Kultur vermittelt und bewahrt zu haben. Nur dem Fleiss und
Eifer jener kunstsinnigen Mönche ist es zu verdanken, wenn
wenigstens ein Bruchteil des griechischen und römischen
Schrifttums über den verheerenden Sturm der Völkerwande-
rung hinweg bis heute erhalten blieb.
In den Bibliotheken schlägt sich das Wissen und Erkennen
aller Völker und Zeiten nieder. «. . . die Bibliotheken allein
sind das sichere und bleibende Gedächtnis des menschlichen
Geschlechts, dessen einzelne Mitglieder alle nur ein sehr be-
schränktes haben» (Schopenhauer). Für Wissenschaft und For-
schung. sind Bibliotheken demnach nicht nur interessante Bü-
cherspeicher, sondern lebensnotwendiges Arbeitsinstrument. —
Eine Höher- und Weiterentwicklung der Menschheit ist also
shne Bibliotheken kaum denkbar.
Muss Kulturförderung im Osten gelernt werden?
Eine moderne Bibliothek begnügt sich jedoch nicht mit der
Rolle einer Hüterin und Bewahrerin dieser «Schatzkammern
des Geistes» (Leibniz), beschränkt sich nicht auf den Dienst an
der Wissenschaft, sondern widmet sich ebenso sehr — in einer
bewussten Ausweitung ihres Wirkungskreises — der sittlichen,
geistigen wie beruflichen Weiterbildung eines breiteren Publi-
kums. Wenn das Buch nämlich heute noch den Eckpfeiler aller
Bildung darstellt, zählen die Bibliotheken zu den vorzüglichsten
Bildungsanstalten. Bibliotheken sind aber keine Schulen. Ihr
Bildungsprogramm ist nicht vorgeschrieben. Der Benützer der
Bibliothek kann sich frei entscheiden — im Gegensatz zur
Schule —, ob und worin er sich weiterbilden will.
Die Bibliothek wird aber alles daran setzen, ihre Leser zu
finden, wird ihre «Kunden». mit. einem reichhaltigen Angebot
anzuwerben versuchen. Denn.andere, schlechte Kräfte halten
die mögliche «Kundschaft» oft in Bann. Was Denkfaulheit und
Sensationslust für sich beschlagnahmt haben, soll zurücker-
obert werden. Die Bibliothek wird sich deshalb nicht scheuen,
für die gute Sache zu werben und sich den Spielregeln eines
Geschäfts — auf geistiger Ebene — zu unterziehen.