Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2005)

SAMSTAG, 3. SEPTEMBER 2008 •uurrl 
INSERATE 10 Offener Brief Verfassungsinitiative FÜR DAS LEBEN: Offener Brief an den Hohen Landtag Nachdem sich in der bereits angelaufenen öf­ fentlichen Debatte herausgestellt hat, dass ge­ wisse Unklarheiten über aas Ziel der Verfas- sungsinitiative bestehen, ist es uns ein Anlie­ gen, mit nachstehenden Ausführungen an Sie zu gelangen. Mit der Veröffentlichung dieses Schreibens in den Landeszeitungen wollen die Initianten zu­ dem die wähl- und stimmberechtigten Bürge­ rinnen und Bürger zusätzlich informieren. Ausgangstage Mit der Initiative wollen wir erreichen, dass der Staat gemäss Artikel 14 der Verfassung in der Pflicht steht, den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis an bis zum natür­ lichen Tod als erste und oberste Staatsaufgabe sowie Zielrichtung ausdrücklich zu garantie­ ren. Es ist ausser Zweifel, dass das menschliche Leben mehr denn je Gefährdungen ausgesetzt ist. Besonders gefährdet ist - der Mensch im Mutterleib - Behinderte, dem Alter, der Hilflosigkeit aus­ gesetzte Menschen - unheilbar Kranke und - durch Manipulation bedrohtes menschliches Leben. Auswirkungen Die Aufnahme eines ergänzten Artikels 14 in die Verfassung, wie wir diesen in unserem Be­ gehren vorschlagen, soll ein Zweifaches bewir­ ken. Zum einen ist diese Ergänzung Auslegungs­ regel für Zweifelsfälle und zum anderen insti­ tutionelle Garantie und damit Bindung des Staates, menschliches Leben von der Emp­ fängnis an bis zum natürlichen Tod zu schützen als auch die Menschenwürde im Rahmen von Gesetzgebung und deren Vollzug zu wahren. Diese institutionelle Garantie und Bindung des Staates soll vor allem verhindern, dass wehrloses menschliches Leben und der der Hilflosigkeit ausgesetzte Mensch in seiner Po­ sition der Schwäche durch jene in ihrer Posi­ tion der Stärke Gefährdungen, welcher Natur auch immer, ausgesetzt sind. Anfang und Ende des menschlichen Lebens Unsere Verfassung beruht ihrem Wesen und Inhalt nach auf christlichem Gedankengut und entsprechenden Wertevorstellungen. Danach nimmt das menschliche Leben, wie bereits er­ wähnt, seinen Anfang im Zeitpunkt der Emp­ fängnis. Sein Leben beendet der Mensch mit dem Eintreten des natürlichen Todes, ein Tod als Folge des durch Alter oder Krankheit be­ gründeten körperlichen Zerfalls. Unfall und Anwendung von Gewalt mit Todesfolge wer­ den zudem begrifflich dem Eintreten des natür­ lichen Todes 
gleichgestellt. Dem natürlichen Tod gegenüber steht der Tod, der durch Einwirkung eines Menschen auf das Leben eines anderen rechtswidrig er­ folgt, welche Einwirkung zudem den ethischen Wertvorstellungen des christlichen Gedanken­ gutes widerspricht. Verhältnismässigkeit und Rechtsgüterabwägung Das Bestreben der Initianten, das menschli­ che Leben, den Höchstwert der Existenz über­ haupt, von Anfang bis zum Ende unter die aus­ drückliche Schutzpflicht des Staates zu stellen und dadurch diesen Schutz zu gewährleisten, heisst aber auch, dass keine Gesetze erlassen und keine Massnahmen getroffen werden dür­ fen, ohne dass der Grundsatz der Verhältnis­mässigkeit 
gewahrt und insbesondere die Rechtsgüterabwägung vorgenommen wird. Dies bedeutet, dass der Staat in seiner Schutzpflicht so weit gehen muss und nicht weiter gehen darf, als dies zur Erreichung zum Schutz des gefährdeten Lebens erforderlich ist. Im Rahmen der konkreten Bedrohung muss der Staat Lösungen suchen und anbieten, die in Berücksichtigung der bestehenden Interessen­ konflikte eine ausgewogene Rechtsgüterabwä­ gung sicherstellen. Herausforderung an den Staat Die Initianten sind sich bewusst, dass die von ih­ nen angestrebte Ergänzung der Verfassung fiir un­ seren Staat zusätzliche Herausforderung bedeutet. So vielfältig sich menschliches Leben dar­ stellt, so vielfältig sind Gesetze und Massnah­ men, nach denen menschliches Leben des staatlichen Schutzes bedarf. Ausdrückliche Schulpflicht Stimmt der Gesetzgeber dem Begehren der Initianten zu, ist der Staat erstmalig ausdrück­ lich in der Pflicht, dem elementarsten Wert des Gemeinwesens überhaupt, dem menschlichen Leben, von Anfang bis zum Ende, seinen Schutz zu garantieren. Ungeborenes menschliches Leben Die in jüngster Zeit bekannt gewordenen Ver­ stösse von Einzelnen oder Gruppen, nach de­ nen menschliches ungeborenes Leben gefähr­ det ist, darf der Staat, im Sinne der Initiative, nimmt er seine ihm auferlegte Schutzpflicht wahr, zu keinem Zeitpunkt, da eine widerrecht­ liche und damit strafbare Handlung gegen Leib und Leben, als rechtlich und damit straffrei als Gesetzgeber festschreiben. Der in der öffentlichen Debatte immer wieder vorgebrachten ausweglosen Notlage einer schwangeren Frau muss der Staat durch Geset­ ze und durch Massnahmen begegnen, die das Leben des ungeborenen Kindes nicht gefähr­ den, sondern dieses schützen. Als Schutzmassnahmen sind beispielsweise die Schaffung eines Gesetzes für Mutter und Kind ausserhalb der Sozialhilfe, die Anhebung der gesellschaftlichen Stellung der ausserehe- lichen schwangeren Frau durch Öffentlich­ keitsarbeit an Schulen und anderen Bildungs­ stätten und schliesslich die gesetzliche Rege­ lung, nach der die anonyme Geburt in Verbin­ dung mit einem vereinfachten Adoptionsver­ fahren möglich wäre. Der Behinderte, der Alte, der Kranke Im besonderen Masse ist der Staat gefordert, wenn es darum geht, das Leben des Behinder­ ten, Alten und unheilbar Kranken, insbesonde­ re des der Hilflosigkeit ausgesetzten Men­ schen, zu schützen und zu garantieren. Diese Schutzgarantie kann ein Staat nur dann gewährleisten, wenn er die in der Behinderten - und Altenbetreuung, im Pflege- sowie im Medizinalbereich tätigen Personen einer Sorg­ faltspflichtgesetzgebung für den Betreuungs-, Pflege- und Medizinalbereich unterstellt. Dass durch ein Fehlverhalten in der Ausübung vorgenannter beruflicher Tätigkeiten Behinder­ te, Alte und infolge unheilbarer Krankheit der Hilflosigkeit ausgesetzte Menschen im beson­ deren Masse und in ihrer Position der Schwä­ che grossen Gefährdungen ausgesetzt sind, nehmen wir täglich zunehmend zur Kenntnis. Standort Wird dem Begehren der Initianten stattgege­ ben ist der Staat im Weiteren in der Pflicht, die Voraussetzungen für Standorte von Betrieben in Forschung und Medizin zu überprüfen und 
die Bewilligung zur Führung eines solchen Be­ triebes, sowohl im Inland als auch im Namen einer in Liechtenstein eingetragenen Sitzge­ sellschaft im Ausland, dann zu verweigern, wenn nachweislich zur Erreichung voh For­ schungszwecken oder zur Heilung Dritter, ins­ besondere im Rahmen der Transplantationsme- dizin, wehrloses oder hilfloses menschliches Leben in der Position der Schwäche instru­ mentalisiert oder als Produkt verwendet wird. Als Beispiele seien erwähnt Standorte für Be­ triebe, tätig auf dem Gebiete der embryonalen Stammzellenforschung, Betriebe der Spitzen­ medizin, insbesondere auf dem Gebiete der Or­ gantransplantation oder Betriebsstätten für kommerziell geführten Organ- oder embryona­ len Stammzellenhandel. Patientenverfügung Da seit Beginn der Unterschriftensammlung immer wieder die Frage auftauchte, ob die aus­ drückliche Schutzpflicht des Staates auch bein­ halte, dass Gesetze geschaffen würden, die ei­ ne Patientenverfügung eines unheilbar, im Sterben liegenden Kranken als unzulässig fest­ schreiben würden, ist es den Initianten ein An­ liegen, ihre Haltung zu dieser Frage zu präzi­ sieren. Grundsätzlich verfügt ein Patient im Rahmen einer schriftlichen Erklärung, dass er nicht mit künstlichen Mitteln am Leben erhalten, son­ dern an einem natürlichen Tod unter fachärzt­ licher Begleitung und von seinen Angehörigen betreut sterben will. Dieser Verfügung kann aus der Sicht der Initianten nichts entgegenge­ halten werden und ist vom Staat zu respektie­ ren. Die Patientenverfügung ist klar abzugrenzen von der Sterbehilfe, die auch im Rahmen einer Patientenverfügung vom Staat in seiner Schutzpflicht nur als passive Sterbehilfe zu to­ lerieren ist. Jede aktive Sterbehilfe - der Be­ griff ist in Wissenschaft und Lehre definiert - nat der Staat als nicht zulässig und strafbar ins Recht zu fassen. Freiheit des Einzelnen Mutmassungen, nach denen die Initianten an­ treten, die Scnutzpflicht des Staates unter an­ derem zu begehren, um so auch jedes selbst be­ stimmte Handeln von Menschen zu unterbin­ den, die infolge ihrer ausweglosen Notlage oder durch unheilbare Krankheit hilflos, selbst bestimmt entscheiden wollen, entsprechen in keiner Weise dem Anliegen der Initianten. Soll ein staatliches Gemeinwesen funktionie­ ren und die Freiheit für alle im gleichen Mass gewährleisten, muss die Freiheit des Stärkeren Beschränkungen in Kauf nehmen und dadurch die Freiheit des Wehr- und Hilflosen im Rah­ men der Rechtsordnung ermöglichen. INITIATIVKOMITEE FÜR DAS LEBEN Für das Initiativkomitee FÜR DAS LEBEN: Margina Berginz, Lotte Büchel, Brigitte Feger, Gerald Marxer, Beda Meier, Hans Oehri, Hel­ mut Ospelt, Julius Risch, Anton Smola, Berta Thöny.
	        

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