Ins alte Schloss zu Liechtenstein
zog ich, ein müder Wandrer, ein
nach weiter Reise Plagen.
Da perlt im Glas der kühle Wein.
zum Erker sah die Sonn’ herein,
ich fühlt’ ein gross Behagen.
Gekommen ist die Abschiedsstund,
das geben diese Zeilen kund
und tun’s dem Leser klagen.
Ade nun, Frau Crescentia!
Aufs Jahr, dann bin ich wieder da,
dies will ich Euch nur sagen,
Bei der erwähnten “Frau Crescentia” handelt es sich
um die legendäre Schlosswirtin Crescentia Lampert.
Wie beliebt sie bei ihren Gästen gewesen sein muss,
beweist der Eintrag Rückseite auf dem Leichenstein der
Cresenzia Lampert, Schlosswirtin selig, welcher nach
ihrem Tod im Jahr 1874 verfasst wurde:
Du unvergleichliche Lampert Senze,
wir winden dir stets frische Kränze.
Send uns doch für des Berges Stüble
recht viel und süsse Bockertrüble*,
Gern wollen wir solch’ selbsten drucken
und als Kretzer* und roten Bocker* schlucken
Franko senden wir in dein himmlisch Sein
so viel du brauchst vom Ablasswein!
Du gute Haut, du bist ja jetzt verklärt,
auch hier warst du von jung und alt geehrt.
Du hast hier alle liebevoll traktiert,
drum bist du dort gewiss auch gut plaziert.
Richt oben uns auch so ein Stüble ein,
traktier uns mit rotem Bocker-Wein*.
Denn, glaube nur, in sechzig Jahren
sind wir auch bei den Engelsscharen.
Zum Schliessungstag der Schlosswirtschaft am 12. Mai
1896 finden sich unter anderen die folgenden zwei
wehmütigen Abschiedsverse:
... Drum Schloss Vaduz der letzte Wein
Der hier im Becher kreiset
Soll Dir zur Ehr getrunken sein
nach alter Väter Weise
Den Becher hoch! Stosst an! Ade!
Wie wird es mir ums Herz so weh!
O jerum! jerum! jerum!
Qualis mutatio rerum
(Ein Alter von der Tafelrunde)
Den letzten Gruss an Schloss Vaduz!
Zum ersten male weil’ ich hier
zum letzten male auch
drum gebt noch einen Liter mir
wenn mir auch platzt der Bauch
Und somit endete in jenem Frühling 1896 nicht nur
ein Kapitel Alt-Vaduzer Geschichte, sondern auch ein
besonderes Lebensgefühl, ein Stück “Vaduzneritä”
verschwand für immer.
‚. Junge wie Greis’ wirft aus dem Gleis!
Was wäre ein solcher Artikel über den Vaduzer Wein
ohne eine abschliessende Warnung vor den Folgen
seines Missbrauchs anhand der Beispiele vereinzelter
armer Seelen, die dem Göttersaft der Residenzler
Reben bewusst oder bewusstlos anheim gefallen sind?
Was, ohne eine Erwähnung der Schicksale, die sich so
oft in der Geschichte unseres Dorfes aus einem gut-
gläubigen “Du i gang no schnell zom soundso” heraus
ergaben und immer wieder ergeben werden? Was,
ohne eine kleine Sammlung dessen, was der Volks-
mund aus all diesen Geschichten an Weisheit gezogen
hat? Eine aufs Glatteis führende Angelegenheit!
Beginnen wir daher gleich mit dem frühesten uns
überlieferten Fall, in welchem die möglichen Auswir-
kungen übermässigen “Vaduzer”-Genusses sehr schön
dokumentiert sind. Es geschah während der Schwa-
benkriege im Jahr 1499. Die kriegerischen Eidgenos-
sen waren nach Vaduz vorgedrungen: “Bei der Erstür-
mung des Schlosses Vaduz fanden dreizehn Eroberer
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