Schlüsselfragen des EWR
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solche Entwicklung wäre auch aus der Sicht des EWR als Ganzem nicht wünschens-
wert. Schliesslich wäre darauf hinzuweisen, dass die EWR-Vertragspartner Liechten-
stein in Kenntnis seiner Offshoreprivilegien in den EWR aufgenommen haben, ohne
dass das Thema während der Verhandlungen jemals angesprochen worden ist.
Sollte das EFTA-Überwachungsorgan die liechtensteinischen Beihilfen aufgreifen, so
wären Änderungen der bestehenden Regelung wohl unvermeidlich. Dabei stünden
grundsätzlich zwei Möglichkeiten offen: (1) Bereits im laufenden Verfahren könnte in
Verhandlungen mit dem EFTA-Überwachungsorgan angeboten werden, die Regelung
so umzugestalten, dass sie unter den Ausnahmetatbestand des Art. 61 Abs. 3 lit. c
EWRA fällt. Die Steuervorteile müssten dazu zu einem System regionaler Beihilfen
umgestaltet werden. Dazu wäre allerdings Transparenz hinsichtlich Ziel (regionalpoliti-
sche Zielsetzung), Mittel (konkrete Förderung der Zielsetzung, Verhältnismässigkeit)
und Intensität 25 zu schaffen. Weiter müsste die Beihilfe zeitlich begrenzt und
degressiv ausgestaltet sein. (2) Schliesslich wäre auch eine Umgestaltung zu allgemei-
nen, wettbewerbsneutralen Massnahmen der Wirtschaftspolitik möglich. Einer aktuellen
ökonomischen Untersuchung zufolge dürfte bereits "eine betragsmässig geringfügige
Erhöhung der Besonderen Gesellschaftssteuer genügen ...., um die durch eine
Ausdehnung der Steuerprivilegien auf die Inländer verursachten Steuerausfälle
auszugleichen" ?1%
D.
Gelebtes EWR-Rechi
Es wurde bereits angesprochen, dass Liechtenstein bei weitem nicht das einzige
europäische Land ist, das Offshore-Privilegien gewährt. Zu erinnern ist etwa an das
Holdingprivileg in Luxemburg, aber auch an das blühende Offshorewesen auf den
Kanalinseln und in anderen europäischen Finanzzentren. Die EU-Kommission hat
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Es bestehen Intensitätshöchstgrenzen; vgl. Mitteilung der Kommission, ABl.
1979, Nr. C 31, S. 9 ff. Diese Mitteilung ist Bestandteil des EWR-relevanten
Acquis communautaire, vgl. Annex XV zum EWRA, Ziffer 21.
Graf/Eidenbenz/Marti, 33.