Industrie im 19. Jahrhundert
wurden einem von der Industriefirma gegründeten
Fonds entnommen.
Die Spinnerei in Vaduz versicherte ihre Arbeiter wie die
Weberei in Triesen im Jahre 1886 erstmals gegen Un-
fall. Versicherungsfirma war die «Zürich- Transport-
und Unfallversicherungs-Actien-Gesellschaft in
Zürich», Eine Betriebskrankenkassa wurde erst 1891
auf Drängen des Gewerbeinspektors errichtet. Die
Versicherungskosten trugen zu zwei Dritteln die Ar-
beiter und zu einem Drittel das Unternehmen. Die
Krankenkassa übernahm für höchstens 20 Wochen
sämtliche Spital- und Pflegekosten und leistete ein
Taggeld in der Höhe des monatlichen Versicherungs-
beitrages, also 30-70 Kreuzer. 1910 wurden die Be-
stimmungen der Krankenkassa verbessert, da die Vor-
schriften des Gewerbegesetzes zu erfüllen waren. Wie
in den anderen Textilfabriken des Landes, begnügte
man sich auch bei der Spinnerei Jenny-Spörry & Cie.
in Vaduz damit, die gesetzlich festgesetzten Minimal-
'eistungen zu erbringen. 1917 gründete die Firma ei-
nen Pensionsfonds, dessen Kapitalien aber schnell in-
folge der Kronenentwertung zerrannen.
Die Leistungen der Betriebskrankenkassen wurden
von einem Teil der Arbeiter schon bald als ungenü-
gend empfunden. Um die Krankenkassen der Fabri-
ken zu ergänzen, entstanden 1896 in der Weberei in
Triesen und 1899 in der Spinnerei in Vaduz sog. «Män-
nerkranken-Vereine». Fabrikarbeitern männlichen Ge-
schlechts mit mindestens 1 Gulden Tagesverdienst
wurden durch diese Vereine eine Zusatzversicherung
zur Fabrikkrankenkassa geboten. Die Vereinsmitglie-
der leisteten Beiträge in der Höhe von 1/2 - 1 1/2 %
des Monatsliohnes, während das Taggeld im Krank-
heitsfall auf 2 % des Monatslohnes festgelegt wurde.
Die «Männerkranken-Vereine» waren als Selbsthilfe-
organisation die erste Arbeitervereinigung in Liech-
tenstein.
Neben der Versicherung gegen Krankheit und Unfall,
die schon bald nach Beginn der Industrialisierung in
Liechtenstein verwirklicht worden war, hatten sich die
3Zehörden im Interesse der Arbeiter mit der Errichtung
weiterer sozialer Institutionen zu befassen. 1895 be-
schäftigte die Regierung die Frage der Schaffung ei-
1er Arbeitslosenversicherung. Beschlüsse wurder
aber keine gefasst, und die Verwirklichung der Ar-
Jeitslosenversicherung sollte späteren Generationen
‚orbehalten sein. Auch als 1911 die «Internationale
/ereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz», eine
/om internationalen Arbeitsamt unterstützte Organi-
sation, Liechtenstein um seinen Beitritt ersuchte, ver-
Dasste die Regierung die Chance, indem sie die An-
Jelegenheit auf einen späteren Zeitpunkt verschob. Im
'olgenden Jahr fragte dieselbe Organisation an, ob
“jechtenstein den internationalen Verträgen von Bern
‚om 26. September 1906 betreffend das Verbot der
-rauenarbeit in der Industrie beitreten wolle. Obwohl
das Gewerbeinspektorat einen Beitritt Liechtensteins
befürwortete, und Österreich die fraglichen Verträge
bereits unterzeichnet hatte, erledigte die Regierung
die Angelegenheit mit dem Vermerk «Vorläufig ad ac-
:a». Diese Haltung erklärt sich einerseits mit dem da-
maligen Tiefpunkt der aussenpolitischen Aktivität des
Landes und andererseits mit dem doch noch niedri-
gen Stellenwert, den die gesamte Arbeiterfrage inner-
nalb der Regierungsgeschäfte einnahm.**
% Der Arbeiterschutz war in Liechtenstein so geregelt, dass einem
Beitritt des Landes sowohl zur Internationalen Vereinigung für ge-
setzlichen Arbeiterschutz, als auch zu einzelnen internationalen Ver-
tragswerken nichts im Wege stand. (LRA 1911/ad Nr. 1341. 27. Ju-
il 19711. Internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz
an Reg.).
Alois Ospelt: Wirtschaftsgeschichte des Fürstentums Liech-
tenstein im 19. Jahrhundert (Auszug)
Yon den napoleonischen Kriegen bis zum Ausbruch des Er-
sten Weltkrieges erschienen im Jahrbuch 1972 des Histori-
schen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein
Die Fabrik auf der Hub (links im Bild) als Texilunternehmen. Der erste Weltkrieg bereitete der Stickerei in Liechtenstein ein jähes Ende und
brachte die vielen Sticker um ihren Verdienst und ihr investiertes Kapital. Arbeitsbeschaffung durch eine Fabrik sollte Abhilfe schaffen. Die
Gemeinde stellte beinahe 3000 Klafter Boden kostenlos zur Verfügung. Dem Projekt, mit hunderten von Arbeitsplätzen, sah man mit viel
Optimismus entgegen. Doch dann kam es anders. Das Geld reichte nicht und es kam zur grossen Pleite wie Eugen Schafhauser im Buch
«Eschner Baukultur» formulierte, Nicht genug damit, im Jahre 1927 setzte die Rheinkatastrophe die Fabrikanlagen fast bis zur halben Höhe
unter Wasser, wie das obenstehende Bild (Wasserstand am 28. September 1927, vormittags 10 Uhr) zeigt. Am 6. Juni 1931 brach über
ein und dieselbe Fabrik eine neue Katastrophe ein: sie brannte bis auf das Mauerwerk aus. Erst als 1941 die Presta gegründet wurde ging
es wieder aufwärts. Mehr dazu auf Seite 76 bis 82.