Volltext: Berichtsjahr 2000 (2000)

dem Zollvertrag mit Österreich (1852) auf einem staat- 
lichen Monopol beruhte. 
Gleichzeitig mit der stark wachsenden Gewerbetätig- 
keit seit den 60-er Jahren drängte sich immer mehr ei- 
ı1e umfassende gesetzliche Regelung des Gewerbe- 
wesens auf. Am 16. September 1865 wurde das all- 
Jemeine deutsche Handelsgesetzbuch eingeführt, 
das im Rahmen des Deutschen Bundes entstanden 
Jınd bereits in den meisten Bundesstaaten Gültigkeit 
ıatte. Obwohl manche Bestimmungen des Gesetz- 
Juches in Liechtenstein keine praktische Anwendung 
Äinden konnten, erwiesen sie sich insgesamt gesehen 
doch als vorteilhaft für Handel und Gewerbe. Ab 1. Ja- 
ı1uar 1866 führte das liechtensteinische Landgericht 
ain Handelsregister. Im selben Jahr verabschiedete 
der Landtag ein «Gesetz zum Schutze gewerblicher 
Marken», das im Interesse von Industrie und Gewer- 
Delag. Schon 1861 waren in allen Gemeinden des Lan- 
des auf Anordnung der Regierung sog. «Industrie- und 
dandwerkerschulen» errichtet worden, die die ge- 
werbliche Ausbildung der Jugend fördern sollten.® 
Jie erste liechtensteinische Gewerbeordnung vom 16. 
Oktober 1865 basierte auf einer weitgehenden Ge- 
werbefreiheit und brachte in dieser Beziehung ge- 
genüber dem bisherigen Zustand keine Änderung. 
Aauptziel der Gewerbeordnung war es, in das grös- 
stenteils ungeregelte Gewerbewesen eine Ordnung zu 
bringen, ohne zugleich lästige Beschränkungen ein- 
zuführen. Der grösste Teil der Gewerbe konnte frei 
ausgeübt werden und war lediglich im Betriebsort an- 
zumelden. An eine behördliche Konzession gebunden 
war die Ausübung aller Gewerbe, die mit Feuerstät: 
‘en, Dampfmaschinen oder Wasserwerken arbeiteten 
und gesundheitsschädliche Einflüsse auf die Umge- 
bung des Betriebes ausüben konnten. Konzessions- 
pflichtig waren auch «Abdeckereien», sowie das Ka- 
minkehrer- und Gastgewerbe. Gewerbe, die der Kon- 
:rolle der österreichischen Finanzbehörden unter- 
standen, waren an die Bestimmungen des 
österreichisch-liechtensteinischen Zollvertrages ge- 
bunden. Die Rechtsverhältnisse zwischen den selbst- 
ändig Gewerbetreibenden und dem gewerblichen 
Hilfspersonal (Hilfsarbeiter, Gesellen und Fabrikarbei- 
ter), sowie den Lehrlingen wurden umschrieben. So- 
zialpolitische Vorschriften zum Schutz der Arbeitneh- 
mer fehlten dabei allerdings fast völlig. Dem Landge- 
ficht als Verwaltungsbehörde erster Instanz in Ge- 
werbesachen oblag die Handhabung der 
Gewerbevorschriften. Es führte auch das Gewerbere- 
gister. Die Regierung bildete die zweite Instanz und 
* «Verordnung betreffend die Einführung der Handwerkschulen und 
die Feststellung der Verpflichtung zum Besuche der Industrieschu- 
en.» 22, Okt. 1861. —- In den Industrieschulen wurden alle schul- 
oflichtigen Mädchen wöchentlich drei Stunden in Handarbeit 
Nähen, Sticken, Stricken, Häkeln etc.) unterrichtet. In den Hand- 
werkerschulen erhielten die schulentlassenen Knaben bis zu ihrem 
18. Altersjahr während des Winterhalbjahres jeden Samstag 
während drei Stunden Unterricht in Sprachlehre, Rechnen, Geo- 
metrie und Geographie. Vorträge über Naturgeschichte Landwirt- 
schaft und Gewerbe ergänzten den Schulbetrieb, zu dem auch Er- 
vachsene Zutritt hatten. 
Gewerbe im 19. Jahrhundert 
antschied über Errichtung von bewilligungspflichtigen 
aewerbeunternehmen. 
Die Gewerbeordnung von 1865 blieb bis ins begin- 
ıende 20. Jahrhundert hinein bestehen. In dieser Zeit 
stand aber die gewerbliche Gesetzgebung nicht still. 
870 wurde der Hausierhandel gesetzlich geregelt. Im 
Jahre 1871 wurde das Gipsregal, 1876 die Botsatzung 
nd 1882 das «Hadernsammelnregal» aufgehoben. 
Auch diese gesetzlichen Massnahmen standen ganz 
m Zeichen der damals propagierten unbeschränkten 
3aewerbefreiheit. Von einiger Bedeutung war auch die 
‚m Jahre 1875 beschlossene Einführung des metri- 
schen Mass- und Gewichtssystems. Seit 1886 arbei 
ete der k. k. Gewerbeinspektor für Tirol und Vorarl- 
derg auch für Liechtenstein, womit eine bessere Kon- 
rolle der Gewerbe- und Industriebetriebe ermöglicht 
yurde. 
Mm Jahre 1904 wurde im Landtag erstmals der Wunsch 
ıach einer Revision der alten Gewerbeordnung geäus- 
sert. Eine im folgenden Jahr gebildete Landtagskom- 
nission befasste sich mit der Ausarbeitung eines neu- 
an Gewerbegesetzes. Der am 23. Dezember 1906 ge- 
Jründete Gewerbeverein und k. k. Gewerbeinspektor 
Stipperger brachten Revisionsvorschläge, die im spä- 
;‚eren Gesetz grösstenteils berücksichtigt waren. Die 
aewerbeordnung vom 30. April 1910 enthielt ge- 
Jenüber der früheren manche Neuerung und Verbes- 
serung. Die Gewerbe wurden wie bisher eingeteilt in 
solche, zu deren Ausübung eine blosse Anmeldung 
Jenügte, und in eine solche, deren Ausübung an eine 
Jehördliche Bewilligung gebunden war. Dass man der 
rüheren fast unbeschränkten Gewerbefreiheit den 
Aücken kehrte, zeigte sich unter anderem darin, dass 
Jereits für die bloss anmeldungspflichtigen Gewerbe 
3eschränkungen eingeführt wurden. Wer ein solches 
aäewerbe antreten wollte, hatte einen Befähigungs- 
ıachweis zu erbringen. Verlangt wurden abgeschlos- 
sene Volksschulbildung, eine ordentliche Lehre und 
aine mindestens zweijährige Gesellenzeit im entspre- 
5henden Gewerbe. Zu den bereits nach der alten Ge- 
werbeordnung konzessionspflichtigen Gewerben ka- 
men weitere hinzu, so das Baumeister-, Maurermei- 
3ter- und Zimmermannsgewerbe, das Rauchfangkeh- 
rergewerbe, die Ausübung des Hufbeschlags, der 
<leinhandel mit geistigen Getränken und die Erstel- 
ung von Beleuchtungsanlagen und Wasserleitungen. 
Zur Ausübung des Baumeister-, Maurer- und Zim- 
nNermannsgewerbes waren praktische Ausbildung 
Jnd Arbeit während acht Jahren, davon zwei Jahre als 
Dolier oder Werkführer nachzuweisen und überdies ei- 
ne Fachprüfung abzulegen. Für die Ausführung von 
Beleuchtungsanlagen und Wasserleitungen wurde ei- 
ne vierjährige Gesellenzeit, sowie Berufsausbildung 
als Schlosser, Spengler, Schmied oder Mechaniker 
/orgeschrieben. Die Konzession für Hufschmiede 
Nurde nur nach abgelegter Fachprüfung erteilt. Vor 
der Konzessionserteilung für einen Gastgewerbebe- 
rieb war unter anderem die Bedürfnisfrage sorgfältig 
abzuklären. 
Nicht nur durch die Abwendung von der unbe- 
;chränkten Gewerbefreiheit unterschied sich die neue 
3aewerbeordnung von der alten, sondern auch durch
	        

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