Herbstfröste liessen die Rebenblätter früher als sonst
abfallen, so dass der Reifeprozess nicht mehr weiter-
gehen konnte. Bei der Lese in den letzten Wochen
musste aussergewöhnlich viel unreifes Traubengut
ausgeschieden werden.
Mit wenigen Ausnahmen, die den Gesamteindruck
der Weinernte 1972 kaum beeinflussen, wurden
durchschnittlich kaum mehr als 75 bis 80 Öchsle-
grade gemessen. (1971 erreichten gewisse Lagen bis
zu 100 Ochsle!) Konnte man sich im vergangenen
Jahr durch die aussergewöhnlich hohe Qualität über
die eher magere Quantität leicht hinwegtrösten, so
erreichten dieses Jahr auch die eingebrachten Men-
gen keineswegs die Zahlen des Jahres 1970. Teilweise
blieben sie sogar hinter den Ergebnissen des vergan-
genen Weinjahres zurück.
Mit diesen Worten könnte man die Beurteilung
der Gesamtsituation durch die Hofkellerei, den Präsi-
denten der Vaduzer Winzergenossenschaft, Jonas
Ospelt, und durch den Weinbauer Karl Verling
(“Schaltjahr = Kaltjahr”) zusammenfassen. Eine Aus-
nahme, die insgesamt aber nicht ins Gewicht fällt,
machte der von Felix Real bearbeitete Weinberg beim
Roten Haus. Die quantitativ unterdurchschnittliche
Ernte dieses verhältnismässig kleinen Rebberges er-
gab immerhin überdurchschnittliche Ergebnisse für
das Jahr 1972; im Roten Haus wurden teilweise weit
über 80 Öchslegrade gemessen.
Das letztjährige Ernteergebnis wurde von der Hof-
kellerei mit 19’700 kg wenig überschritten (1971=
15’700 kg). Die Genossenschaft blieb mit 7’100 kg
Traubengut mengenmässig knapp unter dem Ergeb-
nis von 1971. Der Weinbauer Karl Verling lag quanti-
tativ über dem Ergebnis von 1971, als ein Teil seiner
Ernte durch Frost dezimiert wurde.
Wenn eine Ernte ohnehin nicht gerade üppig ist,
Fällt der Vogelfrass naturgemäss auch mehr ins Ge-
wicht als in anderen Jahren. Die Vögel, die laut Jonas
Ospelt “schliesslich auch nicht gerade die schlechte-
sten Trauben holen”, liessen sich durch die verschie-
denen Abwehrmassnahmen (Schussgeräte, Netze
usw.) im Sommer und Herbst 1972 offenbar auch
aicht mehr sonderlich beeindrucken.
Ein Trost für die Vaduzer Weinbauern: Die Ergeb-
Hymne an Liechtenstein
zur Sauserzeit
Jmkränzt von starker Felsenwehr,
/on wetterharter Wand beschirmt,
Die trutzig ihren Ring umher
Zum blauen Himmel türmt;
3esäumt vom freien jungen Rhein,
Liegst du, ein blanker Edelstein,
m Sonnenschein mein Liechtenstein.
Jer grüne Tann, jahrtausend alt,
rebi nach dem lichten Firm empor,
der Buchenhain, der Erlenwald
jenkt sich zum falben Moor;
Ind an dem glückbestrahlten Rain
Nächst wundersamer Edelwein
m Sonnenschein von Liechtenstein,
h trank Vaduzer Rebensaft
ind Eschenberger Feuergold;
ka hat es mich hinweggesafft
’iel schneller als ich wollt,
ein linkes und meın rechtes Bein,
Sin jedes schritt für sich alleın
m nannenschein durch Liechtenstein,
- weh! So trat ich einerseits
ns alte Österreicherland,
ndes sich in der freien Schweiz
tein zweiter Fuß befand.
° Ländchen mit dem Götterwein,
ir diesen Rausch warst du zu klein,
= Sonnenschein. mein Liechtenstein,
+antin Cihendarf
Sauser-Karte von Eugen Verling (Verlag Hubert Gassner)
nisse in ähnlichen Gebieten der benachbarten
Schweiz sind durchschnittlich noch schlechter. Der
1972er wird also allgemein als mittlerer Wein in die
Geschichte eingehen.*?
1973
8. November 1973
Ernte 1973
Die Weinernte 73 verspricht im Gegensatz zum letz-
ten Jahr ein erfreuliches Ergebnis. Wie unsere Ermitt-
lungen ergeben, ist die diesjährige Ernte sowohl in
qualitativer als auch quantitativer Hinsicht als sehr
194 ] Volksblatt, 16. Dezember 1970, Nr. 189.
i95 LVolksblatt, 16. Oktober 1971, Nr. 154.
96 GAV, Signatur Nr. 725,
97 LVolksblatt. 4. November 1972, Nr. 165.
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„4