Industrie im 19. Jahrhundert
und Unfallvesicherungen der Betriebe auf ihre Ge-
setzmässigkeit und überprüfte ihren Geschäftsgang.
Bauten und Maschinenanlagen mussten bestmögli-
zhen Unfallschutz bieten. Gute Beleuchtung, Durch-
üftung und Beheizung der Arbeitsräume, sowie ein-
yandfreie sanitäre Einrichtungen sollten die Gesund-
21eit der Arbeiter gewährleisten. Der Gewerbeinspek-
tor forschte nach unerlaubter Kinderarbeit,
veaufsichtigte das Lehrlingswesen und kontrollierte
die Einhaltung der vorgeschriebenen Arbeitszeiten so-
wie die Lohn- und Wohnungsverhältnisse der Arbei-
ier. An die Regierung erstattete der Gewerbeinspek-
tor regelmässig Bericht über seine Aufsichtstätigkeit
und stellte Anträge für Verbesserungen und Straf-
sanktionen. Das Gewerbeinspektorat beriet die Re-
gierung in allen Fragen im Zusammenhang mit Indu-
strie und Gewerbe. Eine ganze Reibe von Inspekti-
onsberichten zeugen von der umfangreichen Tätigkeit
der Gewerbeinspektoren, denen so mancher Fort-
schritt insbesondere im Interesse der Arbeitnehmer-
schaft zu verdanken war.
Versicherungen und soziale Gesetzgebung
In der Gewerbeordnung von 1885 wurde noch fest-
gehalten, dass ein Arbeiter während seiner Arbeits-
unfähigkeit keinen Anspruch auf einen Lohn oder an-
dere Bezüge habe. Nur wenn eine Krankheit nicht län-
ger als vier Wochen dauerte, musste der Arbeiter zu
den früheren Bedingungen im Betrieb beschäftigt wer-
den. Erst das Gewerbegesetz von 1910 brachte für die
Fabrikarbeiter die obligatorische Kranken und Unfall-
versicherung. Für die Krankenversicherung waren als
Mindestleistungen die freie ärztliche Behandlung
während der Krankheit, die Bezahlung aller nötigen
Heilmittel, und ein tägliches Krankengeld für die Dau-
ar der Erwerbsunfähigkeit festgelegt. Das Kranken-
Jeld wurde höchstens 20 Wochen lang ausbezahlt und
nit 50 % des durchschnittlichen Arbeitslohnes fest-
Jelegt. Wöchnerinnen erhielten das Krankengeld
durch 4 Wochen, in abnormalen Fällen bis zu 20 Wo-
zhen. Den Hinterbliebenen eines verstorbenen Versi-
cherten kam ein Begräbnisgeld von 40 Kronen zu. Die
Versicherungskosten entfielen zu zwei Dritteln auf die
Versicherten, zu einem Drittel auf den Arbeitsgeber,
der Versicherungsbeitrag des Arbeiters durfte aber
3 % seines Verdienstes nicht übersteigen. Die Be-
nebsunfallversicherung musste die gleichen Pflege-
<osten und Taggelder leisten, wie die Krankenversi-
cherung. Bei eintretender Erwerbsunfähigkeit war ei-
ı1e Abfindungssumme in der Höhe des tausendfachen
Tagesverdienst vorgeschrieben. Dieselbe Summe er-
hielten im Todfall die Hinterbliebenen. Die Versiche-
rungsbeiträge waren vom Arbeitgeber zu bezahlen.
zrst wenn der Prämiensatz 15 %o des Arbeitslohnes
Jberstieg, musste der Arbeiter für den restlichen Be-
rag aufkommen.
-ängst bevor der Staat die Kranken- und Unfallversi-
cherung für die Industriearbeiter als obligatorisch er-
klärte und Mindestleistungen der Versicherungen vor-
schrieb, hatten in den einzelnen Fabrikbetrieben Kran-
xenkassen und Unfaliversicherungen bestanden, die
aber bezüglich ihrer Leistungen und Bedinaungen
neitgehend unter den später vom Staat festgesetzten
Normen blieben. Die erste Krankenkasse wurde 1870
n der Mechanischen Weberei Vaduz gegründet. Je-
der Arbeiter musste der Versicherung beitreten und
1 % seines Lohnes in die Kassa zahlen. Die Versiche-
ung übernahm im Krankheitsfalle bis zu 3 Monaten
lie Arzt- und Pflegekosten und zahlte ein Krankengeld
‚on 50 % des Lohnes. Im Todfall bezahlte die Kassa
die Begräbniskosten. Schon wenige Monate nach Er-
ichtung der Krankenkassa wurde die Dauer der Ver-
sicherungsleistungen auf 6 Wochen beschränkt und
die Verpflichtung zur Übernahme der Begräbnisko-
sten aufgegeben. In der Folge blieben die Kranken-
<assenstatuten der Weberei ohne grundsätzliche Än-
derungen bestehen. Lediglich die Beiträge der Arbei-
:er wurden auf 2 % des Lohnes erhöht, da die Versi-
cherung zeitweise mit Defizit gearbeitet hatte. Seit
'886 waren die Arbeiter des Betriebs auf Vorschlag
des Gewerbeinspektors hin bei der «Ersten öster-
reichischen allgemeinen Unfallversicherungs-Gesell-
schaft» gegen Unfall versichert. 1912 erhielt die Me-
shanische Weberei Vaduz eine Betriebskrankenkasse
und eine Unfallversicherung» die sich genau an die ge-
setzlich vorgeschriebenen Mindestleistungen hielten.
Die Krankenversicherungsbeiträge wurden je zur Hälf-
'e vom Unternehmer und von den Arbeitern getragen.
Die Arbeiter der Weberei in Triesen erhielten die erste
Krankenversicherung im Jahre 1873, Sie wurden in die
«Kranken-Unterstützungs-Kasse» der Firma Enderlin
% Jenny für die Arbeiter der Betriebe in Ziegelbrücke
ınd Niederurnen einbezogen. Für die Austragung von
Differenzen mit Kassamitgliedern aus Triesen waren
aber die liechtensteinischen Gerichtsbehörden zu-
ständig. Die Versicherungsbeiträge bewegten sich je
ıach Finanzlage zwischen 2-3 % der Arbeitslöhne.
Die Kassa bezahlte sämtliche Pflegekosten und ein
<rankengeld von etwa 50 % für eine Dauer von höch-
stens einem halben Jahr. Auch Begräbniskosten-
Jeiträge wurden von der Kassa geleistet. Seit 1886
naren die Arbeiter der Triesner Weberei auf Kosten
des Unternehmens auch gegen Unfall versichert. 1893
arrichtete die Weberei eine eigene, von den Stamm-
betrieben in der Schweiz unabhängige Krankenkassa,
die sich aber in ihrer Struktur von der früheren kaum
unterschied. Auch die Statutenänderungen von 1894
ınd 1901 brachten keine grundsätzlichen Änderun-
gen, sondern lediglich eine Anpassung der Beitrags-
Jnd Leistungssätze an jeweils neue Verhältnisse. Da-
dei erfuhren die Versicherungsleistungen eher eine
J/erschlechterung. 1911 besserten sich die Leistun-
Jen der Betriebskrankenkassa enorm, als die Statu-
ten dem Gewerbegesetz von 1910 angepasst werden
mnussten. Die gesetzlich festgelegten Minimalsätze
wurden in die Statuten übernommen. Kranken- und
Jnfallversicherung richteten sich nach den Normen
des Gewerbegesetzes. Völlig neu und allein auf die Ini-
jjative des Unternehmens zurückzuführen war die
ebenfalls 1911 gegründete Pensionskasse. Alle Ar-
Jeiter über 60 Jahren und mit mehr als 30-jähriger un-
ınterbrochener Tätigkeit im Betrieb sollten künftig le-
aenslängliche Pension erhalten. Männer erhielten 40,
-rauen 30 Kronen im Monat. Die Pensionsbeiträge