1923
Die 0. N. betonten immer wieder, dass zwischen den verschiedenen «politischen
Parteien» keine weltanschaulichen Unterschiede bestünden. Lediglich wollten
die einen «mehr den Fortschritt betonen», die anderen schlügen gegenüber dem
Modernen ein langsameres Tempo ein.”
Diese etwas verniedlichende Aussage der 0. N. drei Wochen vor den Wahlen hat-
te eher taktische Gründe: man wollte schwankende Wähler nicht abschrecken. Es
war nämlich nicht nur eine Tempofrage, die den Unterschied bewirkte. Die Volks-
partei stand sozialen, z. T. sozial-demokratischen Ideen näher. Sie wollte nicht nur
‚ascher verändern, sondern auch materiell mehr erreichen. Nach aussen etwa
zeigte sich die Sympathie mancher Volksparteianhänger zur Sozialdemokratie
darin, dass in Balzers junge Leute mit roten Bändchen oder mit roten Krawatten
zur Wahl gingen.“ Die Volkspartei wollte erreichen, dass die Mitwirkung des Vol-
kes bei den politischen Entscheidungsgremien im Staat entscheidend verstärkt
würde, was sich auch in ihrem Schlagwort «Liechtenstein den Liechtensteinern»
ausdrückte.
Die Wahlen waren auf den 11. März 1918, einen Montag, festgesetzt worden
Das Volksblatt stellte den Wählern kein allzu gutes Zeugnis bezüglich ihrer
staatsbürgerlichen Kenntnisse und Verhaltensweisen aus. Es klagte über Inter-
esselosigkeit und Unwissenheit der Wähler. «Was in Wahlsachen mitunter bei
uns noch für Unwissenheit herrscht, grenzt ans Aschgraue».“ Junge Wähler
wüssten oft nicht, ob die Landtagswahlen alle 5 oder alle 10 Jahre stattfänden
und auch bei Gemeindewahlen wäre diese Unwissenheit vorhanden, «wenn die
Wähler nicht durch die Maikäfer an ihre Pflicht erinnert würden.»“
Der Wahlkampf war gegenüber früher wesentlich heftiger. Das direkte Wahlrecht
bewirkte, dass für einzelne Personen und Gruppen geworben wurde. Es war nun
58 ON. 7/1978,
59 ON. 7/1918.
60 LVobl. 11/1918.
51 LVobl. 7/1978.
62
LVobl. 7/1918. Maikäferflug und Gemeinderats-
wahlen fanden alle drei Jahre im übereinstim-
menden Zyklus statt.
& ohnbe-
\ völkerung
Al DI Liechten-
n * , steins: 8410
‘ Rege gesetz-
geberische Tätigkeit in allen
Bereichen. Gründung des
«Landeswerks Lawena»
Trennung der «Spar- und Leih-
kasse», der heutigen Liechten-
steinischen Landesbank,
von der Landesverwaltung.
Aufhebung der Wiener Gesandt-
schaft in Erfüllung eines
Beschlusses von 1921 (1.3.).
Sie wird erst 1982/3 im Zuge der
erweiterten aussenpolitischen
Tätigkeiten Liechtensteins wieder
errichtet.
Verzicht der Prinzen Franz und
Alois auf die Anwartschaft auf
die Regierung des Fürstentums
Liechtenstein (15.3.).
Schaffung eines Kranken-,
Alters- und Invalidenfonds.
Zollanschlussvertrag mit der
Schweiz (20.3.).
In der Neujahrsnacht 1923/24
heisst Regierungschef Schädler
die Schweizer Grenzwache beim
Zollamt Schaanwald willkommen