Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

VORARLBERGER KULTURHAUSER 
Kunsthaus 
Bregenz KlUle 18. September bis 7. November 2004 vv t.-. s , 
lr-!? vi ;. 
:j 
i-l --v'vH 
 : 
S r-i 
jV® n£/T 
;A ^ i tv. f' V! P'!™ Li ß ..-fr' Dfe Ausstellung im Kunsthaus Bregenz ist die erste umfangreiche Präsentation von Thomas Demand in Österreich. Zudem ist es die bislang umfassendste Schau von Schlüsselwerken seines Schaffens. Herr Demand, Sie haben zur Vorbereitung Ihrer Aus­ stellung schon mehrfach das Kunsthaus Bregenz besucht. Welchen Eindruck hat das Gebäude auf Sie gemacht? i Zunächst oihmal ist das Kunsthaus Brogonz ein wirklich einzigartiger Ort für Kunst und wosentlich vielseitiger, als man zu Boginn annehmen mag. Ich glaube, der Parcours, auf den der Architekt uns zwingond führt, ist woniger oino Einschränkung als violmohr oin Gewinn an tosten Voraussetzungen, g|oich olnor Fuge, doron strenger lormalor Autbau ja don Roiz ausmacht. Was haben Sie speziell für Ihre Ausstellung im Kunsthaus geplant?i Wir beginnen mit einem vor­ übergehenden Motiv, einem Vorhang, der wie zu Bo­ ginn oinor Autführung einen Raum einschließen wird, in dem dann, sobald dioso Bühne sozusagen aufge­ baut ist, oin Film aufgeführt wird, in dem tatsächlich oino Vorstellung staltfindot. Im orston Stock werden wir dann die Schwero der Architektur mit dieser selbst aufzuhobon versuchen - oin fast paradoxes Unternehmen, das aber durchaus prominente Vor­ gänger hat. Ich sprocho hier von schwobonden Wän- don, wio sio Mies van dor Rohe in don Architoktur- kanon eingeführt hat. Es gibt da dioso Collage, bei der er in oino riosonhafto Hallo, einon Flugzoughan- gar, oin Bild von Kloo montierte, frei schwebend und in monumontalor Größe (abweichend vom originalen Kloo-Gemälde, das etwas über 30 cm Broito aufwies). Auch wir worden im Kunsthaus Brogonz dio Wände bonutzon: Sio tragon monumentale Tapeten, Eine davon wird sich direkt mit dem formalen Diktat des Raumos auseinander setzen: eino ondloso Fassado, dio auf olnon Entwurf (von K. H. Adlor) für Zomont- schmuckstoino in dor DDR zurückgeht, dio dort über­ all öffentliche Plätzo und Gobäudo schmückten. Dor 3. 
und der4. Stock schließlich worden gänzlich mei- non Fotos gowidmot soln. In der KUB-Arena zeigen Sio den erst kürzlich fertig gestellten 35-mm-Fllm »Trlck«,den Sie mit einem Vorhang inszenieren. Wovon handelt der Film, und weshalb die Inszenierung mit einem 
Vorhang? | Dio grundlegende Idoo war zunächst, dio existierenden Vorhängo zu »entführen«. Ich wollte den Raum nicht vorstollon, und ich wollte koino Missverständnlsso aufkommen lassen, indem ich don Blick auf das Kommende In Irgendeiner Woiso mit oinom skulptu- ronhafton Etwas vorstellte. Zudem erfüllt das Erdge- schoss vielerlei Funktionen, und meine Assoziations- kotto begann mit dor Erinnerung an eine Gaststätte, in dio man durch oinon Filzvorhang vom winterlichen Draußon in oin warmos Inneres tritt, und setzte sich über das Cafä »Samt und Soido« von Lilly Reich bis zum Kino im Rockefeller Center in New York fort, in dorn durch dio Platzanweiser hinter dem Publikum ein Vorhang goschlosson wird, um dio Vorstellung erst zu ermöglichen - das Kino ist von Glasfonstorn umge­ ben, und das Tageslicht wird auf dioso Woiso ausgor blondet. Natürlich stellt dor Vorhang oinon Akt dor Abgrenzung vom Außen dar, aber keinen 
unüberwind- baron, nur einon temporären. Die Installation fungiert also wie ein Scharnier zwischen dorn Wirklichen und dem Vorgestellton. Der Titel Ihrer 
Show Ist »Phototrophy«. Wio 
ist der Titol zu verstehen? | Zunächst könnto man don Titel für einon Druckfehlor, haiton und meinen, es sei •Photography« gemeint - dem flüchtigen Lesor fällt das vielleicht gar nicht auf. Tatsächlich bezeichnet »phototroph« die Energiegewinnung aus Licht von Einzellern wie Plankton. Darüber hinaus hat sich bei Jägern im onglischsprachigon Raum eingebürgert, nach Erschöpfung Ihrer Abschussquote als Ersatz Fotos dor möglichen Beute zu schioßon. Nachdem der Ausstollungstltol bereits feststand, tauchte dor Begriff dann im Zusammenhang mit don Folterungen Im Gefängnis Abu Ghraib In don Medion auf. Es han­ delt sich also um don Beweis für oin Ereignis, bei dem dor Fotograf anwosond war - oino Form angewandter Tautologie. Ihre Fotografien und Filme sind insofern sehr unge­ wöhnlich, als diesen verschiedene Realitätsobonen zugrunde liegen. Fürsich genommon 
wirken sie ganz undramatisch, verbergen aber oft eine tragi­ sche Geschichte, w|e zum Beispiel don tödlichen Unfall von Lady Diana. Zunächst gibt es die Realität, den nackten Tatbestand, wie etwa Uwe Barschel, der tot In einer Badewanne aufgefunden wurde. 
Dann das Foto davon auf der »Spiegel«-Titelseite. Von diesem Foto gibt es ein von Ihnen im Maßstab 1:1 gebautes Papiermodell, also einen rekonstru­ ierten Raum, jedoch ohne Barschel und jegliche Details. Was wir dann am Ende sehen, ist ein Foto von dieser räumlichen Rekonstruktion. In gewisser Weise entfernen sie sich immer weitervon dem, was das in den Medien abgedruckte Foto gezeigt hat bzw. was passiert ist. Weshalb? | Ich woiß nicht mehr als jeder andere Konsument von Fotografien und anderen Bildern, dio in Massenmedien auftau­ chen. Was ich aber auch weiß, ist, dass alle anderen über das gleiche Wisson vorfügen, und das ist durch­ aus ungewöhnlich. Oonn wioso kann ich nach Ottawa reison und joden dort nach dem Aussehen eines be­ stimmten Ortes in Paris befragen? Was machen wir mit diesen Informationen? Und inwieweit bestimmen diese Informationen zunohmond unser Bewusstsein von der Welt, ihren Wortmodellon und unsorem Standpunkt in dieser? Anders gesagt: Ein Maler dos 18. Jahrhundorts ging nach draußen, um eine Zeich­ nung eines Baums anzufertigen, oinos Baums in der Landschaff, und schon das war damals Im Vergleich zu frühoren Kunstäuffassungen eino unerhörte Sache. Ich flndo meine »Landschafton« in den Repräsenta­ tionen dieser Landschaften in dafür geschaffenen Modien wio dieser 
Zeltung, und ich glaube damit oin rocht gutes Bild der Wirklichkeit zu erhalten. Polo­ misch könnte man sagen, dass wir nunmehr mit Sicherheit an dem Punkt angelangt sind, an dem mehr Abbildungen der Welt existieren als Wolt an sich. Bildproduktion ist so ungestaltet wie Licht aus Glühbirnen. VI" ..'S.-::-!', 1: • -JCTS, w.V-'>; 
 : V :: • , f. i', • cti; > 
{•!:!:] nu 
i . i »h • • Thomas Demand In der Ausstellung sind auch ganz neue Arbeiten zu sehen, wio zum Beispiel »Küche/Kitchen« und »Gate«. Was waron hier die Vorlagen? | »Küche/ Kitchen« bezieht sich auf die Berichterstattung über Saddams Versteck im Irak, das Haus, In dem er lobte, wenn er sich nicht vor seinen Häschern in dem so­ genannten Erdloch vorbarg - »DevIPs Kitchen« sozu­ sagen. »Gate« wiederum geht von den Vidooaufnah- men aus, auf denen die Piloten des Anschlags auf das World Trade Center bei der Kontrolle ihres Gepäcks zu sehen sind. Beides im Übrigen koinoswogs Bild­ quellen professionellen Ursprungs: zum einen der fotografiorende Soldat und seine »Phototrophy«, zum anderen eine banale Überwachungskamera. 
Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Motive aus? Gibt es auch historisch »glückliche« Momente oder ganz alltägliche Vorlagen? i Gewiss, »Torrasse« zoigt zum Beispiel oin Sommorfest auf der Terrasse meines Elternhauses, aufgenommen von einem Nachbarn, der dort Gast war. Ich versuche einen Bildgegonstand zu konstruieren, in joder Hinsicht. So begreife ich auch don Kontext dieses Bildes als Mate­ rial, für das ich oine Form zu finden vorsucho. Zum Beispiel »Rasen«: Da geht os nur um Arbeit, um oin Übermaß an Detail, das dann allordings ins völlig Triviale zurückschwingt -einom Stück Rasen nämlich, nur oben von Hand geschnltton. Ich betroibo keines-. wegs ausschließlich Modionkritik. Ganz unabhängig von der Geschichto beschäftigen sich Ihre Fotos ja auch immer mit dem Raum, mit Architektur und mit der Form ganz allgemein. Ver­ stehen Sie sich auch als Bildhauer oder Architekt, selbst wenn Sie Ihre aus Papier gebauten Architek­ turen am Ende wieder zerstören? | Das Ganze Ist oin Vorgang der Üborsotzung in oin andores Medium - und der Rücküborsotzung in das ursprüngliche Medium. Was auch Immor auf diosem Weg passiert, sotzt Bedeutungen frei, dio mir von den anekdotischon Aspokton der Ausgangsmatorialien verdeckt scheinen. Insofern verstehe ich meine Arbeit als eine großteils bildhauorische Arboit. Denn dioso Räumo, dio von Erinnerungen besetzt sind, von Vermutungen, aber auch unter visueller Erschöpfung leiden - diese Räume erschaffe Ich noch einmal. Dachten Sie schon mal, so, jotzt mache ich das in einem beständigen Material und das bleibt dann als Konstruktion bestehen, als begehbares Objekt? Würde man Sie damit beauftragen, den »Simulator« als AuBenskulptur fürdie Federal Plaza in New York zu bauen, würden Sie ablehnen? | Klar. Ost Interview führte Birgit Albors. Kunsthaua Brogonz ' v -.1 I Oi) < J i) 
* i; ir; \ ~i \ Q 
t 03 E a> Q (0 n E o "D LU Thomas Demand -Phototrophy-, Euihlungvon Julia Franck, Essay von Ralph Rugoff. Deutsch/ englisch, 126 Selten, 60 Farbabbildungen, 
Autnahmen dar Installation Im Kunsthaus Bregenz auf acht Selten,. Hardcover, 31 x 37 cm, Preis: 49,80 Euro. Herausgeben von Eckhard Schneider, ' ericheint Im Schlrmer/Mosel Vorlag, Okt. 2004. 
Thomas Demand •Flve Oratts (Simulator)-, 2004, fünf digitale Pigment« drucke auf Bütten, limitierte Auflage von 60 Stück, nummerlert und signiert, 36,5 i30cm pro Bild. 
Subskriptionspreis während der Aus« Stellung im KUB 2.500.-Euro (Inkl. 10% MwSt.) zzgl. Veriandkosten, Verkaufspreis nach der Ausstellung 3.000,- Euro (Inkl. 10% MwSt.) txgl. Versandkosten. 
ia{09j-07i)i<roo*i Thomas Demand Phototrophy Kunsthaus Bregenz Karl-Tizian-Platz A-6900 Bregenz Tolefon (+43-5574) 4 B5 94-0 Fax (+43-55 74) 4 85 94-8 kub@kunsthaus-bregenz.at www.kunsthaus-bregenz.at Öffnungszeiten Dl-So 10-18 Uhr Do 10-21 Uhr Mit freundlicher Unterstützung von Hypo Landesbank Haussponsor des 
Kunslhaus Bregenz MONTFORT 
ANWERBUNG Sponsor der KUÜ/lreiu DMQ Sponsor der KUB/Vorui •iUE OTHlM \NV0i   üv. SlC&tT Jenny Holzer •TRUTHBEFORE POWER-, 2004, Set von vier Projektloniblldern, Pigmentdruck, limitierte AuflaQ*. von 60 StOck, nummerterl und signiert, 40x SO cm pro Bild. 
U O N 0 1 . c o c c. •o o LU T Subskriptionspreis wAhrend der Ausstet« lung von Thomas Demand Im KUB 1.200.- Euro (inkl. 10% MwSt.) zzgl. Versandkosten, . Verkaufspreis nach der Ausstellung 1.500,- Euro (Inkl. 10% MwSt.) zzgl. Versandkosten.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.