Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2005)

SAMSTAG, 6. AUGUST 2005 wattI THEMA 
25 CHRONOLOGIE Der Weg zu Hiroshima und Nagasaki TOKIO - Am Samstag jährt sich der Abwurf der Atombombe auf Hiroshima zum 60. Mal. Im Folgenden eine Chronik der wichtigsten Schritte, die zu der Tragödie geführt haben. 17. Dezember 1938: Otto Hahn und Fritz Strassmann spalten erfolgreich ein Atom. Es ist der Beginn des Atomwaffenprogramms der Nationalsozialisten. 2. August 1939: Albert Einstein warnt US- Präsident Franklin D. Roosevclt vor einer deutschen Atombombe. Er drängt Washing­ ton, die Forschungen zu intensivieren. Juni 1942: Die USA starten ein eigenes ge­ heimes Atomwaffenprogramm, das Manhat­ tan Projekt, unter Führung des Physikers Ro­ bert Oppenheimer. 2. Dezember 1942: Enrico Fermi und an­ dere Wissenschaftler lösen an der Universität von Chicago die erste kontrollierte Kettenre­ aktion aus. 16. Juli 1945: Die USA testen in der Wüste von New Mexiko erstmals eine Atombombe. 26. Juli 1945: Die Alliierten fordern Japan in der Erklärung von Potsdam zur sofortigen Kapitulation auf. US-Präsident Harry Truman informiert den 
Präsidenten der Sowjetunion, Joseph Stalin, dass die US-Streitkräfte über eine Atombombe verfügen. 6. August 1945: Der B-29-Bomber «Enola Gay» wirft eine Atombombe mit dem Namen «Little Boy» über der japanischen Stadt Hiro­ shima ab. 140 000 Menschen werden getötet. 9. August 1945: Eine zweite Atombombe mit dem Namen «Fat Man» wird über Naga­ saki abgeworfen. 80 000 Menschen werden getötet. 15. August 1945: Kaiser Hirohito kapitu­ liert. (AP) KsfflmaiNlaiitdM WASHINGTON - Paul Uttels kennt auch 60 Jahre nach dem Abwurf der ersten Atom­ bombe Ober Hiroshima weder Mitlpid noch Reue. «Ich wusste, wir tun da« Richtige», be­ tonte der damalige Kommandant der Flieger- crew vw drei Jahren in einem Interview. Er sagte weiter, es sei ihm bewusst gewesen, mit der Bombe viele Menschen zu töten - «aber, bei Gott, wir konnten auch viele Leben retten, weil wir nicht (in Japan) einmarachie- rcn mittaten.» Eine* weiss der 90-Jährige: «Ich wlifde nkhtzögern, warft ich noch ein­ mal die Wahl hätte.» Paul Tibbets komman­ dierte die Crew des modifizierten B-29- Bom­ bers, die am 6. August um 8.15 Ubr die «Uti­ le Boy» genannte Atombombe abwarf. Das Flugzeug Ueas «Enola Gay» und trog fc* Vornamen von Tibbets Mutter. Sie war es, die 1937 Tibbets bei der Aufnahme in die Flug- akademkdeaAmyAkCotpsunlerrtützte. Paul Warfield Tibbets wurde am 23. Februar 1915 in Quincy im Winoü geboten. Iiö .Sep­ tember 1944 Würfe der Oberst in dasP«^ 
0 zum Bau der Bombe eingeweiht, Er habe fcei- ne Verstellung von der Sprengkraft dar Atam- • et«. nenHölknknaU geben würde, j Am 5. flim  d*" ... Schock wdf r nach dem Abwurf, <fie das 
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Gedenkfeier in Hiroshima Tausende erwartet - Augenzeugen erinnern sich an das flammende Inferno HIROSHIMA - Am Samstagmor­ gan dringen sich im Friedens­ park In Hiroshima dli Masson. Zehntatisande wollen 60 Jahre nach dorn Atombombenabwurf Kränze niederlegen, 100 000 Friedenstauben sollen In den Himmel fliegen und die Tempel- glocken läuten. Die Gedenkfeiern rufen bei der 87- jährigen Yoriko Takeuchi Erinne­ rungen an eine schlimme Zeit her­ vor. Am 6. August 1945 verlor sie beinahe alles. In Hiroshima gebo­ ren, wurde sie mit vielen anderen Frauen und Kindern evakuiert, be­ vor die Atombombe auf ihre Stadt fiel. Als sie im Dezember 1945 zu­ rückkehrte, stellte sie fest, dass sie ihr Zuhause ebenso verloren hatte wie viele ihrer Verwandten. «Alles, was ich sehen konnte, war ein fla­ ches, glimmendes Feld.» Heute ist Hiroshima eine wach­ sende Metropole mit drei Millionen Einwohnern. «Es ist ein Wunder, wie die Stadt sich erholt hat», sagt Takeuchi. Die Botschaft der Stadt ist für sie klar: «Wir sind durch die Hölle gegangen. Niemand anderem sollte das je widerfahren.» Das Friedensthema durchdringt Hiroshima. Die breite, von Bäumen gesäum­ te Durchfahrtsstrasse zum Friedens­ park heisst «Promenade des Frie­ dens». Hunderttausende besuchen jedes Jahr das Friedensmuseum und werden am Eingang von einer Friedensuhr begrüsst, die die Tage seit dem Bombenabwurf zählt. Am Samstag erreicht sie 
den Stand von 21 915. Jeden 6. August wird Hiroshima zum Zentrum der globalen Frie­ densbewegung, doch der Ton kann erstaunlich kampfeslustig werden. Die Emotionen kochen zum Jahres­ tag hoch, wie der unlängst einem Mahnmal zugefügte Schaden zeigt. Auf der Inschrift des Mahnmals heisst es: «Lasst all die Seelen hier in Frieden ruhen, auf dass wir die­ sen Fehler niemals wieder bege­ hen.» Der Täter, der das Mahnmal beschädigte, ist vermutlich ein Ultra-Nationalist, der in der In­ schrift die Unterstellung einer 
Mit-60 
Jahre nach dem Abwurf der ersten Atombombe findet hauta Im Frledonspark In Hiroshima die Gedenkfeier statt: Eina Gruppe Japaner und japanischer Buddhisten im Friedenspark am Mittwoch dieser Woche. schuld Japans am Bombenabwurf sieht. Der erste Sprecher auf der Veran­ staltung am Samstag ist Hiroshi­ mas Bürgermeister Tadatoshi Aki- ba, der im letzten Jahr ein völliges Verbot nuklearer Waffen forderte und den Vereinigten Staaten den Vorwurf der «Ignoranz gegenüber den Vereinten Nationen und dem internationalen Gesetz» machte, da sie nach Mini-Nuklearwaffen der nächslen Generation forschten. Doch nach Ignoranz muss Akiba nicht im Ausland suchen. Hiroshima hat es für Japan zum Prinzip ge­ macht, Atomwaffen niemals zu be­ sitzen, zu entwickeln oder auf sei­ nem Gebiet zu dulden. Dennoch ha­ ben dies in den vergangenen Jahren manche Mitglieder der konservati­ ven Partei von Ministerpräsident Ju- nichiro Koizumi in Frage gestellt. Sie sagen, dass es Zeit sei, zumindest über Atomwaffen nachzudenken, da das Nachbarland Nordkorea vermut­ lich über Atomraketen verfüge. Etwa 140 000 Menschen starben, als der B-29-Bomber «Enola Gay» 
seine tödliche Ladung abwarf und Hiroshima in ein flammendes In­ ferno verwandelte. Drei Tage später warf ein weiteres Flugzeug eine Atombombe über Nagasaki auf der südlichen japanischen Insel Kyu- shu ab. Mindestens 80 (XK) Men­ schen kamen ums Leben. Am 15. August 1945 kapitulierte Japan. Als vermisst geltende Menschen und an den 
Folgen verstorbene eingerech­ net, zählten die Behörden im letz­ ten Jahr 237 062 Opfer. «Die Folgen hätten schlimmer sein können» Das Gefühl, dass die Friedens­ botschaft verloren gegangen ist, wächst. Eine internationale Konfe­ renz im Mai endete ohne Konsens darüber, wie man den Atomwaffen­ sperrvertrag verbessern könne. Die Vereinigten Staaten planen, 5000 Sprengköpfe zu behalten, die we­ sentlich verheerender wären als der eine, der Hiroshima zerstörte. Russland, China, Britannien, Frankreich, Indien und Pakistan, die bestätigten Atom-Mächte, he­gen 
keine Abrüstungspläne. Statt­ dessen denken weitere Länder Uber Atomwaffen nach. «Ich denke, je­ der stimmt mir zu, dass die Welt ein besserer Ort wäre ohne Nuklear­ waffen», sagt Helen Barlin, eine 19-jährige Deutsche. «Aber bei den Politikern geht es immer nur um Worte.» War Hiroshima ein notwendiges Übel? Charles Waldren aus Colorado. Experte für die gesundheitlichen Folgen der Atombombe, hat sein Leben mit der Untersuchung von Strahlungseffekten auf Menschen und Tiere verbracht. «Es war ein schreckliches Ereignis», sagt der 71-Jährige. «Aber es hätte schlim­ mer sein können.» Forschungen hät­ ten ergeben, dass das Krebsrisiko in den von der Atombombe verseuch­ ten Gebieten nur um fünf Prozent höher liege als in anderen. Zudem bestehe kein eindeutiger Beweis für Erbschäden. Hiroshima ist für Waldren das Ereignis, das einen schrecklichen Krieg beendete. (AP) Als der Tod nach Hiroshima kam HIROSHIMA - Ein schwüler Sommertag im August sollte das Leben dar Bewohner ran Hi­ roshima drastisch verändern: Am 6. August 1945 wurde die erste Atombombe der Welt, 580 Meter über dam Shlma-Kran- kenhaus, Im Zentrum der Japa­ nischen Stadt abgeworfen. An jenem Morgen stand die 13-jäh- rige Miyoko Tando am Fenster und blickte in den Garten, wo ihr Vater Gepäck auf einen Karren lud. Sie wollen der Mutter folgen, die aus Sorge vor Bombenangriffen Hiro­ shima verlassen hatte und mit dem Jüngsten zu Verwandten aufs Land gezogen war. Plötzlich blitzte es vor Miyokos Augen auf. Es war 8.15 Uhr. «Ich sah ein grelles blau-weisses Licht. Dann wurde ich bewusst- los», erinnert sich die Japanerin 60 Jahre später. Nach mehrstündigem Flug von der kleinen Insel Tinian rund 2500 Kilometer südöstlich Ja­ pans hatte der US-Bomber «Enola Gay» die Atombombe mit dem 
Vor 60 Jahren fiel die Atombombe harmlosen Spitznamen «Little Boy» über Hiroshima abgeworfen. Lodernde Holte Wo gerade noch geschäftiges Treiben herrschte, sorgte der Blitz der ersten im Krieg eingesetzten Atombombe für ein Inferno: In Se­ kunden verwandelt eine gewaltige Druck- sowie Hitzewelle von min­ destens 6000 Grad die Stadt in eine lodernde Hölle. Alles, was aufrecht stand, wurde zerdrückt. Von den 350 000 Bewohnern sterben auf einen Schlag schät­ zungsweise mehr als 70 000 Men­ schen. Bis Ende Dezember 1945 erhöhte sieb die Zahl der Toten auf 140 
000. Verstört und mit Brand­ blasen Ubersät irren die Überleben­ den durch die verwüstete Stadt, Haut hängt in Fetzen an ihren Lei­ bern. Ma nsc hen verseucht Als Miyoko Tando erwachte, zog ihr Vater sie mit letzter Kraft aus den Trümmern. Dann verdunkelte sich der Himmel. Schwarze 
Regen-tfar 
10 Jahren: sich nach dem Uber Hiroshima tropfen, an denen radioaktive Asche klebte, fielen herab und ver­ seuchen die ahnungslosen Men­ schen. Drei Tage nach der Explo­ sion musste Miyoko mit ansehen. 
wie ihre Schwester und ihr Vater starben. Am selben Tag zündeten die Amerikaner über Nagasaki eine zweite Atombombe. Bis Dezember 1945 starben dort etwa 70 000 Menschen. Die genaue Opferzahl wird sich nie ermitteln lassen, auch weil viele Menschen erst an den Spätfolgen der Strahlung starben. Gegen das Vergessen anreden Lange Zeit konnte Tando über das erlebte Grauen nicht sprechen. Die gebrechliche Frau hat sich, wie sie 
sagt, zum Reden entschlossen, damit «die Bombe nicht vergessen wird». Doch die Bedeutung Hiro­ shimas lässt nach. Jahrzehntelang stand die grosse Mehrheit des Volkes hinter der pa­ zifistischen japanischen Verfas­ sung, die keine reguläre Streitkräf­ te zulässt. Dies ändert sich nun, auch vor dem Hintergrund der Be­ drohung 
durch Nordkoreas Rake­ ten. Erstmals wird in Japan Uber ei­ ne Änderung der Verfassung debat­ tiert. (sda/dpa)
	        

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