Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2005)

DONNERSTAG, 21. APRIL 2008 |Jg*® I INLAND SffiÄHS«W AP8TWAHI " 
«Intellektueller Denker» 
Nach Papstwahl: Reaktionen zum neuen Pontifex Benedikt XVI. 

Strassenumfrage 
Altes bleibt beim Altan 
SCHAAN - «Ich hoffer er wird viele kirch 
liche Einstellungen reformieren»: So oder 
ähnlich klangen Antworten, auf die Frage: 
Was denken und erhoffen Sie vom neuen 
Papst Benedikt XVI.? Das Volksblatt führte 
ein Strassenumfrage in Schaan durch. Nebst 
der Zustimmung für den neu gewählten 
Papst, zeichneten sich aber auch Reform- 
wünsche bei den Befragten ab. 
Trudi Jehle aus Schaan: 
«Ich habe ein bisschen Angst, dass er zu kon 
servativ sein wird und die Frauen in der Kir 
che einen noch schlechteren Stand bekom 
men als sie ihn schon beim letzten Papst hat 
ten. Aber es freut mich, dass einmal ein 
Deutscher Papst geworden ist.» 
Bernadette Sprenger aus Triesen: 
«Er ist ja schon ziemlich konservativ im Be 
zug auf Gleichberechtigung, genau wie der 
alte Papst. Doch die Zeiten ändern sich und 
die Einstellungen müssen sich auch ändern.» 
Beatrice Gstöhl aus Schaan: 
«Er sollte einen fortschrittlicheren Weg ein 
schlagen als sein Vorgänger und sowieso 
nicht so konservativ wie unser Erzbischof 
Haas sein.» 
Monika Nutt aus Planken: 
«Er muss offener 
sein und trotzdem ei 
ne gerade Linie be 
halten. Trotzdem 
sollte es ein paar Re 
formen in Bezug auf 
Gleichberechtigung 
geben.» 
Linde Schierscher aus Schaan: 
«Man macht zu viele Spekulationen im Vor 
feld. Abwarten heisst die Devise und schau 
en wie sich das entwickelt. Niemand kann 
sagen, dass dieser Papst speziell konservativ 
ist, wenn er noch nichts gemacht hat» 
Margrit Gallina aus Schaan: 
«Ein paar Reformen 
wiirde ich mir schon 
wilnschen aber ich 
habe gehört, dass die 
se wahrscheinlich 
nicht kommen wer 
den. Es war doch ei 
gentlich vorprogram 
miert, dass Ratzinger 
Papst wird.» (ab) 
VADUZ/VATIKAN - Joseph Kardi 
nal Ratzinger wurda am 
Dianatag «am Konklava zum 
265. Papst dar rtimisdi-katholi- 
scfcan Kirchs gmvMhlt Dar 78- 
Jähriga Dautscha gairiaaat auf 
Intamationalar Ebana dan Ruf 
ainaa «Paiuarkardinals». Das 
VaNuMatt fragta bai UacMan- 
stains Preminanz nach, ab Ba- 
nadikt XVI. mit dar Belastung 
dlasaa Pridikatas aaln Amt an 
tritt 
Jshaaasa Kabar: MaNatekt schafft S.D. 'PMax 
eher als Übergangspapst definiert 
wird». Voraussichtlich werde es ein 
eher kürzeres Pontifikat geben. 
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UQGnWISIWI VI 
dam Papst bakamt 
S.D. Prinz Nikolaus hatte vor ei 
nigen Jahren das Vergnügen, den 
jetzigen Jünger Petri persönlich 
kennenzulernen. Gegenüber dem 
Volksblatt sagte S.D. Prinz Niko 
laus, dass er von Josef Kardinal 
Ratzinger sehr beeindruckt sei. 
«Anlässlich des Treffens war ich 
beeindruckt von der unglaublichen 
intellektuellen Fähigkeit dieses 
Mannes.» Ebenso sei der Zugang 
zu ihm als Mensch unglaublich of 
fen gewesen. «Der neue Papst ist 
ein echter Wissenschafter, der sehr 
wohl offen ist für Neues.» 
Durch die deutsche Mutterspra 
che-und die bayrische Heimat des 
-ftpstes sei lüit Liechteifctein eine 
gewisse automatische frahbezie- 
hung gegeben; «(fem Papst ist 
Liechtenstein sehr wohl bekannt.» 
Bai Amtaainaatzung in Kam 
Der liechtensteinische Botschaf 
ter beim Heiligen Stuhl gab auf An 
frage ebenso bekannt, dass das Erb 
prinzenpaar, er selbst mit seiner 
Gemahlin sowie die designierte 
Aussenministerin Rita Kieber- 
Beck am Sonntag in Rom zugegen 
sein werden, wenn Papst Benedikt 
S.D. Prinz Nikolaus, Liechtensteins 
Botschafter beim Heiligen Stuhl, 
erklärte auf Volksblatt-Anfrage, 
dass er davon ausgehe, dass Bene 
dikt XVI. es wohl als seine Aufga 
be sehe, die begonnene Arbeit sei 
nes Vorgänger, Papst Johannes-Paul 
IL, fortzuführen. «Kardinal Rattin- 
ger war bekanntlich ein enger Mit 
arbeiter des verstorbenen Papstes», 
so S. D. Prinz Nikolaus. Die Wahl 
Kardinal Ratzingers zum Papst sei 
seiner Meinung nach auf die grosse 
intellektuelle Anerkennung des 
ehemaligen Kurienkardinals bei 
seinen Kardinalskollegen zurück 
zuführen. «Ich bin aber überzeugt, 
dass Benedikt XVI. sehr wohl eige 
ne Akzente in seinem Pontifikat 
setzen wird, obwohl er aufgrund 
seines Alters mit 78 Jahren wohl 
Welt hofft auf 
Fortsetzung des Dialogs 
JERUSALEM/ROM - Weltweit 
haben Politiker und Geistliche an 
Papst Benedikt XVI. appelliert, 
den Dialog mit anderen Religionen 
im Sinne seines Vorgängers fortzu 
führen. In Israel wurde besorgt an 
die Zeit Joseph Ratzingers in der 
Hitleijugend erinnert, doch wurde 
zugleich sein Eintreten gegen Anti 
semitismus hervorgehoben. 
US-Präsident George W. Bush 
würdigte Benedikt XVI. als «Mann 
grosser Weisheit und Kenntnis», 
der dem Herrn diene. Ratzinger ha 
be ihn bei der Gedenkmesse für Jo 
hannes Paul II. am 8. April sehr be 
eindruckt. 
Der Weltkirchenrat äusserte die 
Hoffnung, dass Benedikt die katho 
lische Kirche dem Dialog mit an 
deren christlichen Bekenntnissen 
weiter öffne. Dem Weltkirchenrat 
in Genf gehören 341 Kirchen an, 
darunter zahlreiche protestantische 
und orthodoxe Kirchen. 
Auch der russisch-orthodoxe 
Patriarch Alexi n. sprach von der 
Hoffnung auf bessere Beziehungen 
zwischen den beiden Kirchen. Der 
schiitische Geistliche Hadi Qabel 
sagte im iranischen Qom, er wün 
sche einen «Dialog zwischen den 
XVI. die erste heilige Messe als 
Papst in der Öffentlichkeit lesen 
werde. Die Eröffnungsmesse am 
Sonntag gilt auch als offizieller 
Amtsantritt des neuen Pontifex, 
Kain Raformar 
Landtagsvizepräsident Ivo Klein 
hielt auf Anfrage fest, dass die Wahl 
auf Ratzinger für ihn eigentlich lo 
gisch, aber dennoch unerwartet sei. 
Der bislang zweite Mann im Vati 
kan habe in den vergangenen Jahr 
zehnten die Glaubenslehre stark ge 
prägt. Dass die Muttersprache Be 
nedikts XVI. deutsch sei, sei für 
Liechtenstein sicherlich positiv. 
«Iäh kann noch nicht abschliessend 
beurteilen, ab der neue Papst die 
wünschenswerten Reformen in An 
griff nimmt Sein Werdegang sagt 
ehernein.» Mit 78 Jahren sei er eher 
ein. Übergangspapst, der wahr 
scheinlich nicht für grosse Refgr- 
men stehe. Ivo Kfeins Wunsch 
eine Öffnung der Kirche, vor allem 
Frauen in der Kirche wäre eines sei 
ner Anliege^ 
Auch Paul Vogt, Fraktionssprecher 
der Freien Liste, erwartet mit Bene 
dikt XVI. einen konservativen Papst, 
der die bisherige Richtung weiter 
verfolgen wird. Auch Vogt sieht im 
78-jährigen Papst eine «Übergangs 
lösung». Seiner Ansicht nach kom- 
Nach der Papstwahl 
Anhängern der verschiedenen Reli 
gionen». Der Vorsitzende des fran 
zösischen Islamrats, Dahl Bouba- 
keur, wünschte Benedikt viel Er 
folg, vor allem beim interreligiö 
sem Dialog. (AP) 
«Wir sind Jetzt der 
Nabel der Welt» 
MARKTL AM INN - Hubert 
Gschwendtner kann nicht mehr, 
schaltet sein Mobiltelefon aus. Der 
Bürgermeister von Marktl am Inn, 
dem Geburtsort des neuen Papstes, 
hat die halbe Nacht Fragen beant 
wortet: «Aus Mexiko haben mich 
Journalisten um Mitternacht ange 
rufen, später weiche aus Norwegen 
und Japan.» Das Interesse der gan-. 
zen Welt bricht über Marktl herein, 
eine 2700-Seelen-Gemeinde in 
Oberbayern, nahe der Grenze zu 
Österreich. 
Der kleine Marktplatz vorm Rat 
haus ist überfüllt mit Autos und 
Minibussen. Dorfapotheker Engel 
bert Wimmer betrachtet das Trei 
ben: «Sowas hatten wir hier noch 
nie.» Immer wieder geht er hinaus 
auf die Strasse, bietet den Journali 
sten heissen Kaifee an. Wimmer 
hat gestern 59. Geburtstag gefeiert: 
«Die Wahl Ratzingers zum Papst 
war ein tolles Geschenk», sagt er. 
Jetzt hofft er, dass Papst Benedikt 
Kondome und die Anti-Baby-Pille 
zulässt: «Das wäre schön für unser 
Geschäft.» 
Uneinige Prasse 
ROM - Die internationale Presse 
ist sich nicht einig, wie die Wahl 
von Joseph Ratzinger zum Papst 
beurteilt werden soll. Die einen er 
wähnen, dass Benedikt XVI. Still 
stand bedeuten könnte, andere 
schreiben von «Hoffnung» und 
«Überraschung». 
CORRIERE DELLA SERA (Ita 
lien): «Es wird ein geliebter und 
gefitrchteter' Papst sein, ein Intel 
lektueller mit Zügen eines Hirten.» 
LA REPUBBLICA (Italien): 
«Dies wird gleichzeitig ein politi 
sches und spirituelles Pontifikat 
werden, das auch reich an Überra 
schungen ist» 
BILD (Deutschland): Die deut 
sche Boulevardzeitung Bild titelte 
mit einer recht deutlichen Schlag 
zeile: «Wir sind Papst». 
STUTTGARTER ZEITUNG 
(Deutschland): «Insbesondere an 
der Kirchenbasis in Europa wild 
die Entscheidung für Ratzinger 
schwer zu vermitteln'sein. Ein 
Menschenfischer ist er nicht Ihm 
fehlt eine gewisse Herzlichkeit und 
men die Reformbestiebungen zum 
Erliegen, «es geht in gewohnt«- Ma 
nier weiter». Der ehemalige Josef 
Kanünal Ratzinger geniesst bei Paul 
Vogt den Ruf als «Hüter des wahren 
Glaubens» und als «Dogmatiker». 
Der FBP-Abgeordnete Johannes 
Kaiser hielt gegenüber dem Vblks- 
blatt zur Papstwahl Folgendes fest: 
«Es stellt sich fllr mich die Frage, ob 
Papst Benedikt XVI. seinem be 
kannten Ruf als «Panzerkardinal» 
auch in seinem neuen Amt gerecht 
wird. Auf mich macht der neu Ge 
wählte einen intellektuell sehr hoch 
stehenden Eindruck. Daher möchte 
ich ihm keinesfalls eine allftUlige 
Öffnung der Kirche und eine Mo 
dernisierung von vornherein abspre 
chen. Positiv finde ich, dass er als 
Bayer uns LmhteosteifierovQa «»- 
jne«k Wurzeln her ächerüch rdjjtiv 
"ySsteät. M&m, 78 Jahren darf 
Papst Benedikt XVL wohi als Über- 
gangspapst bezeichnet weiden, der 
es vielleicht schafft, seinem Nach 
folger die Wege zu einer Moderni 
sierung zu ebnen, ohne dabei sein 
Gesicht als Dogmatiker zu verlieren. 
Ich wünsche ihm persönlich dazu 
viel Mut und Kraft. Aufgrund seines 
Naheverhältnis zu seinem Vorgänger 
ist wahrscheinlich eher damit zu 
rechnen, dass er das Erbe von Papst 
Johannes-Paul n. fortführen wird.» 
Spontaneität im Umgang mit Man 
schen.» 
WASHINGTON POST (USA): 
«Und natürlich hoffen wir, dass 
ein erwachsener Glanben» nicht 
heisst, dass die Kirche weiterhin 
die Verteilung von Kondomen in 
Afrika und anderen Entwicklungs 
ländern verhindert» 
THE INDEPENDENT (Gross 
britannien): «Der weisse Rauch aus 
dem Schornstein des Vatikans hat 
eine schnelle Entscheidung be 
kannt gegeben - und die Fortset 
zung des Krieges des Vatikans mit 
der modernen Welt» 
EL PAfS (Spanien): «Das neue 
Kirchenobeihaiipt hatte biß zu sei 
ner Wahl als herausragender Ver 
treter der dogmatischen Strömung 
^E^PRESSE (Österreich): 
«Möglicherweise bieten ihm gera 
de die eindeutigen und und viel 
fach feindseligen Zuschreibungen 
die grosse Chance, unerwartete 
Aufbrüche zu wagen.» 
GASETA (Russland): «Ratzin 
ger, war der Ideologe der Expan 
sion der«Mutterkirche» in Gebie 
te, die seit 1QOO Jahren von der 
Russisch-orthodoxen Kirche geist 
lich genährt wurden. Sie gilt nicht 
mehr als Schwcster, sondern als 
verlorene Tochter.» 
	        

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