„echt reichlichen Ernte rechnen können, die ihm
nach einigen nicht besonders fetten Jahren reichlich
hätte gegönnt sein mögen.?%
Weinbau in Liechtenstein
12. November 1938
Ein strahlender Oktobermorgen blaut vom Himmel.
Hoch! Was läutet denn die grosse Glocke so zur
Unzeit? Heute wird gewimmelt! Jetzt geht es in die
Weinberge zu lustiger Herbsternte nach harter Som-
merarbeit. Seit etwa 4 Wochen schon waren die Wein-
berge geschlossen; niemand, nicht einmal der Winzer
selber, durfte ohne Erlaubnis der Gemeindebehör-
den mehr die Weinberge betreten. Für heute aber hat
die Kommission das Wimmeln freigegeben. Heute
winkt die Ernte, winkt die Freiheit, die Freude.
Lebendig wird es auf Gässchen und Gassen: Mit
Zübeln und Kufen, Bütten und Bottichen wandert
das lustige Winzervolk erwartungsvoll in die Rebhal-
Jen hinauf. Da lachen sie ihnen entgegen, die schon
‚on den Römern hierlands eingeführten goldgelben,
braungetönten Elblingstrauben, die dunkelblauen,
mit seinem Hauche überzogenen Trauben des
5lauen Burgunders, den uns vor etwa 300 Jahren der
französische Herzog Rohan aus Burgund mitge-
bracht. Nun klappern die Scheren und knappen die
Mäulchen. Bald ist ein Kübel gefüllt und wandert in
die Bütte des Traubenträgers. Der bringt die köstliche
Last in den Torkel, allwo den herrlichen Früchten
eine grausame Folter bevorsteht: Sie werden in der
Traubenmühle zermalmt, um als ein unansehnlicher
3rei, als Traubenmaische, zum Vorschein zu kom-
nen. Nun schnell auf die Waage, damit der Winzer
weiss, was er abgeliefert; schnell aber auch die Öchs-
lewaage herbei, die zeigt, wieviel Grade der Most
zieht: 90 bis 100 Grad der blaue Burgunder in guten,
80-88 Grad in mittleren Jahren; 70-76 Grad der
Elbling. Schon am ersten Tage wird der kleinere
Winzer fertig mit seiner Ernte, die grösseren brau-
chen 2, 3 und mehr Tage. Dann geht’s abends heim
anter Plaudern und Singsang, mit Körben voll süsser
Last für die kommenden Tage und Wochen. Im Tor-
kel aber regt sich ein ganz eigenartiges Leben in den
zrossen Bottichen voll Traubengut. So nach 2-3
Tagen kribbelt und krabbelt und siedet und wellt es
auf: Winzig kleine Kerlchen von Gärpilzen sind an
der Arbeit und spalten den Traubenzucker in entwei-
chende Kohlensäure und Alkohol, der Wein “saust”.
In wenigen Tagen, längstens in 2-3 Wochen, ist der
Most vergoren, um dann als köstlicher Wein des Men-
schen Herz zu erfreuen und arme Kranke zu laben.
Die Traube aber, dieses Kind des Südens, diese K6ö-
aigin der Früchte, lässt sich nicht ohne weiteres ab-
schneiden und gewinnen. Da erfordert es mühsame
Arbeit und saure Schweisstropfen, bis edler Rebensaft
der Beere entquillt. Schon im zeitigen Frühjahr, wenn
die erwachende Sonne der letzten Februartage die
winterliche Schneedecke zum Schmelzen bringt,
“errscht Leben im Weinberg. Schwer mit der nähren-
den Erde beladen keucht der Winzer die Weinhalden
hinauf. Was die Arbeit und der Reben den vergange-
1en Sommer an Erdreich heruntergeschafft, Muss
xieder oben an den Rain hinauf. Dann erscheinen
Schnitter und Schnitterinnen und zwicken und
schneiden und säbeln scheinbar wahllos unbarmher-
zig an den armen Reben herum. Und doch ist diese
Arbeit eine der schwierigsten, eine heikle Kunst.
Ungeschnitten bräche die Rebe unter der Last der
ınreifen Trauben zusammen. Zwei Zapfen mit je 3—4
Augen und ein “Knechtlein” mit zwei Augen belässt
Jer Künstler Winzer dem blauen Burgunder, eine
Trozrute von 10-12 Augen und eine Reserve mit
2 Augen dem Elbling. Das Abfallholz wird gesammelt,
ım im Winter die Stube zu wärmen. Jetzt kommt der
“Stosser”, früher mit dem Stosseisen, jetzt mit der Axt
bewaffnet. Stickel um Stickel wird geprüft, wenn
aötig entfernt und durch einen neuen ersetzt oder
frisch gespitzt und wieder in die Erde getrieben. Im
sogenannten Drahtbau, der in den letzten Jahren stel-
lenweise auch bei uns angewendet wird, entfällt diese
Arbeit. Das Binden besorgen meistens die Frauen.
Mit flinken Händen befestigen sie mittels Weidenru-
‚en die Reben an die Pfähle. Auch diese Arbeit erfor-
dert Geschick, und gar nicht so leicht ist es, den
“Trodel” zu machen. Die Rebe braucht aber auch
Nahrung. Darum wird nun Dünger, Kunstdünger,
oder die alte Bauernlist, der Mist ausgestreut. Der
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