Die Far-
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"rhen Wandel
Die Familie im gesellschaftlichen Wandel
Soziales Handeln im Gemeinwesen
Die Familie, sei es als soziale Gruppe, als Ver-
wandtschaftsverband oder als eine der ur-
sprünglich zahlreichen Haus- und Haushaltsge-
meinschaften, befindet sich im Fürstentum
Liechtenstein wie in allen andern vergleichba-
ren Ländern in einem radikalen Wandlungspro-
zess, der seinesgleichen in der Geschichte sucht.
Vielfalt geschichtlicher Familienformen
Die Annahme einer generellen Entwick-
lungslinie von der Grossfamilie zur Kleinfa-
milie ist, wie einschlägige Untersuchungen
(Mitterauer) zeigen, historisch gesehen nicht
haltbar, die vorindustrielle Grossfamilie hat
sich in weiten Teilen als ein eigentlicher My-
thos erwiesen. Andererseits ist, wie die moder-
ne Familienforschung belegt (R. Nave-Herz),
die These von der heute „gestiegenen Plura-
lität von Familienformen“ (aufgrund veränder-
ter Rollenzusammensetzungen und Familien-
bildungsprozessen) fraglich. Familienzusam-
mensetzung konnten und können äusserst
vielfältig sein, handle es sich um Eltern-
Kinder-Familien oder um mit Verwandten zu-
sammengesetzte Familienformen. Die Vielfäl-
tigkeit zeigt sich allein schon bei den auf El-
tern und Kinder begrenzten Familienformen.
Diese Vielfalt historischer Familienformen mit
Kindern ist durch unterschiedliche Faktoren
bestimmt. So führte etwa, um ein bekanntes
Beispiel zu nennen, die häufige Wiederverhei-
ratung von Witwen und Witwern zu ansehnli-
chen Geschwisterreihen von Stiefgeschwistern.
Das in ganz West- und Mitteleuropa hohe
Heiratsalter der Frauen begünstigte einerseits
voreheliche Schwangerschaften - uneheliche
Geburten spielten insgesamt eine recht grosse
Rolle - und führten andererseits zur Ausfor-
mung strenger Sexualnormen. Es kam vielfach
auch zu einem langen Zusammenleben lediger
Töchter und Söhne mit ihren Eltern. Inner-
halb der Familienformen der Vergangenheit
wiederum existierte eine Vielfalt von weibli-
chen und männlichen Rollen, ebenso Auto-
ritäts- und Rangordnungen. Familienbezie-
lungen unterliegen ausserdem, wie könnte es
anders sein, immer auch starken emotionalen
Beziehungen: Liebe und Zuneigung, Spannun-
gen und Konflikte.
Familie und Arbeitskraft
In der Geschichte der Familie kommt dem
Familienmitglied als einer Arbeitskraft eine
bedeutende Rolle zu. In traditionellen Famili-
>nwirtschaften fiel der Ausfall einer erwachse-
aen Arbeitskraft schwer ins Gewicht, es be-
stand der Druck einer raschen Wiederverheira-
ung sowohl für Witwer wie auch für Witwen.
Der Vorrang der Arbeitskraftergänzung vor
den Erziehungs- und Fortpflanzungsaufgaben
ührte vielfach zu teilweise grossen Altersun-
‚erschieden der Ehepartner. Diese Alterskon-
stellationen unterschieden sich wesentlich von
heutigen Familienstrukturen, zumal diese et-
wa die Wiederverehelichung von Witwen
nicht begünstigen.
In Familienbetrieben wurden die erwachse-
ıen Kinder als Arbeitskräfte gebraucht, in Un-
‚erschichtfamilien dagegen, wo Kinder das Fa-
nilienbudget im Gegenteil einengten, verlies-
sen Kinder das Elternhaus oft schon im Alter
on zehn oder zwölf Jahren. Bedingungen der
Arbeitsorganisation konnten demnach als dif-
ferenzierende Faktoren in der Gestaltung fami-
ialen Zusammenlebens stark in Erscheinung
-reten (Mitterauer), Sie hatten - wie insbeson-
lere Untersuchungen für städtische Verhält-