Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2005)

MITTWOCH, 4. MAI 2008 BLATT I WIRTSCHAFT KOMPAKT* 810 ** 15 
Kompakt 
US-Notenbank erMMrt 
Leitzing um 25 Baeiepunkte 
WASHINGTON - Die US-Notenbank (Fed) 
hat den Leitzins am Dienstag wie erwartet 
zum achten Mal in Folge um 25 Basispunkte 
angehoben. Sie signalisierte erneut eine Fort 
setzung ihrer moderaten Erhöhungen. 
Der als SchlUsselzins geltende Zielsatz für 
Tagesgeld steige auf drei Prozent, teilte der 
für die Geldpolitik verantwortliche Offen- 
marktausschuss (FOMC) der Fed nach seiner 
Sitzung mit. Es war die achte Zinserhöhung 
seit Juni vergangenen Jahres. Wirtschaftsex 
perten rechnen angesichts steigender Infla 
tionsraten mit einer weiteren Erhöhung in 
den kommenden Monaten. Die US-Noten 
bank wies erneut darauf hin, dass der Infla 
tionsdruck in jüngster Zeit zugenommen hat. 
Sie wolle die weiter lockere Geldpolitik auch 
künftig in einem «massvollen Tempo» straf 
fen, um Inflationsgefahren vorzubeugen, be 
kräftigte die Fed. 
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Mit dieser Formulierung signalisieren die 
Währungshüter seit einigen Monaten, dass 
die Leitzinsen in moderaten Schritten ange 
hoben werden. Die Auf- und Abwärtsrisiken 
für die Preisstabilität und das Wirtschafts 
wachstum hielten sich in etwa die Waage, be 
kräftigte die Notenbank. Auf konjunkturelle 
Veränderungen werde sie reagieren, sofern 
dies erforderlich werde. Die Bedingungen 
am Arbeitsmarkt verbesserten sich weiterhin 
schrittweise. Das Wachstumstempo der Wirt 
schaft sei weiterhin solide, wobei die hohen 
Energiekosten aber das robuste Wachstum 
der Konsumausgaben dämpften. 
Ende Juni 2004 hatte die Fed mit der ersten 
Erhöhung seit vier Jahren die Zinswende in 
den USA eingeleitet. Mit der erneuten Anhe- 
bung verteuert sich die Kreditaufnahme für 
Verbraucher und Unternehmen in der welt- 
grössten Volkswirtschaft weiter. Die US- 
Börsen reagierten mit geringfügigen Ver 
lusten auf die Erklärung der Fed. Der Dollar 
legte leicht zu. 
Die US-Zinsen liegen nun ein Prozent 
punkt höher als in der Euro- Zone. Die Euro 
päische Zentralbank (EZB) berät bei ihrer 
Ratssitzung am Mittwoch Uber die künftige 
Geldpolitik. Seit Juni 2003 hält sie den Leit 
zins auf dem historischen Tief von 2,0 Pro 
zent stabil. (sda) 
Kuoni «rill Frentour übernehmen 
r 
GENF - Das Amtsgericht Genf hat dem Rei 
seunternehmen Frantour Nachlassstundung 
gewährt. Ausschlaggebend dafür war ein 
Übernahmeangebot von kuoni. Das Amtsge 
richt Genf habe am vergangenen Freitag eine 
Nachlassstundung von sechs Monaten ge 
währt, teilte Frantour am Dienstag mit. Da 
mit könne das Unternehmen seine Aktivitä 
ten weiterfuhren und somit sämtliche Ar 
beitsplätze sowie das Ansehen seiner Marke 
sichern. Der Gerichtsentscheid sei auch auf 
grund des Angebotes von Kuoni gefällt wor 
den, hiess es weiter. Über die Höhe des 
Übernahmeangebotes sei aber Stillschwei 
gen vereinbart worden. Frantour befinde sich 
wegen des Rückzugs seines einzigen Aktio 
närs CIT in Nachlassstundung, hiess es wei 
ter. Frantour Schweiz war Mitte März 2003 
an die italienische Compagnia Italia l\insmo 
(CIT) verkauft worden. Frantour hat seinen 
Sitz in Genf und eine Filiale in ZUrich und 
beschäftigt rund 100 Mitarbeiter. (sda) 
«Optimaler Integrationsweg» 
Europa-Symposium: «Liechtensteins Position in Europa - Statusbericht» 
VABUZ - Vir 10 Jakrm, am 1. 
Mal 1998, trat UacHaaSMa 
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gastrlasa Europa-Symposium 
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Uaditanstatas. Das VoWuMatl 
druckt klar Auufigs lltrar iriffl- 
mmgsrada ab. 
«Das wichtigste Ereignis in der 10- 
jährigen Geschichte der liechten 
steinischen Mitgliedschaft im 
EWR ist sicherlich der EWR-Bei- 
tritt selbst. Die liechtensteinischen 
Behörden sowie Teile der Wirt 
schaft hatten den EWR im Be- 
wusstsein befürwortet, dass dieser 
eine eigenständige wirtschaftliche 
Einbindung in Europa bedeutete 
und damit eine vermutlich nicht 
mehr wiederkehrende iind optimale 
Integrationsmöglichkeit darstellt. 
Es gab aber auch ernstzunehmende 
Stimmen, die die Annährung an 
Europa eher als eine Schwächung 
der Selbstständigkeit des Landes 
und eine Gefahr für den Wohlstand 
der Bevölkerung einschätzten. 
■adautung bitsyratfon 
Dennoch können wir heute auf ei 
ne 10-jährige Mitgliedschaft Liech 
tensteins im Europäischen Wirt 
schaftsraum zurückblicken. Diese 
Zeit war nicht nur von Erfolgen, 
sondern auch von zähen Verhand 
lungen und einigen Zugeständnis 
sen geprägt. Allgemein fällt aber die 
liechtensteinische Bilanz «10 Jahre 
EWR» eindeutig positiv aus. Liech 
tenstein ist eine traditionell exporto 
rientierte Wirtschaft und der gleich 
berechtigte Zugang zum europäi 
schen Binnenmarkt ist von Uberra 
gender Bedeutung. 
Ziel des EWR-Abkommens ist 
es, einen homogenen Wirtschafts 
raum zu schaffen. Dies wird durch 
eine beständige und ausgewogene 
Stärkung der Handels- und Wirt 
schaftsbeziehungen zwischen den 
Vertragsparteien unter gleichen 
Wettbewerbsbedingungen und un 
ter Einhaltung gleicher Regeln er 
reicht. Die Einbindung Liechten 
steins in den EWR schaffte daher 
optimale Rahmenbedingungen zur 
Förderung unserer Wirtschaft und 
somit des Wohlstandes. Der Euro 
päische Wirtschaftsraum bedeutet 
daher für Liechtenstein auch eine 
Stärkung der sozialen Sicherheit 
und unsere Zukunftssicherung. 
Schliesslich garantiert das EWR- 
Abkommen Liechtenstein eine sta 
bile Anbindung an die EU und bil 
det die Grundlage für eine frucht 
bare Zusammenarbeit. Dies ist von 
besonderer Wichtigkeit, denn der 
Integrationsprozess im Binnen 
markt ist noch lange nicht abge 
schlossen. 
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(Kala). junssaaMstafla Rita 
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Diesem grossen Nutzen stehen 
natürlich Kosten gegenüber, welche 
Liechtenstein als Vertragspartei 
übernehmen muss. Die Mitglied 
schaft im EWR kostet Liechtenstein 
jährlich 1.S Mio. Franken, welche in 
den so genannten Kohäsionsfond 
einbezahlt werden. Diese Mittel 
werden dann für Projekte in den Be 
reichen Umwelt, nachhaltige Ent 
wicklung, Kulturerbe, Ausbildung 
und berufliche Bildung sowie Ge- 
sundheits- und Kinderpflege bereit 
gestellt. Knapp 20 Prozent der 
Mittel stehen dabei für Projekte in 
Griechenland, Portugal und Spanien 
zur Verfügung, die restlichen 80 
Prozent sind für die neuen Beitritts 
länder bestimmt. In 2009 werden 
die EWR-Vertragsparteien Uberprü 
fen, ob die Unterstützungsbeiträge 
auch weiterhin notwendig sind. 
. «-» *• 1. ..JA*. 
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Für Liechtenstein von besonderer 
Bedeutung war die Aushandlung 
einer speziellen Personenverkehrs 
lösung. Es war von Anfang an klar, 
dass Liechtenstein keinen uneinge 
schränkten Aufenthalt von EWR- 
Staatsangehörigen zulassen kann, 
weil damit die beschränkten 
Ressourcen des kleinen Landes 
schnell verbraucht wären. Die 
zuerst ausgehandelte Regelung sah 
deshalb vor, dass der Zuzug und die 
Wohnsitznahme von EWR-Staats- 
angehörigen auf 56 erwerbstätige 
und 16 nicht erwerbstätige Perso 
nen pro Jahr begrenzt wird. Diese 
Lösung wäre Ende 2006 ausgelau 
fen, jedoch gelang es Liechtenstein 
im Zuge der EWR-Erweiterungs- 
verhandlungen, nicht nur die glei 
che jährliche Anzahl von Bewilli 
gungen beizubehalten, sondern 
auch das Ablaufdatum zu streichen. 
Das neue Regime wird lediglich al 
le 5 Jahre überprüft, wobei die erste 
Überprüfung im Mai 2009 stattfin 
den wird. 
Zlnsbastauanmai afchomman 
Liechtenstein ist bekanntlich ein 
wichtiger Finanzplatz im europäi 
schen Raum. Für uns von besonde 
rer Bedeutung ist daher die Umset 
zung der Geldwäschereirichtlinien 
und des Zinsbesteuerungsabkom 
mens. Die erste und zweite Geld 
wäschereirichtlinien wurden in 
Liechtenstein umgesetzt. Wir sind 
heute stolz, einen transparenten 
und regulierten Finanzsektor von 
europäischem Niveau vorzeigen zu 
können. Auch wenn dies für die Fi 
nanzintermediäre ein nicht zu ver 
leugnender Mehraufwand bedeutet. 
Obwohl nicht Bestandteil des 
EWR-Abkommens, darf das am 21. 
April 2005 vom Landtag angenom 
mene Abkommen Uber die Zinsbe 
steuerung nicht unerwähnt bleiben. 
Dieses Abkommen steht nämlich 
als Beweis der guten Beziehungen 
und der Kooperationsbereitschaft 
zwischen den Vertragsparteien. 
Lassen Sie mich bitte dieses Ab 
kommen kurz charakterisieren und 
dessen Bedeutung für die Vertrags 
parteien erörtern. 
Im Bereich der Besteuerung der 
Zinserträge erliess die Europäische 
Union eine Richtlinie mit dem Ziel, 
die Steuerflucht aus den EU-Mit 
gliedsstaaten zu verhindern. Mit 
der Umsetzung der Richtlinie sollte 
ein System des grenzüberschreiten 
den Informationsaustausches ge 
schaffen werden, das ermöglichen 
soll, die Zinserträge einer Person 
im Mitgliedsstaat zu besteuern, in 
welchem diese ihren Wohnsitz hat. 
Belgien, Luxemburg und Öster 
reich haben jedoch eine spezielle 
Lösung zum Schutze des Bankge 
heimnisses ausgehandelt und 1 
zu einer Zahlstellensteuer * 
pflichtet. Liechtenstein hat si< ~ 
Rahmen eines Abkommens dazb 
bereit erklärt, ebenfalls eine Zahl 
stellensteuer auf Zinserträge von 
Personen mit Wohnsitz in der EU 
zu erheben. Somit werden die Pri 
vatsphäre der liechtensteinischen 
Bankkunden und das Bankgeheim 
nis geschützt. Das Abkommen und 
das Zinsbesteuerungsgesetz wurde 
vom Landtag in seiner April-Sit- 
zung behandelt. Das Inkrafttreten 
wird in diesem Sommer ange 
strebt. 
Im Wesentlichen ermöglicht 
das Abkommen Bankkunden mit 
Wohnsitz in einem EU-Mitglieds 
staat, ihre Zinsenetträge auf zwei 
Arten besteuern zu lassen. Die erste 
Möglichkeit ist die freiwillige Of 
fenlegung, d.h. die ausdrückliche 
Ermächtigung der Bank eine Mel 
dung an die Steuerbehörden des 
Wohnsitzstaates zu machen. Die 
zweite Möglichkeit ist der Steuer- 
rückbehalt durch die Bank, welcher 
automatisch erfolgt, wenn keine 
Ermächtigung zur Meldung vor 
liegt. Die Bank Uberweist die zu 
rückbehaltenen Beträge pauschal 
und anonym an die liechtensteini 
sche Steuerverwaltung, die 75 Pro 
zent davon an die Steuerbehörden 
der jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten 
weiterleitet. Die restlichen 25 Pro 
zent verbleiben dem Lande. Der 
Rückbehalt wird schrittweise von 
15 Prozent des Zinsertrages im Jah 
re 2005 auf 35 Prozent im Jahre 
2011 erhöht. Mit diesem System 
wird die Steuerflucht aus den EU- 
Mitgliedsstaaten verhindert und 
gleichzeitig auch das Bankgeheim 
nis gewahrt. 
Die Europäische Union ist ein 
dynamisches Gebilde, welches sich 
nicht nur auf die Verwirklichung 
des Binnenmarktes ausgerichtet 
hat, sondern durch zahlreiche hori 
zontale Politiken, gemeinsame 
Außenhandels- und Entwicklungs 
politik, das Konzept der Unions- 
bürgerschaft, die Proklamierung 
der Charta der Grundrechte und so 
gar durch eine Verfassung, immer 
mehr einem Bundesstaat ähnelt 
Innerhalb des EWR ist Liechten 
stein gleichberechtigter Partner von 
Island und Norwegen und gleich 
wertiger Mitgestalter der Bezie 
hungen zur EU. Durch die Mit 
gliedschaft im EWR gelang es 
Liechtenstein, sich von der 
iz zu wnanrinwreft and: 
bedeutet d/eseinen gewaltigen Zu 
wachs an Selbstbestimmung gegen 
über aussen. Es freut mich daher 
besonders, dass wir im nächsten 
Jahr die 200-jährige Souveränität 
Liechtensteins feiern, in einem 
Zeitpunkt, zu welchem wir such als 
souveräner Staat und gern gesehe 
ner Ansprechpartner einer so gros 
sen Europäischen Gemeinschaft 
auf dem internationalen Puten 
agieren. Wir sind heute berechtigt, 
aber auch verpflichtet, die Zukunft 
Europas mitzubestimmen. 
Liechtensteins Platz in Europa in 
zehn Jahren lässt sich nur schwer 
vorhersagen. Wir müssen bei der 
Bewertung der Zukunft des EWR 
von mehreren Faktoten ausgehen, 
einschliesslich der Möglichkeit, 
dass der eine oder andere EFTA- 
Staat EU-Mitglied wird. Für Liech 
tenstein ist der EU-Beitritt vorerst 
kein Thema. Der Beitritt zum EWR 
hat sich aus politischer und wirt 
schaftlicher Sicht als der richtige 
Weg erwiesen. 
Die politischen Instanzen Liech 
tensteins sind weiterhin der An 
sicht, dass der EWR, sicherlich er 
gänzt durch die WTO-Mitglied- 
schaft, ein optimaler Integrations 
weg für einen Kleinstaat in Europa 
bildet. Das bestehende EWR-Ab 
kommen bildet aber auch eine 
wichtige rechtliche Ausgangsbasis 
für verschiedene Möglichkeiten der 
Gestaltung künftiger Beziehungen 
mit der Europäischen Union, sollte 
es den EWR eines Ifeges nicht mehr 
geben. Wir können die weitere Ent 
wicklung deshalb mit einer gewis 
sen Gelassenheit auf uns zukom 
men lassen, was jedochkeineswegs 
bedeutet, dass wir uns nicht früh 
zeitig - und das heisst jetzt schon - 
mit diesen verschiedenen Möglich 
keiten und unseren eigenen in die 
Zukunft gerichteten Uttseipto Aus 
einandersetzten sollen.
	        

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