Zurückhaltung übt in diesem Zusammenhang, wie gesagt, nicht nur der Fürst. Mit Visionen für die Weiterentwicklung der Bodenordnung an die Öffentlichkeit zu treten, fällt anscheinend jenen Gruppierungen und Mandatsträgern noch viel schwerer, die sich für ihre Funktion periodisch durch Wahlen legitimieren lassen müssen. Sie sind in viel höherem Masse als der Fürst vom Willen der Stimmbürger abhängig und müssen folglich deren Wünsche auch bei ihren Äusserungen stärker ein kalkulieren, sofern sie nochmals in ihrem Amt bestätigt werden möch ten. Dabei haben sie mit höchst komplexen Konsequenzen der - aus der Kleinheit des Landes resultierenden - Uberschaubarkeit und der liech tensteinischen "Realverfassung" für den bodenpolitischen Diskurs zu rechnen. Die einfachere Uberblickbarkeit der Gesellschaft hebt dort und da das Einsehen in Sachnotwendigkeiten respektive in Zusammenhänge. Denn sie begünstigt die Teilnahme des einzelnen an den Geschäften des Ganzen.43 "Es sind (nämlich) gerade die Kleinstaaten, die wegen ihrer leichten Uberschaubarkeit alles, was um den Menschen herum ge schieht, ins Blickfeld jedes einzelnen bringen und dadurch jedem einzel nen ein Verständnis für das übermitteln, was ihn betrifft."44 Von dieser Warte wäre folglich damit zu rechnen, dass sich die zahlenmässig klei nere Bevölkerung besser in die Schwierigkeiten der Bodenfrage einzu fühlen vermag und dass sie sich ein differenzierteres Problembewusst- sein aneignet. Prima vista wäre deshalb schliesslich anzunehmen, dass die prononcierte Uberschaubarkeit im Kleinstaat dort den Weg für prag matische Lösungsansätze in der Bodenordnung eher ebnete sowie Infor- mations- und Transaktionskosten senkte. In diesem Kontext ist endlich zu vermuten, dass die verbesserte Transparenz die allgemeine Aufmerk samkeit rascher auf unerwünschte Entwicklungen in der Bodenordnung lenkt und auftauchende Probleme schneller erfassen lässt, was die Chance bietet, die Reaktionszeit gegenüber grösseren staatlichen Ein heiten zu verkürzen. Die unmittelbarere und weitere Kreise der Bevöl kerung erfassende Problemeinsicht Hesse somit eigentlich Voraussetzun gen für eine besonders offene Diskussion erwarten. In der Tat verkehren sich die Verhältnisse jedoch aus vielschichtigen Gründen ins Gegenteil. Ein tieferes und umfassenderes Problemver 43 vgl. Kägi: Der Kleinstaat, 1984, S. 22. 44 Kohr: Modell Kleinstaat, 1984, S. 13. 126