Karster legt nun mit Bedacht und Wucht Scholle um
Scholle um, bis die Weinberge wie frisch geackert aus-
sehen und die Rebstöcke wie Grenadiere in Reih und
Glied stehen. So um Josefi herum, je nach Gunst oder
Ungunst der Witterung, ist auch diese letzte Arbeit
des Karstens getan, der Weinberg ist “aufgerichtet”.
[Jnd nun Gott befohlen, ihr Lieblinge!
Draussen in Feld und Flur, ja schon oben im Walde
»lüht und grünt es. Der Weinberg aber ist noch tot.
Geht es jedoch ein Stück in den Mai hinein, so
schwillt und knospet es auch hier, und bald prangen
die Reben in schmuckem grünem Kleide. So um die
Mitte Juni strömt ein gar lieblicher Duft von den
Weinfeldern durch die Weindörfer, die Trauben
blühen; ein Wohlgeruch, der seinesgleichen sucht.
Mittlerweile hat in den Reben eine dem Schneiden
ebenbürtig wichtige Arbeit begonnen; das Erbrechen
oder Verbrechen. Auch diese Arbeit erfordert Ken-
ner, wirklich geschulte Kräfte. Da heisst es nicht,
olindlings drauflos brechen, sondern nach wohl über-
iegtem, Jahrhunderte hindurch erprobtem Plane
wird der Rebe gerade das notwendige Blattwerk belas-
zen, nicht zu wenig, nicht zu viel, nicht zu weit unten,
nicht zu hoch oben, nicht zu locker, nicht zu dicht;
zwei entsprechende Hauptschosse bleiben ganz und
werden angebunden, die andern werden entfernt
öder 2-3 Blätter über der letzten Traube verzwickt.
Eine Bodenarbeit, das erste Falgen, wodurch der
Boden gelockert und vom Unkraut gereinigt wurde,
natte schon vorher stattgefunden. Es wurde Juli. Die
Triebe wuchsen weiter und warten neuer Pflege. Ein
wüstes Durcheinander scheint der Weinberg gewor-
den zu sein. Doch die ordnende Hand der Helferin
greift ein und bindet auf, was den Weg versperrt, ent-
fernt oder kürzt die Triebe aus den Blattwinkeln, die
Geizen. Nochmals wird gefalgt und nochmals aufge-
aeftet. Um Jakobi herum wird endlich geköpft und
ıachher noch einmal das neue, unnötige Laubwerk
entfernt. Dann ist die Weinbergarbeit fertig und die
Trauben können der Ernte entgegenlachen. Ja fertig!
Wenn die Rebenschädlinge nicht wären! Diese sind
nebst andern Umständen und dem Wettlauf anderer
Getränke besonders schuld am Rückgang unseres
einst viel ausgedehnteren Weinbaues. Greifen wir aus
ler grossen Zahl nur 4 Spitzbuben heraus, von denen
ıns der eine gottlob noch verschont hat: Wurde da
vor bald 100 Jahren aus Amerika ein winzigkleiner
Pilz eingeschleppt, der echte Mehltau oder das
Didium. In kurzen Jahren hatte er ganze Weingegen-
den verwüstet, bis sein Bekämpfungsmittel, der
Schwefel, gefunden wurde. Wenige Jahrzehnte später
bedrohte ein anderer, auch aus Amerika stammender
Pilzschädling, der falsche Mehltau oder die Perono-
;pora, den Bestand der Reben, Aber auch ihm wer-
den wir Meister durch Bespritzen der Reben mit
Xupferkalkbrühe. — Von tierischen Schädlingen seien
zrwähnt der Traubenwickler und die Reblaus. In zwei
Generationen schadet das Räupchen des kleinen
5chmetterlings, genannt Traubenwickler; als Heu-
wurm in den Blüten, als Sauerwurm in den unreifen
3eeren. Der fürchterlichste Feind, die Reblaus, ist
ıierzulande, dem Himmel sei’s gedankt, noch nicht
ıufgetreten. Sie vernichtet die Reben durch Saugen
am Wurzel- und Blattwerk. In Gegenden, wo diese
aus grassiert, behilft man sich in neuerer Zeit damit,
lass man Augen unserer edlen Rebsorten auf mildes,
ımerikanisches Rebholz aufpfropft. An die Wurzeln
dieser sogenannten wilden Unterlagen gehen die
Rebläuse gar nicht oder in geringem Masse, als ob
zich diese zwei Kinder Amerikas schon aus ihrer
Jrheimat unliebsam kennten. In weniger gefährde-
en Gegenden setzt man neue Weinberge noch mit
Stecklingen an oder verjüngt ältere Bestände durch
Vorzweien im Herbste oder Frühjahr.
Nun hat der unermüdliche Winzer gerackert und
gekämpft fast das ganze Jahr hindurch. Haben ihm
die Frühjahrsfröste nicht zum vorhinein schon jede
Hoffnung zerstört, die Schädlinge den Sommer hin-
durch seinen Pfleglingen nicht zu stark zugesetzt.
Unwetter und Hagel die ersehnte Ernte nicht gemin-
dert oder gar vernichtet, die Wespen, Amseln und
Stare nicht gar zu viel von der verbotenen Frucht ge-
kostet, der Fäulnispilz im nassen Herbste nicht noch
zu guter Letzt ein Gutteil erledigt, dann, ja dann mag
ınd kann er sich der wohlverdienten Ernte freuen.
Diese Freude ist ihm wohl zu gönnen, und voll Hoch-
68 I Volksblatt, 8. Oktober 1938, Nr. 115.
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