Auslegungsmethoden
etwa im Steuerrecht eine gewichtige Rolle, wenn eine vielleicht zwar ge-
rechtere Ermittlungsmethode zu einem unverhältnismässigen Mehr-
aufwand führen würde!!®.
e) Auslegung von Verfassungsrecht
Die einzelnen Auslegungsmethoden sind grundsätzlich auf die Interpre-
tation verfassungsrechtlicher Normen anwendbar!!!, Dabei tritt bei der
Auslegung der Verfassung das Prinzip praktischer Konkordanz hinzu.
Die Normen der Verfassung sind jeweils nicht isoliert zu verstehen.
“Vielmehr muss die Verfassung als ganzes ausgelegt werden, und die
verschiedenen Bestimmungen der Verfassung sind so zu deuten, dass sie
möglichst miteinander zu harmonisieren sind”!!?, Mit andern Worten
müssen die verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter “einander so
zugeordnet werden, dass jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt”! Bei
Kollisionen zwischen verfassungsrechtlichen Grundwerten darf nicht
eines der betroffenen Güter auf Kosten eines andern Gutes verwirklicht
werden. Vielmehr sollen alle Güter harmonisch zu jeweils optimaler
Wirkung gelangen können. Das Prinzip praktischer Konkordanz ver-
bietet zwar das vorrangige Abstellen auf ein Auslegungselement nicht.
Es untersagt aber die einseitige Argumentationsweise unbesehen davon,
welche Rechtsgüter betroffen sind. So verträgt sich die vom österreichi-
schen Verfassungsgerichtshof praktizierte “Versteinerungstheorie”!!4
kaum mit dem Prinzip praktischer Konkordanz.
Das Prinzip praktischer Konkordanz leitet freilich den Verfassungs-
interpreten nicht exakt an, sondern enthält zugegebenermassen ein sehr
vages Verhältnismässigkeitsgebot bei der Abwägung verfassungsrecht-
licher Güter. Der Begriff der praktischen Konkordanz hat dennoch in
der juristischen Literatur und zum Teil in Urteilen!!® einen eigentlichen
10 Vgl. SCGH 1988/9, Urteil vom 26.10.1988, LES 1989, S. 59 (61).
1" Vgl. Adamovich u.a., Staatsrecht, S. 37 f.
"2 StGH 1982/39, Urteil vom 1.12.1982, LES 1983, S. 117 (118).
13 Hesse Nr. 72; vgl. BVerfGE 34, S. 165 (182); 41, 5. 29 (50); 52, S. 223 (247, 251); 91, 5. 1
(21); vgl. auch z.B. Hangartner I, S. 36; Höfling, S. 102, 106 m.H.
14 Vgl. $. 68 f., 89.
15 Der Staatsgerichtshof hat den Gedanken ım oben angeführten (einzelnen) Urteil StGH
1982/39 vom 1.12.1982, LES 1983, S. 117 (118) m.E. hinlänglich ausgeführt und begrün-
det.
101