Volltext: Berichtsjahr 2000 (2000)

Gewerbe im 19. Jahrhundert 
len. Die Untertanen verstanden es aber, den Mühl 
zwang zu umgehen, indem sie ihr Getreide auswärti- 
gen Mühlen gegen Mehl verkauften. Der Mühlzwang 
als landesherrliches Recht war bereits innerlich aus: 
gehöhlt. 1835 klagte das Oberamt, dass der Herr- 
schaftsmüller wegen des Mühlzwanges, der ihm genü- 
gend Arbeit verschaffte, Nichtpflichtige schlecht be 
diente. Es schlug der Hofkanzlei in Wien vor, die Er- 
richtung weiterer Mahlwerke im Lande gegen jährliche 
Zinsentrichtung in die Rentkasse zu gestatten, um der, 
Konkurrenzmangel zu beseitigen und den Mühlenbe- 
trieb zu beleben. Nach einigem Zögern war dann der 
Landesherr bereit, mit den privaten Mühlbesitzern 
über die Mühlzwangablösung zu verhandeln. Im Jah- 
re 1837 wurde die Mühlzwangsablösung vom Fürsten 
gegen einen jährlichen Zins von 30 fl gestattet, und im 
Herbst 1839 auch die Verteilung dieser Summe auf die 
Mühlbesitzer genehmigt. Der Mühlzwang war damit 
aufgehoben. Jedermann konnte von nun an mahlen 
lassen, wo es ihm beliebte. Der Errichtung neuer Mahl- 
werke stand ausser der Beteiligung an der Mühl- 
zwangablösung nichts mehr im Wege. 1848 befreite 
der Fürst schliesslich die liechtensteinischen Müller 
vom Mühlzwangablösungsgeld, womit auch das letz- 
te Zeichen der obrigkeitlichen Bindung im Mühlenge- 
werbe verschwunden war. Die liechtensteinischen 
Müller genossen fortan Gewerbefreiheit. 
ın den Paragraphen 74 bis 79 der Polizeiordnung von 
1843 wurde eine Mühlordung gegeben. Danach mus- 
sten Mühlgebäude und sämtliche Einrichtungen stets 
in gehörigem Zustand sein. Nur gelernte Müller durf- 
ten ein Mahlwerk bedienen. Schlechtes Getreide, wel 
ches das übrige verunreinigen konnte, durfte nicht ge- 
mahlen werden. Der Mahllohn wurde mit dem sech- 
zehnten Teil des gemahlenen Getreides festgelegt. 
Die erste Dreschmaschine des Landes betrieb Josef 
Anton Röckle im Vaduzer Mühleholz. Diese mit Was- 
serkraft getriebene Maschine wird erstmals 1866 er- 
wähnt. Von 1872 bis 1918 waren im Oberland bis zu 
drei solcher Dreschmaschinen in Betrieb. 
Monopolgewerbe war in Liechtenstein auch die Bier- 
brauerei, die mit Unterbrüchen von 1794 bis 1916 aus- 
geübt wurde. Wirtschaftliche Bedeutung erreichte die 
Bierbrauerei im Lande aber nie. 
1794 erhielt Anton Frommelt von Vaduz gegen einen 
jährlichen Zins von 1 fl die Erlaubnis, Bier zu brauen. 
Jer Weissgerber Frommelt führte aber wegen zu ge- 
ringem Absatz und zu kleinem Verdienst sein Vorha- 
ben gar nicht aus. 1810 versuchten sich Anton From: 
melt und der Glaser Benedikt Huber erneut mit der 
Bierbrauerei. Sie zahlten von jedem Gebräu von 240 
Mass 40 kr, machten aber auch diesmal von ihrem 
Aecht nur kurzen Gebrauch. Von 1821 bis 1830 übte 
der Küfer Anton Rheinberger aus Vaduz das Recht der 
Bierherstellung zu denselben Bedingungen aus wie 
seine Vorgänger. Die folgenden zehn Jahre erhielt Fer 
dinand Walser von Schaan die «Bräugerechtigkeit», 
um 51 kr pro Gebräu. Nachdem das Oberamt 1841 
von der Errichtung einer Staatsbrauerei abgeraten hat- 
te, erhielt Baptist Quaderer von Schaan das Brauerei- 
recht auf 12 Jahre gegen einen jährlichen «Bräuur- 
barzins» von 15 fi zugesprochen. Die Familie Quade- 
rer betrieb das Brauereigewerbe von nun an, bis sie 
es während des Ersten Weltkrieges aufgab. 1848 fiel 
nit der Aufhebung der sog. «Monopolgewerbe» der 
«Bräuurbarzins» dahin. Quaderer zahlte fortan einen 
Pachtzins bzw. eine Gewerbesteuer in die Landes- 
<asse. 
Jber die gewerbsmässig betriebene Branntweinbren- 
1erei sind nur spärliche Quellen vorhanden. In der Ge- 
‚erbeliste von 1866 taucht in Eschen der erste Brannt- 
veinbrenner auf. Dieser Betrieb lebte offenbar nicht 
‚ange, denn in den Gewerbekatastern von 1872-1880 
findet sich keine Brennerei mehr. Von 1880 bis 1918 
arbeitete dann eine Brennerei in Mauren, die, wie aus 
der entrichteten Gewerbesteuer geschlossen werden 
<ann, beträchtliche Umsätze erzielte. Von 1886 bis 
1891 stand in Ruggell eine gewerbsmässige Brenne- 
rei in Betrieb, und von 1904 bis 1917 betrieb Stefar 
Ritter in Schaan ebenfalls eine Branntweinbrennerei, 
Seit 1898 befasste sich ein Gewerbetreibender in Va 
duz mit der Herstellung von Sodawasser und Limo- 
nade. Dieser Betrieb ging zu Beginn des Ersten Welt- 
krieges ein. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde 
auch in Schaan Limonade hergestellt. Diese Produk- 
:ion konnte während des Ersten Weltkrieges aufrech- 
‚erhalten werden. 
ın der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in 
_iechtenstein noch kein Metzgergewerbe im heutigen 
Sinn. Die Metzger «betrieben ihr Handwerk nur in so 
ern, in wie ferne sie in die Häuser zum Schlachten ein, 
oder des anderen Viehs geruffen wurden». Bis zum Er- 
sten Weltkrieg waren der grösste Teil der Metzger sog. 
«Haus- oder Lohnmetzger». Nur wenige stellten 
-leischwaren her und verkauften diese in eigenen Ver 
<aufslokalen. Noch 1861 gab es lediglich zwei Metz- 
gereien. Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges zählte 
nan in Liechtenstein neben 21 Lohnmetzgern in Trie- 
sen und Vaduz je zwei, in Schaan, Eschen und Mau- 
ren je eine eigentliche Metzgerei. Diese Zahlen ma: 
chen deutlich, wie sehr sich die überwiegend bäuerli- 
5he Bevölkerung auch noch während der ersten in- 
dustriellen Hochblüte selbst versorgte. 
Die ersten gesetzlichen Bestimmungen für das Metz- 
Jereigewerbe finden sich in der Polizeiordnung von 
1843. Dort wird der Fleischverkauf nur den vom Obe- 
‚amt dazu berechtigten Metzgern erlaubt und das 
Hausieren mit Fleisch verboten. Den Metzgern wurde 
vorgeschrieben, nur völlig gesundes Fleisch zu ver- 
<aufen. Bei Notschlachtungen musste eine Fleisch- 
deschauung unter Zuzug eines Tierarztes vorgenom- 
nen werden. 1878 wurden diese Bestimmungen re- 
aubliziert und zudem die konzessionierten Metzger 
‚erpflichtet, sich über den Gesundheitszustand des 
yon ihnen verkauften Fleisches durch Gesundheits- 
scheine auszuweisen. 
In einer ähnlichen Lage wie die Metzger befanden sich 
auch die Bäcker während des 19. Jahrhunderts. Da 
viele Haushaltungen das benötigte Brot selbst buken, 
and das Bäckereigewerbe nur sehr beschränkt Ab- 
satzmöglichkeiten für seine Produkte. 
3ereits 1789 hatte sich das Oberamt mit der Ein- 
‚;ührung einer «Beckenordnung» befasst. Auf das Bitt- 
Jesuch von 1819 hin erreichten die liechtensteini-
	        

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