Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

DIENSTAG, 30. NOVEMBER 2004 
BLi frl KULTUR INTERVIEW ZU «MENSCH IV1ARXER» FILMPREIS 
24 FI LM PREIS Iraner gewinnt «Goldenen Alexander» in Thessaloniki THESSALONIKI - Der 32-jährige irani­ sche Regisseur Mohsen Amiryousefi hat mit seinem 
Film «Bitterer Traum» (Khab e Talkh) am Sonntag den ersten Preis des 45. internationalen Filmfestivals der nordgrie­ chischen Hafenstadt Thessaloniki gewonnen. Der Preis «Goldener Alexander» ist mit 37 000 Euro (rund 55 500 Franken) dotiert. Wie das griechische Radio am Montagmor­ gen weiter berichtete, teilten sich die Russin Marina 
Razbezhkina und der Argentinier Alejo Taube gemeinsam den zweiten Preis, den «Silbernen Alexander» (22 000 Euro), für ihre Filme «The Harvest Time» und «Una de Dos». Thessaloniki ist das grösste und wichtigste Filmfestival Griechenlands. Ausserdem gilt es als eine der wichtigsten Veranstaltungen für Nachwuchsfilmer in Europa. (sda) 
Produzent und Rezipient Bildhauer Hugo Marxer im Gespräch «De blau Pffyl» bringt vorweihnachtliche Spannung SCHAAN - Der Kinderfilmclub zeigt inter­ nationale Trickfllmproduktion in Mundart. Am Samstag, 4., und Sonntag, 5. Dezember, 16 Uhr, lädt das TaKinderkino in Zusammen­ arbeit mit dem Filmclub Frohsinn wieder ins TaKino ein. Die Samstagsvorstellung ist ex­ klusiv für Kinder reserviert, am Sonntag dür­ fen auch Erwachsene den Film  seh en. Spannendes Trickfilmabenteuer "In Italien bringen weder das Christkind noch der Weihnachtsmann den Kindern die Geschenke. Pünktlich am Dreikönigstag sorgt die alte Hexe Befana für strahlende Ge­ sichter. Aber in diesem Jahr ist alles anders: Befana ist krank geworden und der schurki­ sche Doktor Scarafoni sieht eine Chance, so richtig Geld zu machen mit den Spielsachen. Die wollen natürlich viel lieber zu den Kin­ dern. Schon sind sie auf der Flucht in das grosse Abenteuer der langen, dunklen Nacht. Und 
der kleine Francesco, der sich nichts sehnlicher wünscht als die wunderschöne Modelleisenbahn «De blau Pfyl», wird zum grossen Helden. Mehr als 100000 Zeichnungen und 900 Dekors stellte das Team um Regisseur und Drehbuchautor Enzo D'Alö her. Das Ergeb­ nis rechtfertigt den Aufwand: Ein wunderba­ res Kinovergnügen filr grosse und kleine Kin­ der, liebevoll gezeichnet und effektvoll mit modernster Computertechnik animiert. Den Soundtrack schrieb kein Geringerer als Paolo Conte, der italienische Cantautore. «De blau Pfyl» ist in dieser Spielzeit der vierte Film des TaKinderkinos, in dem der Kinderfilmclub seit zehn Jahren für ein span- nendesmncLabwechslungsreiches Angebot 
al­ tersgerechter Filme sorgt. Das Kinderfilm- club-Abo sorgt für Filmspass zum Taschen- geldpreis: Mitglieder zahlen fUr alle neun Fil­ me 30 Franken. Das Abo gibt es an der Kas­ se des TaKinderkinos und beim TaK-Vorver­ kauf, Die Kasse des Kinderfilmclubs öffnet eine halbe Stunde vor dem Beginn des Pro­ gramms. (TaK) 
VADUZ - Der 1949 geborene Bildhauer Hugo Marxer steht im Mittelpunkt des Dokfilms «Mensch Marxen», der heute um 18 Uhr im Rahmen der Marxer- Ausstellung «toccara - non toc- care» im Kunstraum Engländer­ bau erstmals vorgeführt wird. Das Volksblatt sprach kurc vor der Vernissage mit dem Künst­ ler und mit Jens Dittmar, Kura­ tor der Ausstellung. • Arno Löftier Volksblatt: Was ist das Konzept der Ausstellung? Jens Dittmar: Das Grundkon­ zept besteht darin, die Produzen­ tenseite und die Rezipientenseite, den Schaffensprozess und den Be- trachtungsprozess, sichtbar zu ma­ chen. Ein Teil des Raums wird ab­ gegrenzt, und dort wird eine Carra- ra-Marmorwerkstatt simuliert. Es gibt einen Arbeitsplatz, an dem Hu­ go Marxer aber nie richtig arbeiten wird, mit Marmorabfällen, Roh­ stoff, dem Werkzeug, Regalen, wo Halbfertigprodukte aufgereiht sind 
Hugo Marxer: «Die Faszination des Carrara-Marmors ist nach wie vor ungebrochen, denn seine Qualität wird, feinkristallin wie er ist, weltweit von keinen anderen Steinen erreicht.» ~~KUNSTRAUM" Engländerbau 9490 Vaduz  www.kunstraum.li und Skizzen herumliegen oder Ähnliches, so wie es in einer Werk­ statt in Carrara oder auch in Eschen aussieht. Es soll kein Faksimile, kein Disneyland sein. Es soll nicht so.aussehen, als komme Hugo je­ den Moment herein und fange an zu spitzen. Es soll ein gewisser Ver­ fremdungseffekt dabei sein. Es wird ein simulacrum erzeugt, keine echte Werkstatt. Das ist der Tocca- re-Bereich. Dann verlässt das Werk den Bereich und kommt in den Non-toccare-Bereich, wo die' 
JOb- jekte museal aufgestellt werden. Es geht um den Doppelaspekt des Kunstwerks: Produzentensei- te/Rezipientenseite. Hugo Marxer: Im vorderen Be­ reich, wo wenige Skulpturen muse­ al präsentiert sind, sind diese auch meinem Zugriff als Bildhauer ent­ zogen. Volksblatt: Wann ist für Sie ein Objekt abgeschlossen? Hugo Marxer: Wenn z. B. eine Hochglanzpolitur drauf ist und kein weiterer Eingriff für mehr denkbar ist, 
sage ich: O.k., in diesem Sta­ dium lasse ich diese Form stehen, ich fasse sie nicht mehr an. Die an­ deren Sachen, die roh sind, halbfer­ tig, kann ich nochmal in die Hand nehmen und Eingriffe machen. Volksblatt: Warum sagen Sie, Ihre Art zu arbeiten sei nur in Carrara möglich? Hugo Marxer: Ich habe in Eschen auch eine kleine Werkstatt, wo ich bis zu einem Meter Grösse arbeiten kann. In Italien habe ich ganz andere Voraussetzungen, mit der Infrastruk­ tur jener Werkstatt. Carrara ist eine dreckige, staubige Industriestadt, die nur mit Marmor zu tun hat. Dort stö­ re ich keinen Menschen, wenn es staubt. Alles ist schneeweiss, ob ich eine Salami kaufen gehe oder sonst wohin. Carrara der Anläüfpunkt, der mich nach wie vor fasziniert und für mich richtig ist. Volksblatt: Bei Carrara denkt man an Kathedralen, das Endprodukt, und stellt es sich dort ganz heilig vor... 
Hugo Marxer: Carrara hat schon etwas Heiliges. Wenn man sieht, welche Kollegen und Kolle­ ginnen vor mir Carrara als Bildhau­ er frequentiert haben: Arp, Moore usw.! Die Faszination des Carrara- Marmors ist nach wie vor ungebro­ chen, denn seine Qualität wird, feinkristallin wie er ist, weltweit von keinen anderen Steinen er­ reicht. Volksblatt: Müssten die Vorräte nicht bald erschöpft sein? Hugo Marxer: Nein. Das ist ein Riesenvorkommen, ein Gebirgszug von Sarzana hinab Richtung Pie- trasanta von 36 km Länge. Es wur­ de festgestellt, dass, wenn der jähr­ liche Abbau in Carrara in der jetzi­ gen Grössenordnung von I 000 (KK) t nicht gesteigert wird, das Vorkom­ men noch 800 Jahre reicht. Volksblatt: Sie nennen ihre Ar­ beiten «Carrara-Marmor» und versehen sie mit einer Serien­ nummer. Wie eng ist Ihr Bezug zu Carrara? Hugo Marxer: Sehr eng. Ich ha­ be meine ersten Gehversuche 1975 im Burgenland gemacht, mit Sand­ stein. Das Material war mir zu weich. Als ich das erste Werkjahr bekam, das Liechtenstein vergab, ging ich 1987 nach Carrara und Jiess mich dort zum Steinbildhauer ausbilden. Ich bin Halbitaliener, spreche Italienisch und habe einen engen Bezug zu Italien. Die Italie­ ner akzeptierten mich sofort, erst recht als sie meine Arbeiten sahen. Ich habe in den letzten 15 Jahren in Italien mehr öffentliche Grossauf­ träge ausgeführt als in Liechten­ stein. Ich bin dort unten etabliert. In Carrara arbeiten vom Frühling bis in den Herbst ungefähr 2000 aus­ ländische Bildhauer. In unserer Werkstatt sind wir zwölf Bildhauer aus zwölf Nationen. Dort passiert natürlich etwas: Auseinanderset­ zung und Kritik., Diese Ausein­ andersetzung hätte ich bei uns nicht. Wenn ich in Liechtenstein, in meinem Büdile, allein arbeiten würde, wäre ich in zwei Jahren in einer Sackgasse. Dort unten werde ich jeden Tag neu gefordert, was mir und meinen Arbeiten gut tut. Volksblatt: Wie gelangen Sie von der Idee zur Skulptur? Hugo Marxer: Im Vorfeld pas­ siert sehr viel Denkarbeit, dann kommt eine lange Phase des Zeich- nervj^Die Zeichnung ist für mich dabei eine eigenständige bildneri­ sche Disziplin. Die Skulptur wird rundum durchgezeichnet und mo­ delliert. Von 50, 60 Zeichnungen 
sind vielleicht zwei, die ich im Mo­ dell probiere der kreative Akt, in dem Hugo Marxer Künstler ist. In Eschen nehmen meine Ideen erst­ mals Plastizität an. Mit dem Modell reise ich" nach Carrara. Der Weg übers Modell ist für mich Absiche­ rung. Ich bin damit auf der sicheren Seite, nicht dass man in drei Mona­ ten merkt: Mensch, hinten fehlen mir 20 cm Material! Das wenigste, was ich modelliert habe, wird um­ gesetzt. aus wirtschaftlichen Grün­ den. Jens Dittinar: Was kostet so ein Block'.' Hugo Marxer: Das variiert zwi­ schen 400 und 12 000 Franken pro Tonne. Wenn ich in Statuario - Mi­ chelangelos Pietä usw. - eine Skulptur machen würde mit 3 m Höhe, wären das 36 000 Franken. So günstig ist es nur in Carrara. Das ist ein Grund, warum ich dort arbeite. Der zweite Grund ist. dass dort die Bildhauersaison viel länger ist als hier: Im Frühling ein Monat mehr und im Herbst ein Monat mehr. Dazu kommt: Ich arbeite in Carrara an vorderster Front. Nach Carrara kommen Galeristen, die von Atelier zu Atelier gehen. In Carrara werde ich als Bildhauer aufgesucht, nicht aber in Eschen. Ausserdem arbeite ich in Carrara in der EU und kann sämtliche Aus­ stellungen ohne Zoll beschicken. Volksblatt: Wie würden Sie defi­ nieren, was Sie machen? Wie fin­ den Sie Ihre Formen? Hugo Marxer: Was ich mache, ist ganz klar klassische Moderne. Das hat nichts mit .Postmoderne zu tun. Jens Dittmar: Es gibt Konstan­ ten: Sie sind immer wieder beim Zirkulären, beim Kreis. Hugo Marxer: In verschiedenen Varianten. Der Kreis kann fast Quadratur annehmen, ist aber im­ mer abgeschlossen. Ich bin ein klassischer Bildhauer, der mit dem Zirkel das Modell ausmisst, wie in der Renaissance. In meinen Sachen liegt keine Provokation. Heute muss man schnell etwas in den Raum stellen, und dann kann man darüber diskutieren. Ich habe nicht umsonst den Stein als Material ge­ wählt. Ich brauche den Widerstand, der mich 
bremst, monatelang, bis ich dem Stein die Form abgerungen habe, die ich will. Ich enwickle Formen, die mir in den Sinn kom­ men, die ich irgendwo sehe. Das kann irgendeine Schattenwirkung sein, die zeichne ich auf, und um die Linie fange ich an, Masse und Formen zu entwickeln. Und irgend­ wann will ich das realisieren; 
-Jens 
Dittmar: Der Avantgarde würden Sie sich nicht zurechnen? Hugo Marxer: Absolut nicht. Jens Dittmar: Mit der Postmoder- nc assoziiert man eine gewisse Be­ liebigkeit. Das Material zwingt Sie zu einer funktionalistischen Stren- ge. Hugo Marxer: Richtig. Ich habe bei einer Einladung zu einer Aus­ stellung in Zürich geschrieben, dass ich das Material Stein bewusst der Schnelllebigkeit der heutigen Zeit entgegenstelle. Volksblatt: Hängt das Zirkuläre mit Ihrem Zeitbegriff zusam­ men? Hugo Marxer: Die Zeit vergeht nicht. Die Well war lange vor uns schon da und wird lange nach uns noch stehen. Ich belasse'mich mit einem Teil Ewigkeit. Ich habe Stei­ ne hier, die 160, 190 Millionen Jah­ re alt sind. Davon nehme ich ein Stückchen und gebe dem die Form, die mich persönlich freuen würde, in Stein zu realisieren. Ich hole aus der lange vergangenen Zeit etwas her. kratze ein bisschen dran he­ rum, lasse es stehen, vergesse es wieder und gehe zum nächsten Stück. Volksblatt: Gleichzeitig wird et­ was zerstört: das Gebirge. Hugo Marxer: Richtig. Ich ma­ che mit an dem riesigen Eingriff in Carrara. Ich fühle mich aber nicht schuldig, vielleicht mitschuldig, dass dort sehr markante Umwelt- zerstiirungen stattfinden. Aber ich mache etwas Neues draus. Einen Teil schlage ich natürlich zu Schutt. Volksblatt: Gehen Sie auch wie Michelangelo in einen Stein­ bruch und sagen: Den Stein will ich haben? Hugo Marxer: Ja. Man sieht in Daniel Schierschers Film, wie ich in einem Steinbruch gerade ein Stück neu angezeichnet habe, das für mich herausgesägt wird. FILMPREMIERE Heute um 18 Uhr wird im Rah­ menprogramm von «toccare - non toccare» der Film «Mensch Marxer» von Daniel Schier­ scher uraufgeführt. Der Eintritt ist frei. Die weiteren Veranstaltungen im Rahmenprogramm: 7. 12.: Nikolauslesung ,und Buchpräsentation von «Winter in Liechtenstein Band 2» 14. 12: Bildhauerei heute 6. 1.: Finissage.
	        

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