Standortbestimmung
Cs
Die Lehre vertritt die Auffassung, dass diskriminierende Vorschriften in jedem Fall
unter das Verbot des Art. 13 FHA fallen. Eine Rechtfertigung soll nur nach Art. 20
möglich sein. Allerdings liege die Schwelle, ab der eine Massnahme gleicher Wirkung
angenommen wird, höher als in der EG. Art. 13 FHA sei erst ab einer konkret
spürbaren Beeinträchtigung des Handels betroffen “°. Diese Heraufsetzung der
Eingriffsschwelle findet eine Bestätigung im Kupferberg-Urteil des EUGH *. Ob auch
unterschiedlos anwendbare Massnahmen unter das Verbot des Art. 13 fallen, ist in der
Rechtsprechung bislang nicht geklärt. In der Literatur besteht Einigkeit nur (aber
immerhin) darüber, dass unterschiedslos anwendbare Massnahmen nicht grundsätzlich
vom Anwendungsbereich des Freihandelsabkommens ausgeschlossen sind *
Zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit einzelner Normen des Freihandelsabkom-
mens liegen widersprüchliche Urteile des schweizerischen Bundesgerichts und des
österreichischen OGH auf der einen und des EuGH auf der anderen Seite vor. Der
EuGH steht einer unmittelbaren Anwendbarkeit grundsätzlich postiv gegenüber, das
Bundesgericht und der österreichische OGH haben sie Ende der siebziger Jahre
abgelehnt und seitdem keine Gelegenheit zur Stellungnahme mehr gehabt. Man wird
immerhin nicht übersehen, dass die unmittelbare Anwendbarkeit heute in der Lehre
einhellig bejaht wird *,
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Baldi, 184.
Kupferberg, Sig. 1982, 3641.
Baldi, 184; Jürg Borer, 184 ff.; Schweitzer, 30; Peter Ulmer, 189 ff.
Die St. Galler Dissertation von Sommer kommt aufgrund einer Analyse dreier
jüngerer Urteile (BGE 111 I b, 323 ff, BGE 112 | b, 184 und BGE 112 IV, 56
f.) zum Schluss, dass das Bundesgericht bereits heute den Bestimmungen der
Art. 13 und 18 FHA unmittelbare Anwendbarkeit zubilligt (69). In der Tat geht
das Bundesgericht in allen drei Fällen sofort zur Auslegung der jeweilig
angerufenen Vorschriften des Freihandelsabkommens über, ohne die Frage der
unmittelbaren Anwendbarkeit zu thematisieren.