Die Rüfeschuttkegel unseres Alpenrheintals liefern
lockere, warme, gut durchlüftete und mineralreiche
Böden, die für den Rebbau bestens geeignet sind.
Vom “Magnesiagehalt” des Geschiebematerials der
Rüfen soll der “prickelnde Dolomitgeschmack des
Vaduzers” stammen.!! Bei dieser Feststellung sei es
hier belassen. Über die Bedeutung der Geologie für
den Vaduzer Weinbau wird in diesem Buch an ande-
rer Stelle von fachkundiger Seite berichtet.!?
Weinbau zur Zeit der Räter und Römer?
“namlich im Rhintal zuo Feldkirch, Vadutz, Sargan-
serland, Meyenfeld, Chur, Thumleschg, Veltlin,
Claeven: Dero landen wyngewaechs Augustus der
Kayser hochgeachtet”.!* Die Herkunft des rätischen
Weines an der Tafel des Kaisers Augustus kann nicht
zwingend, wie es Tschudi tut, in unsere Gegend ver-
legt werden. Das Veltlin oder Südtirol kommen dafür
eher in Frage. Immerhin ist es doch von Bedeutung,
dass Tschudi im frühen 16. Jahrhundert Vaduz zu den
bekannten Weinbauorten Rätiens zählt. Auch noch
Jahrhunderte später wird in der Literatur unter dem
Sammelnamen “rätischer Wein” der Vaduzer mitge-
nannt.!
Herkunft unserer Rebkultur ungeklärt
Eine ununterbrochene Folge von der jungsteinzeit-
lichen Rebkultur bis in historische Zeiten ist in unse-
rer Region nicht erwiesen. Die Frage der Herkunft
unserer Rebkultur ist ungeklärt. Wir besitzen keine
Zeugen für Weinkultur in vorgeschichtlicher Zeit.
Kulturversuche in der Jungsteinzeit werden zwar für
möglich gehalten. Es ist auch nicht auszuschliessen,
dass der Rebbau bereits in vorrömischer Zeit über die
Bündner Pässe entlang alter, zur Bronzezeit begange-
ner Verkehrswege in unser Gebiet vorgedrungen sein
könnte. Eine andere denkbare Wanderroute der Reb-
kultur führt von Marseille aus über das Rhönetal nach
Genf und über Windisch an den Hochrhein und zum
Bodensee. 3
Rätischer Wein an der Tafel des Kaisers Augustus
In der Literatur wird vielfach angenommen, dass die
Kulturrebe im Bodenseeraum schon vor den Römern
Eingang gefunden hat. In Berichten römischer
Schriftsteller um Christi Geburt ist die Rede von räti-
schem Wein, der von Kaiser Augustus besonders ge-
schätzt worden sei. Wein wird auch als Handelsobjekt
zwischen Rätien und Rom erwähnt. Wenn Peter
Kaiser rätischen Weinbau annimmt, stützt er sich auf
den Chronisten Ägidius Tschudi, der in seinem Werk
“Die uralt warhafftig Alpisch Rhetia” (Basel, 1538)
von Weingewächs in den Tälern Rätiens erzählt,
Rebbau durch Römer eingeführt?
Viele Ausdrücke der Winzersprache sind lateinischen
Ursprungs. Wimmeln geht auf lateinisch vindemiare
zurück, Most auf mustum, Lägel, Lägala auf lagoena/
lagona, Fass auf vas, Wein auf vinum, Torkel auf tor-
quere, torculum, Eimer auf amphora, Kelter auf cal-
catorium, Winzer auf vinetor. Noch wiele solcher
Begriffe für Produkte, Arbeiten und Werkzeuge spre-
chen für eine Einführung des Weinbaus in unserer
Gegend durch die Römer, und Wortschöpfungen
deuten darauf hin, dass der Weinbau vermutlich zur
Zeit der römischen Herrschaft zu uns gebracht
wurde. Eindeutige Beweise liefern sie jedoch nicht. In
der frühen Klosterkultur im Bodenseeraum war näm-
lich der Gebrauch lateinischer Lehnwörter weit ver-
breitet. Die Mönche benutzten Latein, um eine Sache
0 Zu den klimatischen Besonderheiten in Vaduz vgl. Vaduz als
Wärme- und Trockeninsel. In: LVolksblatt, 11. Mai 1995; Ospelt,
Wirtschaftsgeschichte, S. 15£.
1 Nipp (1943).
? Vgl. den Beitrag von Max Kobel in diesem Buch.
* In der zusammenfassenden allgemeinen Darstellung in diesem
Abschnitt folge ich Schlegel, Spahr und Zeller.
Peter Kaiser, Hrsg. Brunhart, Bd. 2, S. 18, Anm. 19.
So Sam(uel}) Plattners Beitrag Rhätischer Land- und bairischer
Seewein. In: Sonntagsblatt des “Bund”, Nr. 19 (1888), 5. 146 —148:
‘Unter den Sammelnamen ‘Rhätischer Wein’ subsummiren wir
sine ganze Reihenfolge berühmter Vettern, als: Veltliner,
Kostamser, Spiegelberger, Churer, Kompleter, Vaduzer, Bocks-
berger etc.”