DONNERSTAG, 21. APRIL 2008 |Jg*® I INLAND SffiÄHS«W AP8TWAHI "
«Intellektueller Denker»
Nach Papstwahl: Reaktionen zum neuen Pontifex Benedikt XVI.
Strassenumfrage
Altes bleibt beim Altan
SCHAAN - «Ich hoffer er wird viele kirch
liche Einstellungen reformieren»: So oder
ähnlich klangen Antworten, auf die Frage:
Was denken und erhoffen Sie vom neuen
Papst Benedikt XVI.? Das Volksblatt führte
ein Strassenumfrage in Schaan durch. Nebst
der Zustimmung für den neu gewählten
Papst, zeichneten sich aber auch Reform-
wünsche bei den Befragten ab.
Trudi Jehle aus Schaan:
«Ich habe ein bisschen Angst, dass er zu kon
servativ sein wird und die Frauen in der Kir
che einen noch schlechteren Stand bekom
men als sie ihn schon beim letzten Papst hat
ten. Aber es freut mich, dass einmal ein
Deutscher Papst geworden ist.»
Bernadette Sprenger aus Triesen:
«Er ist ja schon ziemlich konservativ im Be
zug auf Gleichberechtigung, genau wie der
alte Papst. Doch die Zeiten ändern sich und
die Einstellungen müssen sich auch ändern.»
Beatrice Gstöhl aus Schaan:
«Er sollte einen fortschrittlicheren Weg ein
schlagen als sein Vorgänger und sowieso
nicht so konservativ wie unser Erzbischof
Haas sein.»
Monika Nutt aus Planken:
«Er muss offener
sein und trotzdem ei
ne gerade Linie be
halten. Trotzdem
sollte es ein paar Re
formen in Bezug auf
Gleichberechtigung
geben.»
Linde Schierscher aus Schaan:
«Man macht zu viele Spekulationen im Vor
feld. Abwarten heisst die Devise und schau
en wie sich das entwickelt. Niemand kann
sagen, dass dieser Papst speziell konservativ
ist, wenn er noch nichts gemacht hat»
Margrit Gallina aus Schaan:
«Ein paar Reformen
wiirde ich mir schon
wilnschen aber ich
habe gehört, dass die
se wahrscheinlich
nicht kommen wer
den. Es war doch ei
gentlich vorprogram
miert, dass Ratzinger
Papst wird.» (ab)
VADUZ/VATIKAN - Joseph Kardi
nal Ratzinger wurda am
Dianatag «am Konklava zum
265. Papst dar rtimisdi-katholi-
scfcan Kirchs gmvMhlt Dar 78-
Jähriga Dautscha gairiaaat auf
Intamationalar Ebana dan Ruf
ainaa «Paiuarkardinals». Das
VaNuMatt fragta bai UacMan-
stains Preminanz nach, ab Ba-
nadikt XVI. mit dar Belastung
dlasaa Pridikatas aaln Amt an
tritt
Jshaaasa Kabar: MaNatekt schafft S.D. 'PMax
eher als Übergangspapst definiert
wird». Voraussichtlich werde es ein
eher kürzeres Pontifikat geben.
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UQGnWISIWI VI
dam Papst bakamt
S.D. Prinz Nikolaus hatte vor ei
nigen Jahren das Vergnügen, den
jetzigen Jünger Petri persönlich
kennenzulernen. Gegenüber dem
Volksblatt sagte S.D. Prinz Niko
laus, dass er von Josef Kardinal
Ratzinger sehr beeindruckt sei.
«Anlässlich des Treffens war ich
beeindruckt von der unglaublichen
intellektuellen Fähigkeit dieses
Mannes.» Ebenso sei der Zugang
zu ihm als Mensch unglaublich of
fen gewesen. «Der neue Papst ist
ein echter Wissenschafter, der sehr
wohl offen ist für Neues.»
Durch die deutsche Mutterspra
che-und die bayrische Heimat des
-ftpstes sei lüit Liechteifctein eine
gewisse automatische frahbezie-
hung gegeben; «(fem Papst ist
Liechtenstein sehr wohl bekannt.»
Bai Amtaainaatzung in Kam
Der liechtensteinische Botschaf
ter beim Heiligen Stuhl gab auf An
frage ebenso bekannt, dass das Erb
prinzenpaar, er selbst mit seiner
Gemahlin sowie die designierte
Aussenministerin Rita Kieber-
Beck am Sonntag in Rom zugegen
sein werden, wenn Papst Benedikt
S.D. Prinz Nikolaus, Liechtensteins
Botschafter beim Heiligen Stuhl,
erklärte auf Volksblatt-Anfrage,
dass er davon ausgehe, dass Bene
dikt XVI. es wohl als seine Aufga
be sehe, die begonnene Arbeit sei
nes Vorgänger, Papst Johannes-Paul
IL, fortzuführen. «Kardinal Rattin-
ger war bekanntlich ein enger Mit
arbeiter des verstorbenen Papstes»,
so S. D. Prinz Nikolaus. Die Wahl
Kardinal Ratzingers zum Papst sei
seiner Meinung nach auf die grosse
intellektuelle Anerkennung des
ehemaligen Kurienkardinals bei
seinen Kardinalskollegen zurück
zuführen. «Ich bin aber überzeugt,
dass Benedikt XVI. sehr wohl eige
ne Akzente in seinem Pontifikat
setzen wird, obwohl er aufgrund
seines Alters mit 78 Jahren wohl
Welt hofft auf
Fortsetzung des Dialogs
JERUSALEM/ROM - Weltweit
haben Politiker und Geistliche an
Papst Benedikt XVI. appelliert,
den Dialog mit anderen Religionen
im Sinne seines Vorgängers fortzu
führen. In Israel wurde besorgt an
die Zeit Joseph Ratzingers in der
Hitleijugend erinnert, doch wurde
zugleich sein Eintreten gegen Anti
semitismus hervorgehoben.
US-Präsident George W. Bush
würdigte Benedikt XVI. als «Mann
grosser Weisheit und Kenntnis»,
der dem Herrn diene. Ratzinger ha
be ihn bei der Gedenkmesse für Jo
hannes Paul II. am 8. April sehr be
eindruckt.
Der Weltkirchenrat äusserte die
Hoffnung, dass Benedikt die katho
lische Kirche dem Dialog mit an
deren christlichen Bekenntnissen
weiter öffne. Dem Weltkirchenrat
in Genf gehören 341 Kirchen an,
darunter zahlreiche protestantische
und orthodoxe Kirchen.
Auch der russisch-orthodoxe
Patriarch Alexi n. sprach von der
Hoffnung auf bessere Beziehungen
zwischen den beiden Kirchen. Der
schiitische Geistliche Hadi Qabel
sagte im iranischen Qom, er wün
sche einen «Dialog zwischen den
XVI. die erste heilige Messe als
Papst in der Öffentlichkeit lesen
werde. Die Eröffnungsmesse am
Sonntag gilt auch als offizieller
Amtsantritt des neuen Pontifex,
Kain Raformar
Landtagsvizepräsident Ivo Klein
hielt auf Anfrage fest, dass die Wahl
auf Ratzinger für ihn eigentlich lo
gisch, aber dennoch unerwartet sei.
Der bislang zweite Mann im Vati
kan habe in den vergangenen Jahr
zehnten die Glaubenslehre stark ge
prägt. Dass die Muttersprache Be
nedikts XVI. deutsch sei, sei für
Liechtenstein sicherlich positiv.
«Iäh kann noch nicht abschliessend
beurteilen, ab der neue Papst die
wünschenswerten Reformen in An
griff nimmt Sein Werdegang sagt
ehernein.» Mit 78 Jahren sei er eher
ein. Übergangspapst, der wahr
scheinlich nicht für grosse Refgr-
men stehe. Ivo Kfeins Wunsch
eine Öffnung der Kirche, vor allem
Frauen in der Kirche wäre eines sei
ner Anliege^
Auch Paul Vogt, Fraktionssprecher
der Freien Liste, erwartet mit Bene
dikt XVI. einen konservativen Papst,
der die bisherige Richtung weiter
verfolgen wird. Auch Vogt sieht im
78-jährigen Papst eine «Übergangs
lösung». Seiner Ansicht nach kom-
Nach der Papstwahl
Anhängern der verschiedenen Reli
gionen». Der Vorsitzende des fran
zösischen Islamrats, Dahl Bouba-
keur, wünschte Benedikt viel Er
folg, vor allem beim interreligiö
sem Dialog. (AP)
«Wir sind Jetzt der
Nabel der Welt»
MARKTL AM INN - Hubert
Gschwendtner kann nicht mehr,
schaltet sein Mobiltelefon aus. Der
Bürgermeister von Marktl am Inn,
dem Geburtsort des neuen Papstes,
hat die halbe Nacht Fragen beant
wortet: «Aus Mexiko haben mich
Journalisten um Mitternacht ange
rufen, später weiche aus Norwegen
und Japan.» Das Interesse der gan-.
zen Welt bricht über Marktl herein,
eine 2700-Seelen-Gemeinde in
Oberbayern, nahe der Grenze zu
Österreich.
Der kleine Marktplatz vorm Rat
haus ist überfüllt mit Autos und
Minibussen. Dorfapotheker Engel
bert Wimmer betrachtet das Trei
ben: «Sowas hatten wir hier noch
nie.» Immer wieder geht er hinaus
auf die Strasse, bietet den Journali
sten heissen Kaifee an. Wimmer
hat gestern 59. Geburtstag gefeiert:
«Die Wahl Ratzingers zum Papst
war ein tolles Geschenk», sagt er.
Jetzt hofft er, dass Papst Benedikt
Kondome und die Anti-Baby-Pille
zulässt: «Das wäre schön für unser
Geschäft.»
Uneinige Prasse
ROM - Die internationale Presse
ist sich nicht einig, wie die Wahl
von Joseph Ratzinger zum Papst
beurteilt werden soll. Die einen er
wähnen, dass Benedikt XVI. Still
stand bedeuten könnte, andere
schreiben von «Hoffnung» und
«Überraschung».
CORRIERE DELLA SERA (Ita
lien): «Es wird ein geliebter und
gefitrchteter' Papst sein, ein Intel
lektueller mit Zügen eines Hirten.»
LA REPUBBLICA (Italien):
«Dies wird gleichzeitig ein politi
sches und spirituelles Pontifikat
werden, das auch reich an Überra
schungen ist»
BILD (Deutschland): Die deut
sche Boulevardzeitung Bild titelte
mit einer recht deutlichen Schlag
zeile: «Wir sind Papst».
STUTTGARTER ZEITUNG
(Deutschland): «Insbesondere an
der Kirchenbasis in Europa wild
die Entscheidung für Ratzinger
schwer zu vermitteln'sein. Ein
Menschenfischer ist er nicht Ihm
fehlt eine gewisse Herzlichkeit und
men die Reformbestiebungen zum
Erliegen, «es geht in gewohnt«- Ma
nier weiter». Der ehemalige Josef
Kanünal Ratzinger geniesst bei Paul
Vogt den Ruf als «Hüter des wahren
Glaubens» und als «Dogmatiker».
Der FBP-Abgeordnete Johannes
Kaiser hielt gegenüber dem Vblks-
blatt zur Papstwahl Folgendes fest:
«Es stellt sich fllr mich die Frage, ob
Papst Benedikt XVI. seinem be
kannten Ruf als «Panzerkardinal»
auch in seinem neuen Amt gerecht
wird. Auf mich macht der neu Ge
wählte einen intellektuell sehr hoch
stehenden Eindruck. Daher möchte
ich ihm keinesfalls eine allftUlige
Öffnung der Kirche und eine Mo
dernisierung von vornherein abspre
chen. Positiv finde ich, dass er als
Bayer uns LmhteosteifierovQa «»-
jne«k Wurzeln her ächerüch rdjjtiv
"ySsteät. M&m, 78 Jahren darf
Papst Benedikt XVL wohi als Über-
gangspapst bezeichnet weiden, der
es vielleicht schafft, seinem Nach
folger die Wege zu einer Moderni
sierung zu ebnen, ohne dabei sein
Gesicht als Dogmatiker zu verlieren.
Ich wünsche ihm persönlich dazu
viel Mut und Kraft. Aufgrund seines
Naheverhältnis zu seinem Vorgänger
ist wahrscheinlich eher damit zu
rechnen, dass er das Erbe von Papst
Johannes-Paul n. fortführen wird.»
Spontaneität im Umgang mit Man
schen.»
WASHINGTON POST (USA):
«Und natürlich hoffen wir, dass
ein erwachsener Glanben» nicht
heisst, dass die Kirche weiterhin
die Verteilung von Kondomen in
Afrika und anderen Entwicklungs
ländern verhindert»
THE INDEPENDENT (Gross
britannien): «Der weisse Rauch aus
dem Schornstein des Vatikans hat
eine schnelle Entscheidung be
kannt gegeben - und die Fortset
zung des Krieges des Vatikans mit
der modernen Welt»
EL PAfS (Spanien): «Das neue
Kirchenobeihaiipt hatte biß zu sei
ner Wahl als herausragender Ver
treter der dogmatischen Strömung
^E^PRESSE (Österreich):
«Möglicherweise bieten ihm gera
de die eindeutigen und und viel
fach feindseligen Zuschreibungen
die grosse Chance, unerwartete
Aufbrüche zu wagen.»
GASETA (Russland): «Ratzin
ger, war der Ideologe der Expan
sion der«Mutterkirche» in Gebie
te, die seit 1QOO Jahren von der
Russisch-orthodoxen Kirche geist
lich genährt wurden. Sie gilt nicht
mehr als Schwcster, sondern als
verlorene Tochter.»