SAMSTAG, 2. JULI 2005
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VOLKSI l/J 11 Tl ID MICHAEL RADULESCO
BLATTI IVUL I Un IM VOLKSBLATT-GESPRÄCH
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Kultur in Kürze
«Vereine. Kunst. Kunst vereint.»
VADUZ - Am Dienstag, den 5. Juli, um
18.30 Uhr, lädt der Kunstraum Engländerbau
in Vaduz zu einem «offenen Vereinsabend»
ein. Die Begleitveranstaltung zur Ausstel
lung von Rolf Graf richtet sich an alle, die
Mitglied in einem Verein sind, einen Verein
gründen wollen oder auch wieder ausgetre
ten sind. Was hat Kunst mit Vereinen zu tun?
Dieser Frage wird der Kurator Axel Jablons-
ki im Gespräch mit Vereinsmitgliedern nach
gehen. Der Eintritt ist frei.
KUNSTRAUM'
Engländerhau
9490 Vaduz www.kunstraum.fi
Liechtenstein ist das Land der Vereine.
Zahlreiche Freizeitaktivitäten und ehrenamt
liche Tätigkeiten finden im Rahmen von Ver
einen statt. Vereine haben eine wichtige sozi
ale Funktion. Und nicht zuletzt wird mit ih
nen Glaubwürdigkeit und ernsthaftes Bemü
hen demonstriert, was Voraussetzung für fi
nanzielle Unterstützung durch Sponsoren
oder auch durch das Land Liechtenstein ist.
Was das alles mit Kunst zu tun hat? Wie jede
andere Interessensgemeinschaft, sei es eine
Kunstgesellschaft, ein Club oder eine Be-
rufsvereinigung, setzt auch die Kunst grup
pendynamische Prozesse in Gang. Also
reichlich Stoff für kontroverse Diskussionen,
die Axel Jablonski in Beziehung zu der im
Kunstraum Engländerbau gezeigten Ausstel
lung bringen wird.
Die Ausstellung «von oben und von unten»
dauert noch bis zum 24. Juli und ist Dienstag
und Donnerstag von 13 bis 20 Uhr geöfihet,
Mittwoch und Freitag von 13 bis 17 Uhr so
wie Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr.
Montag geschlossen. Weitere Informationen
unter www.kunstraum.li im Internet. (PD)
Manor-Kunstpreis Chur 2005
verliehen
CHUR - Der Manor-Kunstpreis Chur 2005
geht an die Videokünstler Gabriela Gerber
und Lukas Bardill. Die Auszeichnung ist mit
15 000 Franken dotiert und mit einer Ausstel
lung im BUndner Kunstmuseum im Herbst
2006 verbunden. Das KUnstlerduo arbeitet
mit Installationen, mit Wandzeichnungen,
Fotografien und insbesondere mit Videos.
Die Thematik ihrer ironischen wie tiefgründi
gen Arbeiten kreise um den Begriff der Land
schaft, teilte das BUndner Kunstmuseum in
Chur am Freitag mit. Bewusst mit einge
schlossen würden kulturelle, raumplaneri-
sche und ethische Aspekte. Die Werke seien
eingängige Bilder in einer zeitgemässen
Sprache, die Wesentliches zur Wahrnehmung
von Alltagsphänomenen beitrügen. (sda)
Bisher unbekannte Skizze
von Leonardo Da Vinci entdeckt
LONDON - Experten der National Gallery
in London haben unter einem Gemälde von
Leonardo Da Vinci eine bislang unbekannte
Skizze des Renaissance-Malers entdeckt. Un
ter der Farbschicht der «Madonna in der Fel
sengrotte» sei mit Hilfe von Infrarot-Licht
der Entwurf für eine andere Darstellung
sichtbar geworden, sagte Sprecherin Rachel
Billinge am Freitag. Zuletzt wurde vor rund
70 Jahren ein Werte Da Vincis entdeckt. Nach
Ansicht von Kunstexperten hatte Da Vinci bei
der Felsgrotten-Madonna zunächst eine ande
re Darstellung geplant als die dann gemalte.
Das Werk in der National Gallery ist eine Ko
pie, die Da Vinci selbst angefertigt hat. Die
Originalfassung hängt im Louvre in Paris.
Der Renaissance-Meister hatte die Felsgrot
ten-Madonna 1483 als Altarbild für eine Ka
pelle in Mailand begonnen. Er sei von seinem
Werk derart begeistert gewesen, dass er von
seinen Auftraggebern mehr Honorar verlangt
habe, erklärte Billinge. Als seine Forderung
abgelehnt wurde, habe er das Bild verkauft.
Später erklärte er sich bereit, eine zweite Fas
sung anzufertigen - und begann vermutlich
mit der jetzt entdeckten Skizze. Dann liess er
sich laut Billinge aber überreden, noch ein
mal exakt dasselbe Bild zu malen. (sda)
Konzentration auf die Musik
Der Organist Michael Radulescu im Gespräch
gibt
fünft
TRUSEN - Heut« um 20.15 Uhr
m In dar Pfarrkirche zum
iiifunddrelsslg|Xhrigan Beste
hen der Meisterkurse ein
Wiedersehen mit dam Organis
ten Michael Radulescu, eklem
Dozenten dar ersten Stunde,
1971 Ms 1990. Radulsad spielt
Bruhns, Buxtehude, KarN, Muf
fst, Pachelbel, Bach und Vtvaktl.
Das Mksblatt sprach mit dam
Künstler.
• Am* Uffter
Volksblatt: Sie waren von 1991
bis 1990 regelmässig Dozent an
den Meisterkursen. Wie kamen
Sie damals dazu?
Michael Radulescu: Das war ei
ne Initiative unter Freunden, mit
Pepi Frommelt und Hans Kneihs,
mit dem ich schon befreundet war
hier in Wien. Es fing sehr gemüt
lich, familiär an, mit nur wenigen
Teilnehmern, und dann hat sich das
Ganze ziemlich vergrössert, bis
dann in meinem Kurs 45 Teilneh
mer waren. Im Laufe der Zeit ha
ben sich auch die Orgeln zum Bes
seren gewandelt in Liechtenstein,
als die Instrumente von Mathis da
zukamen. Meine ganze Familie ist
mit Liechtenstein enorm verbun
den. In Liechtenstein habe ich mei
ne einzigen richtigen Urlaube ver
bracht, jeweils drei Wochen. Nach
20 Jahren habe ich das aufgegeben.
Es war ein schöner Abschied. Um
so grösser ist jetzt die Freude, nach
35 Jahren wiederzukehren. Es war
eine phantastische Zeit. Da haben
sich sehr schöne Freundschaften
ergeben und auch Ehen. Jedes Jahr
machten wir eine Bergtour mit dem
ganzen Kurs, mit Bündnerfleisch,
Muskelkater, Sonnenbrand, was so
dazugehört.
Herr Frommelt wollte
nicht, dass das Ganze
so gross aufgezogen
wird.
Warum war 1990 Scbluss?
Wenn etwas anfängt nach Routi
ne zu riechen, ist das schlecht. Ich
hatte das Gefühl, es sei gut, am Hö
hepunkt auszusteigen, bevor es
heisst: Ach Gott, der probierts noch
immer. Für mich war die Liechten
steiner Erfahrung besonders wich
tig, weil ich da zum ersten Mal
Meisterkurse hielt. Ich habe nicht
im Dirigierunterricht in Wien, son
dern in Liechtenstein, in der Praxis,
gelernt, wie man mit einer Gruppe
umgeht.
ich habe
in Liechtenstein
gelernt, wie man mit
einer Gruppe umgeht.
Was verbindet Sie mit Johann
Sebastian Bach?
Die erste Musik, die ich als klei
nes Kind hörte, war die Matthäus-
Passion, das begleitet mich mein Le
ben lang. Bach ist ein einzigartiger
Kristallisationspunkt der Musikge
schichte, von dem vieles ausstrahlt,
Uber Beethoven, Uber Mozart, Uber
Wagner bis in unsere Tage.
Hing damit auch die Wahl Ihres
Instruments zusammen?
Zuerst wollte ich Kontrabassist
werden, als ich drei Jahre alt war;
das ging nicht so leicht, allein kör
Mtafceel Radulescu, Kompenist umMllelsterkursdozf nt der ersten Stunde, bleibt heute Abend ganz In der V»r-
Bangenhett
perlich nicht. Die Orgel offehbärte
sich mir mit fünf Jahren. Das war
dann meine Welt: Orgeln, Dirigie
ren und Komponieren. Gott sei
Dank bin ich nicht davon abhängig.
Ich habe das Glück, seit 37 Jahren
die Professur hier zu haben. Ich
schätze mich wirklich sehr glück
lich, trotz allen Widerwärtigkeiten,
der jetzigen Einstellung gerade der
Musik gegenüber, die mehr als
fragwürdig ist.
Wie meinen Sie das?
Alles ist auf Konsum und Event
eingerichtet. Es war die Stärke
Liechtensteins, dass wir uns auf die
Musik konzentrierten, auf die
menschliche Begegnung, auf das
Zusammenarbeiten für einen ge
meinsamen Zweck, für die Musik.
Die Wiener Philharmoniker spielen
in Schönbrunn, mit Verstärkern.
Das hat mit der Musik nichts mehr
zu tun. Schon vor 35 Jahren er
kannte Herr Frommelt diese Ge
fahr; er wollte nicht, dass das Gan
ze so gross aufgezogen wird. Es
blieb menschlich. Und ich glaube,
es ist heute noch so.
Sie haben Bachs unvollendete
«Ratswahlkantate» «ergänzt».
Wie muss man sich diese Ergän
zung vorstellen?
Ein Satz fehlt Uberhaupt, den
kann man nicht rekonstruieren. Es
ist keine Partitur Uberliefert, nur ein
Stimmensatz, bei dem im Chor der
Tenor und der Bass fehlen. Es feh
len das Continuo, die Trompeten
und die Pauken. Das habe ich er
gänzt. Das war eine wunderbare
und für mich enorm lehrreiche Ar
beit. Ich sollte die Kantate in Mai
land aufführen. Da schaute ich mir
den Versuch einer Rekonstruktion
an. Der war katastrophal, lauter
Satzfehler und Töne, die auf den al
ten Instrumenten gar nicht spielbar
sind. Ich sah mich gezwungen, eine
Neufassung zu machen. Und ich
muss sagen; Es ist ein sehr tolles
StUck.
Was können Sie uns zu Ihrer Pas
sion sagen, die Sie am 5. März
aufgenommen haben?
Ich habe mich jahrzehntelang ge
scheut, den Passionstext zu verto
nen, obwohl mich die Passion seit
meiner Kindheit verfolgt.
Ich muss sagen: Es ist
ein sehr tolles Stück.
Graz wollte als Europäische Kul
turhauptstadt 2003 etwas Besonde
res haben, und es war auch das
Jahr, in dem ich 60 wurde, und mir
wurde der Kompositionsauftrag er
teilt. Gott sei Dank sagte ich zu. Ich
nahm ein Semester frei und lebte
nur in dieser Welt. Es ist eine deut
sche Passion für Doppelchor, zwei
Orchester, vier Gamben, vier Po
saunen und zwei Solosänger. Ich
konnte nicht die Luther-Texte ver
wenden, weil das alles Bach schon
wegkomponiert hat, das kann man
nicht neu vertonen. Die ökumeni
sche Fassung gefiel mir nicht und
die offizielle katholische auch
nicht. Ich habe eine neue Überset
zung gefunden, von Carl von Weiz
säcker in Tübingen, die ich mit ei
ner anderen kombiniert habe, von
Fridolin Stier, der auch in Tübingen
lehrte. Weizsäcker war lutherisch
und Stier katholisch. Der Bezug zur
Aktualität ist durch das vorrefor-
matorische «Media vita» gegeben.
Es ergeben sich daraus kosmische
Visionen, die Konfrontation mit der
Bombe, mit der Umweltkatastro
phe, die immer mehr sich abzeich
net, mit der Dummheit der Men
schen. Und dennoch müssen wir
hoffen.
Bruhns war eine un
glaubliche, fast meteo
rische Escheinung.
Wie klingt das? Schimmert das
Vorbild Bach durch?
Nein. Obwohl er für mein musi
kalisches Verständnis der grösste
Meister war und ist. Die Tonspra
che geht von einer Psalmodie aus,
von einem modalen Denken, wie
ein neues Mittelalter, sie beruht auf
Resonanz, dem Mitklingen ver
schiedener Klangebenen. Zwölfton
habe ich hinter mir. Ich war ein
ziemlicher Zwölftonterrorist, bis
ich im Chor die Erfahrung machte,
dass durch Zufall einmal ein Drei-
klang so perfekt war, dass der gan
ze Körper mitvibrierte. Ich spürte,
wie sich die Kehle und der ganze
Körper entspannten. Bei Zwölfton
kam das nicht. Dann habe ich mich
einmal beim ziemlich wilden Im
provisieren vergriffen und einen
Dreiklang erwischt, und das war ei
ne Offenbarung. Auf dem modalen
Denken basiert mein Schaffen etwa
seit der Zeit, als wir in Liechten
stein anfingen.
Das war meine Welt:
Orgeln, Dirigieren und
Komponieren.
Was werden die Höhepunkte Ih
res Konzerts in Liechtenstein
sein?
Ich möchte in der Musik der Ver
gangenheit bleiben. Es wird eine
Gegenüberstellung zwischen Nord
deutschland, mit Nicolaus Bruhns
und Dietrich Buxtehude, und dem
Süden geben. Mit Bruhns fange ich
an, einer unglaublichen, fast meteo
rischen Erscheinung, der in ganz
jungen Jahren verstarb und von Bach
hoch geschätzt wurde. Dem stelle
ich die Süddeutschen gegenüber,
Georg Muffat, Kerll und Pachelbel,
und ein enorm virtuoses Violinkon
zert von Vivaldi, «II grosso Mogul»,
das Bach auf die Orgel Ubertragen
hat. Am Ende spiele ich zwei Chorä
le aus der Jugendzeit Bachs; einer
davon ist mit Doppelpedal, also fünf
stimmig. Zuletzt spiele ich das gros
se, berühmte e-Moll-Präludium von
Bach. Norden und Süddeutschland
bzw. Venedig, alles führt zu Bach.