Volltext: Der Bodenmarkt in Liechtenstein

Aus dem Komplex der eher "weichen", deswegen aber nicht minder das Bodenmarktgeschehen präformierenden sozialen Gegebenheiten ragt neben den Erbsitten noch eine in Liechtenstein speziell ausgeprägte "Eigentümermentalität" heraus. Mit diesem Schlagwort sei eine in Be­ zug auf Grund und Boden anscheinend weit verbreitete Werthaltung charakterisiert, die dem individuellen Liegenschaftseigentum einen be­ sonders hohen Stellenwert einräumt und die von besonders starken emotionalen Bindungen ans eigene Haus und an die eigene Fläche zeugt.21 Dass laut eigenem Bekunden der Liechtensteiner bei den mei­ sten ein eigenes Haus und ein eigenes Fleckchen Land sehr weit oben in der Prioritätenskala rangieren, mag einenteils damit zu tun haben, dass manche erst aus der Tatsache, "Herr im eigenen Haus zu sein", ein ge­ wisses "Vollwertigkeitsgefühl" ableiten dürften. Die Befriedigung eines im Grunde wohl bei jedem vorhandenen - allerdings je nach Persönlich­ keit aber recht unterschiedlich zum Ausdruck kommenden - Geltungs­ bedürfnisses dürfte als alleinige Erklärung jedoch nicht ausreichen. Die herausragende Wertzumessung, die das Grundeigentum allem Anschein nach in Liechtenstein geniesst, dürfte nämlich andernteils mit dem Umstand zusammenhängen, dass aufgrund der später noch detail­ lierter zu erörternden Rechtslage der Liegenschaftserwerb gar nicht je­ dermann - und vor allem nicht jedem Auswärtigen - möglich ist. Solche Exklusivität lässt Grundeigentum zum Demonstrationsobjekt werden, welches es erlaubt, die Zugehörigkeit zur etablierten Gesellschaft zu do­ kumentieren. Das heisst, Grundeigentümerschaft vermittelt und ver­ stärkt dem einen oder anderen unter Umständen erst die Empfindung, "richtig dazu zu gehören". Für die soziologische Sonderstellung des Grundeigentums könnten schliesslich ferner noch historische Wurzeln mitentscheidend sein. Liechtenstein war ja bis vor wenigen Jahrzehnten eine relativ arme 21 Die Ergebnisse einer unter Liechtensteins Jugend durchgeführten Meinungsumfrage über die Integration der Ausländer im Fürstentum erbrachte deutliche Hinweise auf die überaus starke Betonung von Bodeneigentum in der Gesellschaft, vgl. Forum Liechtenstein (Hrsg.): Integration der Ausländer in Liechtenstein, 1994, S 17ff. sowie die Berichterstattung darüber in den Landeszeitungen, speziell von Fritz: Meinungsumfrage, 1994, S. 1 und 7. sowie Anonym: Unsere Jugend begegnet, 1994, S. 3. So sagen die Jugendlichen, dass sie zur Zeit keine Zukunftsperspektiven haben. "Vor al­ lem glauben sie, dass für sie kaum noch eine Chance besteht, eigenen Besitz, in Form eines eigenen Hauses oder einer eigenen Wohnung, zu erwerben." . .. "Latent haben sie Angst, dass die Ausländer ihnen Stück für Stück ihren Wohlstand, ihre Heimat, ihren Boden wegnehmen." 112
	        

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