle von Grundrechtseingriffen wird in der ständigen Recht- 
sprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hervor- 
gehoben*!. 
Das Bestimmtheitsgebot verwirklicht das vom Gesetzmässigkeits- 
prinzip geschützte Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit?. 
Gemäss Art. 92 Abs. 2 LV sind selbst im Bereich des freien Ermessens 
“die durch die Gesetze gezogenen Grenzen streng zu beobachten”. Der 
Begriff des “freien Ermessens” ist allerdings verfänglich. Im Rechtsstaat 
kann es kein “ungebundenes” oder eben völlig freies Ermessen geben. 
Das Ermessen ist rechtlich immer gebunden; die ermesseneinräumende 
Norm muss zudem den Sinn erkennen lassen, wie vom Ermessen Ge- 
brauch zu machen ist*. In diesem Sinne hat der Staatsgerichtshof bei- 
spielsweise zu Recht Art. 30 des Gesetzes über die Rechtsanwälte* als 
zu unbestimmt angesehen. Nach dieser Norm hat “der Bewerber für die 
Ausübung der beabsichtigten Tätigkeit eine entsprechende Ausbildung 
und eine dreijährige berufliche praktische Betätigung auf diesem Ge- 
‘“ Vgl. z.B. Urteil Klass, EGMR/A 28, $ 55 = EuGRZ 1979, 5. 286; vgl. im einzelnen Kley, 
Rechtsschutz, S. 60 ff. 
2 Vgl. S. 204 ff. 
% Vgl. SIGH 1979/6, Entscheidung vom 11.12.1979, LES 1981, S. 114; SCGH 1986/9, Urteil 
vom 5.5.1987, LES 1987, S. 145 ff. (147). Dies war in der Entscheidung der VBI 1976/11 
vom 12.5.1976, ELG 1973-78, S. 130 (131) zweifellos nicht der Fall. Die fragliche Bewil- 
ligung wurde indessen “nach freiem Ermessen” erteilt. In dieser Situation müsste von 
einer Bewilligungspflicht mangels öffentlichen Interesses wohl eher abgesehen werden. 
Sowie über Rechtsagenten, Treuhänder, Wirtschaftsprüfer und Patentanwälte vom 
13.11.1968, LR 173.501. 
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