Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

.• ^:- .w\.,'u'j  ; DONNERSTAG, 12. FEBRUAR 2004 VOLKSI 
lAf IDTC/^U A CT VORTRAG VON FRANK BLATTI 
VV in IOV/flnr I IM LANDEMUSEUM IN 
ELBE VADUZ 
13 FRANK ELBE ÜBER... Durch die Osterweiterüng darf und soll auch kein neuer eiserner Vorhang entstehen. Po­ lens Ostgrenze wird eine der zukünftigen Aussengrenzen der Europäischen Union sein. Wir brauchen dort eine intelligente Grenze, eine Grenze, die gegen organisierte Kriminalität,; Drogennanael, illegale Ein­ wanderung oder Menschenhandel dicht sein muss. Sie muss zugleich offen genug sein ̂ um regionale Kooperation zu ermöglichen und damit die politische und wirtschaftliche Stabilität in den östlichen Nachbarstaaten Polens - das sind Belarus, die Ukraine und Russland - zu fördern. ...NicM-EU-Länder Ob ein Staat die Mitgliedschaft in der Union anstrebt, ist ausschliesslich eine Fra­ ge seiner politischen Grundentscheidung. Würde man die Beitrittsfrage ausschliess­ lich unter dem Gesichtspunkt, ob eine künf­ tige Mitgliedschaft überwiegende Vorteile bietet, erörtern, gäbe es keine Alternative zu einem Beitritt zur Europäischen Union, wenn man nicht von der Dynamik der euro­ päischen Entwicklung abgekoppelt bleiben will. Dies gilt insbesondere für Staaten mit einem hohen Entwicklungsstand und einem leistungsfähigen^ exportabhängigen Indust­ rie- und Gewerbesektor sowie einem hoch­ entwickelten Finanzdienstleistungssektor. Ihre Souveränität wird zunehmend in dem Masse reduziert werden, in dem die Euro­ päische Union sich auf dem Gebiet der Rechtssetzung und in der Gestaltung ihrer einheitlichen ^Utik{-foitei^i^^^ip%'-' mitglieder der Europäischen Union müssen' faktisch die Entwicklungen der Union nach­ vollziehen, ohne 
eine gleichberechtigte MiN Wirkung an den einschlägigen Entschei- dungsprozessen zu haben. Darin liegt letzt­ lich ein Souveränitätsverlust. , ...die Schweiz und EU Die Schweiz nähert sich Europa über den sog. autonomen Nachvollzug'und die bilate­ ralen Verträge an. Die Bilateralen I enthiel­ ten sieben Abkommen: Personenfreizügig­ keit, Luftverkehr, Landverkehr, Landwirt­ schaft, Beschaffungswesen, Forschung, Ab­ bau teilweiser Handelshemmnisse. Diese Abkommen haben allen Parteien Überwie­ gend Vorteile gebracht. Über die Bilateralen II wird verhandelt. Das Freizügigkeitsab­ kommen, das die Schweiz 1999 abgeschlos­ sen hat, wird auf die neuen EU-Mitglied­ staaten ausgedehnt werden müssen. In den Verhandlungen der Schweiz mit der Euro­ päischen Kommission wird es zu annehm­ baren Lösungen kommen. Andererseits gibt es nicht Übersehbare Vorbehalte gegen die Es ist nicht sicher, dass ein allfälliger Volks­ entscheid erfolgreich sein-wird. Scheitert das Referendum, hätte dies aufgrund der sog. Guillotinen-Klausel das Ausserkrafttre- ten aller bilateralen Abkommen von 1999 zur Folge, Weir 
diese nämlich unauflöslich miteinander verbunden sind.' • Wir haben andere Emotionen verdient als unverhohlene Häme, mit der man sich an Deutschland als dem kranken Mann Europas freut. Es geht mir darum, das Bild Deutsch­ lands zurecht zu rücken. Es besteht kein Grund, übermütig, gar euphorisch zü wer­ den. Wir sind eben nicht nur Stork, 
sondern haben auch grosse Probleme." Die Deutschen reagieren höchst eigenartig lauf unterschied­ liche Konjunkturentwicklungen.' C5e)it es uns mal richtig gut, sehen wir immernoch düste­ re Wolken. Aber wenn uns das Wasser Ober­ kante Unterlippe steht, dann geht ein. Ruck durch uns und wir lösen die Probleme mit , grosser Entschlossenheit. Und wir haben das Tal der Tränen durchschritten. Der Auf­ schwung in Deutschland hat begonnen, (kp) 
Kompatibles Europa Der deutsche Botschafter fordert zur Einheit Europas auf VADUZ - Deutschland befürwor­ tet den Beitritt der Schweiz und Liechtensteins zur EU, erklärte der deutsche Botschafter Frank Eibe in einem Vortrag zur Si- cherheit Europas. • Kornelia Ptelffer Sich der grossen Verantwortung zu stellen und umzudenken/forderte Frank Elbe am Mittwochabend im Vaduzer Saal auf. Nie zuvor konnte eine Generation die Menschheit als Ganzes töten, erinnerte er an das heute denkbare Zerstörungspoten­ zial. Elbe ist seit Juli 2003 deut­ scher Botschafter für die Schweiz und Liechtenstein. Aussenminister Ernst Walch hatte ihn eingeladen, über die «Herausforderungen an Europa 2004» zu sprechen. Die eu­ ropäische Einheit sei ein wirksa­ mes Instrument für mehr Sicherheit in Europa, gab sich der deutsche Botschafter überzeugt. Sie gelte es auszubauen, um den internationa­ len Terrorismus, das organisierte Verbrechen, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, die Missachtung von Menschenrech­ ten, wirtschaftliche und soziale Un­ gleichheiten zu bekämpfen. Investition in die Sicherheit Die EU-Osterweiterung sei der bislang «weitreichendste Entwick­ lungssprung in der Geschichte der EU». Der Ausgleich des wirtschaft­ lichen und sozialen Gefälles zwi­ schen Ost und West sei «eine Inves­ tition in die Sicherheit Europas». Beim Weltwirtschaftsforum in Da- vos hätten sich 69 der Wirtschafts­ führer zuversichtlich gezeigt, dass die Erweiterung die wirtschaftliche 
Liechtensteins Aussenminister Ernst Walch hless Botschafter Frank Elbe herzlich willkommen. Frank Elbe meinte in Vaduz unter Anderem Partnerschaft zwischen EU und USA ist ein wichtiges politisches 6ut. und politische Stellung Europas stärken werde. Deutschland wün­ sche, dass auch die Schweiz und Liechtenstein der EU beitreten, lockte und warnte Frank Elbe. Eine «feindliche Übernahme» plane die EU nicht, allerdings müssten die Nicht-Mitglieder «kompatibel» bleiben: «Nicht-Mitglieder der Eu­ ropäischen Union müssen faktisch die Entwicklung der Union nach­ vollziehen, ohne eine gleich be­ rechtigte Mitwirkung an den Ent-scheidungsprozessen 
zu haben.» Transatiantische Partnerschaft Den Schritt Liechtensteins, dem EWR beizutreten, nannte Frank El­ be «eine weise Entscheidung». Die Schweiz hatte er am Samstag in ei­ nem Interview in der Schweizer Ta­ geszeitung « Der Bund» zu einer offenen Diskussion über den EU- Beitritt der Schweiz aufgefordert. Deutschland leiste für die Sicher­ heit Europas mit dem wirtschaft­lichen 
Aufbau Ost einen besonde­ ren Beitrag, rückte der Botschafter das Bild von «Deutschland als dem kranken Mann in Europa» zurecht. Elbe sprach sich für den globalen Dialog mit dem Islam aus und be­ zeichnete die transatlantische Part­ nerschaft als «eines der wichtigen politischen Güter der Gegenwart». Die Konsultationsmechanismcn zwischen Europa und den USA gel­ te es angestrengt auszubauen und zu verstärken. Deutscher Botschafter Frank Elbe: Deutschland ist eher wohlwollend VADUZ - «Unsere Sprache ist freundlicher und leidenschafts­ loser als die der NZZ», kommen­ tiert Frank Elbe, deutscher Bot­ schafter in Bern, die zurzeit harte Linie der EU gegenüber der Schweiz. »Knmella Pfeiffe r Volksblatt: Herr Botschafter El­ be, wenn Sie in Ihrem Vortrag mit Hamlet sagen, «die Zelt ist aus den Fugen», wie sieht es mit dem Verhältnis Deutschland - Liechtenstein aus? Frank Elbe: Wenn man die Dinge so sieht wie ich - und das tun alle Verantwortlichen - kann man den Liechtensteinern den Respekt nicht versagen, den sie sich mit den Leis­ tungen der gewerblichen Wirtschaft erworben haben. Liechtenstein hat Sich zu einem kleinen Wirtschafts­ riesen entwickelt und erhält inter­ nationale Beachtung. Es hat in den letzten Jahren auch Anstrengungen unternommen, um dem Image entgegenzuwirken, dass mit dem Finanzplatz zusammen­ hängt. Die Anstrengungen der Re­ gierung verdienen Anerkennung. Europa ist das Ergebnis von Kompromissen, haben Sie in Ih­ rem Vortrag betont. Wie bewer­ ten Sie den Druck, den der deut­ sche Finanzminlster fordert, da­ mit die Schweiz das Zinsbesteue­ rungsabkommen unabhängig vom Schengen-Abkommen unterschreibt. Die NZZ hat die Haltung der EU als «imperiales 
Gehabe» bezeichnet. Es gibt keine Tradition innerhalb der Europäischen Kommission, sich «imperial» zu bewegen. Ich finde die Bezeichnung für den Vor­ gang nicht angemessen und will in Erinnerung rufen, dass das Zinsbe­ steuerungsabkommen ein Ent­ gegenkommen an die Schweiz ist. Die ursprüngliche Position der EU- Kommission war eine allgemeine Meldepflicht. Deutschland hat nicht unerheblichen Anteil am Zu­ standekommen dieses Kompromis­ ses. Diese Genesis der Vertragsver­ handlungen zeigt, dass wir uns eher von Wohlwollen leiten lassen. Un­ sere Sprache ist freundlicher und leidenschaftsloser als die der NZZ. Für die Schweiz geht es immer­ hin um das Bankgeheimnis... ... Was hat denn das Bankge­ heimnis mit Europa zu tun? Artikel 51 betrifft die Voraussetzungen, un­ ter denen ein Rechtshilfeverkehr stattfindet. Wir kommen in eine ganz gefährliche Verwirrung der Begriffe. Uns wird eingeredet, dass das Bankgeheimnis etwas sei, mit dem die Schweiz sich vom Rest der Welt unterscheidet. Alle europäi­ schen Staaten haben ein hoch ent­ wickeltes Persönlichkeitsrecht, ei­ ne hoch entwickelte Datenschutz­ gesetzgebung und ein Bankgeheim­ nis. Es gibt keinen Unterschied zwischen dem Schweizer und dem deutschen Bankgeheimnis. In ei­ nem Strafverfahren hat nämlich auch das Schweizer Bankgeheim­ nis keinerlei Bestand. Wenn man ermitteln will gegen einen Ring 
Frank Elbe: «Es gibt keinen Unterschied zwischen dem dem deutschen Bankgeheimnis.» von Kinderpomographen, dann wä­ re es ein Verstoss gegen die allge­ meine Sittlichkeit und das Recht­ sempfinden zu sagen: Hier können wir an die Konten nicht heran;— Wo liegt dann das Problem? Es geht hier nicht um das Bank­ geheimnis, sondern um die Unter­ scheidung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Und man trägt das Bankgeheimnis wie eine Ikone vor sich her, um davon abzu­ lenken, dass es einen Unterschied zwischen Steuerbetrug und Steuer­hinterziehung 
gibt. Es geht bei Ar­ tikel 51 des Abkommens von Schengen über den Rechtshilfever­ kehr darum, ob Übertretungen -rechtshilfefähig sind oder nicht. Die Schweiz ist sehr korrekt im Rechtshilfeverkehr. Sie leistet Rechtshilfe bei allen Vergehen, die nicht auf Steuerhinterziehung fus- sen. Ich bin etwas besorgt, dass man eine Verwirrung der Begriffe einführt in Verhandlungen, die im Grunde mit der Zukunft Europas zu tun haben. Wir müssen den Begriff Bankgeheimnis entmystifizieren. W;.
	        

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