Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

FREITAG, 13. AUGUST 2004 VOLKSI 
CDHDT OLYMPIA WIRD ERÖFFNET BLATTI 
örV/n IDIE GEISSMANN-ANALYSE 
15 OLYMPIA-SPLITTER «Olympische Knast-Spiele» Eine russische Strafkolonie wird zum «olympischen Dorf». Das Lager in der Sied­ lung Nadwoizi in Kardien ist vom 27. bis 30. August Austragungsort der ersten «Olympischen Spiele» für Strafgefangene. Mannschaften aus vier Strafkolonien ermit­ teln im Fussball, Volleyball, Tischtennis und in verschiedenen Kraftsportdisziplinen ihre «Olympiasieger». , (si) Edwards bleibt im US-Team Die des Dopings überführte Sprint-Welt- meisterin Torri Edwards gehört bis zur Klä­ rung ihres Einspruchs beim internationalen Sportgerichtshof (CAS) dem Olympia-Team der USA an. Der CAS muss seine Entschei­ dung über Edwards zweijührige Sperre bis 48 Stunden vor Beginn der Lcichtathletik- wettbewerbe am 20. August fallen. (si) Fünf Journalisten festgenommen Ein britischer und vier chinesische Journalisten sind gestern festgenommen worden. Während das chinesische Fernseh­ team beim Filmen der Patriot-Abwehrrake­ ten in 
der.Nähe des olympischen Dorfes er­ wischt wurde, griffen die Sicherheitskräfte den britischen Reporter beim Eindringen ins alte Panathinaikos-Olympiastadion auf. (si) Tests auf Wachstumshormone Erstmals dürfte in Athen mit Dopingkontrol­ len der Missbrauch von Wachstumshormo­ nen nachgewiesen werden. Die Proben wer­ den drei Monate lang eingefroren, wenn nö­ tig auch länger. Die Welt-Doping-Agentur WADA ist durch zehn unabhängige Beo-, bacliler vor Ort vertreten. (si ) Dopingkontrolle verweigert Griechenlands umstrittene Sprint-Stars Kos- tas Kentcris (Olympiasieger, Welt- und Eu­ ropameister über 200 m) und Ekatcrini Tlia- nou (Olympia-Zweite von Sydney über 100 m) erschienen am Donnerstagabend nicht zu einer Dopingkontrolle. Ein verweigerter Test wird mit einem positiv ausgefallenen Test gleichgesetzt. Die Folge wäre im Nor­ mallall eine zweijährige Sperre. (si) Raducan will Medaille zurück Die ehemalige rumänische Kunstturnerin Andrea Raducan (20) fordert die Goldme­ daille zurück, die ihr in Sydney 2000 aber­ kannt hatte. In ihrem Blut waren Spuren von Pseudo-Ephedrin gefunden worden. Pseudo­ Ephedrin wurde inzwischen von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen, (si) Olympiasieger (102) gestorben Im Alter von 102 Jahren ist der älteste Olympiasieger der USA gestorben. James Stillman Rockcfeller gewann 1924 in Paris Gold mit dem US-Ruderaehter. Anlässlich seines 100. Geburtstags hatte Rockefellcr gesagt: «Ich führe ein ganz normales Leben. Früher habe ich vor dem Abendessen zwei Drinks getrunken, jetzt nur noch einen.»(si) Rekord für Athener Flughafen Grosser Durchgangsverkehr herrschte am Tag vor der Eröffnungsfeier auf dem Athe­ ner Flughafen. 839 Maschinen landeten in der griechischen Hauptstadt, so viele wie noch nie zuvor an einem einzigen Tag. (si) Gute Auslosung für Federer Roger Federer darf mit der Auslosung für das olympische Tennisturnier (ab Sonntag) zufrieden sein. In der Startrunde trifft er auf Nikolai Dawidenko (Russ, ATP 56), ehe der Vergleich mit Tomas Berdych (Tsch, ATP 74) oder Florian Mayer (De, ATP 37) anste­ hen würde. (si) Tennis. Auslosungen der SchwcUer Tür die I« Runde Münncr-Kfnzcl: Roger Feilerer - Nikolai Dawidenko (Ruvs). Männer-Doppel: Roger Fcilcrcr/Yves Allegro - Marius/ Fyrs- lenbcrg/Marcin Matkowski (Pol). Fniuen-Klnzel: Patty Schnyder- Petra Manula (Un), Mynam Casanova - Nicole Pratt (Au). ' Frauen-Doppel: Sehnyiler/Casanova - Daniela Hantuehova/ Janettc llusaruva(Slk). < 
Flammende Eröffnung Athen bittet mit Feuerball und See zur Eröffnung - Wer ist letzter Fackelläufer? ATHEN - 74 000 Zuschauer im Olympiastadion und geschätzte drei Milliarden vor den TV-Gerä- ten in aller Welt empfängt Athen heute Freitagabend zur Eröffnungsfeier der Sommer­ spiele zur 28. Olympiade der Neuzeit. Die Generalprobe für das wie ge­ wohnt mit Spannung erwartete Spektakel lief am Dienstag bereits perfekt ab. Nun dreht sich alles um die Frage, wer zum Höhepunkt des Abends als letzter Fackelträger das olympische Feuer entzünden wird. Oberste Geheimnistriigcrin ist Gianna Angelopoulos-Daskaiaki. Die Chefin des Organisationskomi- tees ATHOC 2004 kann den feier­ lichen Auftakt der Spiele kaum noch erwarten. «Ich werde seit Mo­ naten gefragt, welchen Teil der Show ich am besten finde. Aber das kann ich nicht sagen. Ich werde einfach nur gemessen. Sobald ich das Stadion nur betrete, kommen mir die Tränen. Es ist alles so über­ wältigend», sagte die Frau, welche die Spiele als Präsidentin des Be­ werbungskomitees 1997 nach Athen geholt hat. Im Takt des Herzschlags Es beginnt mit einer flammenden Eröffnung. Nachdem Hunderte von Trommlern mit Schlägen im Takt des Herzschlags einen Countdown heruntergezählt haben, schiesst auf den 
Trägern der eindrucksvollen Dachkonstruktion ein Feuerball durch die Luft. Schliesslich taucht der Komet in den Innenraum des Stadions, und in einem riesigen See leuchten die fünf olympischen Rin­ ge auf. Unter den Leitmotiven des menschlichen Herzschlags und des Laufens als Ursprung des olympi­ schen Sports nehmen die insgesamt 4000 Akteure ihr Publikum dann mit auf eine Reise von der griechi­ schen Mythologie bis hin zu den modernen Spielen. «Wir werden den Stolz auf unser Land nicht verbergen, dabei aber 
VUer entzündet das olympische Feuer? Dieses Geheimnis wird heute Abend bei der Eröffnungsfeier gelüftet. nicht nostalgisch oder folklorisch werden. Wir wollen Emotionen mit modernster Technologie transportie­ ren», sagte Dimitris Papaioannou, künstlerischer Leiter der Eröff-. nungsfeier. Er verspricht: «Sie wer­ den etwas völlig Neues erleben.» 10 Tonnen Kulisse, 2000 bewegliche Lichter und 35 km Kabel 
verwan- Heute gehts los TMo ATHENS 2004 
dein das Stadion in eine gigantische Showbühne. «Wir haben die. mo­ dernste Theater-Technologie der; Welt. Und auf dieser Bühne erzäh­ len wir eine epische Geschichte über die Menschheit», sagte ATHOC- Sprecher Michael Zacharatos. Beide Koreas unter einer Fahne Spektakuläres kündigt Papaioan­ nou für den Beginn des Einmar­ sches der Athleten an: «Die Atmo­ sphäre wird sich ab diesem Mo­ ment dramatisch verändern. Nach den antiken Bildern folgt eine Ver­ wandlung des Stadions in eine hochmoderne Arena.» Angeführt werden die Sportler vom dreimaligen Gewichtheber- Olympiasieger und Nationalhelden Pyrros Dimas mit der griechischen Fahne. Doch der Rest der Mann­ schaft, die sonst als Ursprungsland der Spiele traditionell den Ein­ marsch beginnt, folgt diesmal in der Rolle des Teams des Gastge­ bers erst zum Schluss. 
Insgesamt marschieren 202 Län­ der (gegenüber 199 vor vier Jahren in Sydney) ins Olympiastadion ein. Wie damals betreten beide Koreas unter einer Fahne das Oval. Das 2000 suspendierte Afghanistan ist wieder dabei, erstmals machen Ki- ribati und Osttimor mit. Die isländische Popsängerin Björk tritt auf, ein kleiner Bub überquert in einem Papierboot den künstlichen See im Innenraum und trifft schliesslich mit der griechi­ schen Flagge auf die ATHOC-Che- . fin, IOC-Präsident Jacques Rogge und den griechischen Staatspräsi­ denten Kostas Stefanopoulos, der die Spiele mit der traditionellen Formel eröffnen wird. Anschlies­ send geht der Vorhang auf für den letzten Fackelträger des längsten Fackellaufes aller Zeiten. Dass die Eröffnungsfeier am Frei­ tag, 13., stattfindet, ist für die Grie­ chen kein Problem. Sic betrachten aus historischen Gründen den Dienstag, den 13., als Unglückstag. (si) SPORTPSYCHOLOGE ED WEISS ÜBER OLYMPIONIKE OLIVER GEISSMANN Risiko, Nerven, Konzentration Die Zeit läuft. Er steht vor der Zielscheibe. Er ist allein. Die Zeit läuft. Das Publikum bewegt sich unruhig hinter ihm. Die Zielschei­ be wartet 10 Meter vor ihm ^uf seinen Schuss. Sie ist weit weg. Und ganz klein. Die Uhr läuft. Munition laden. Gewehr anheben. Atemkontrone. Nimm dir Zeit, Oli. Es gibt keine Vergangenheit. Und keine Zukunft. Lediglich die­ ser 
Schuss zählt. Die Zeit läuft. Checkliste durchgehen. Zielen. Ja, fast stimmt die Einstellung. Aber was ist mit der Höhe? Stimmt die Höhe? Nein? Keine Schussabga­ be. Und noch einmal: Gewehr an­ heben. Atemkontrolle. Checkliste durchgehen. Zielen. Die Zeit läuft. Sie läuft unaufhaltsam. 60 Schüs­ se. Eine Stunde und 45 Minuten Zeit für 60 Schüsse. Für einen Ölympiaschützen" zählt jeder Schuss. Jeder einzelne Schuss ist ein eigener Wettkampf. Jeder Schuss hat sein eigenes Leben; Es jst ein Kampf gegen die Zeit, ge­ gen den Körper und den Kopf. Es ist auch ein Wettkampf gegen an­ dere, aber es ist vor allem ein Wettbewerb gegen sich selber. Ich habe vor rund vier Jahren angefangen, mit Oliver Geiss-niann 
zusammen zu arbeiten. Kurz nach seiner ersten Olympia­ teilnahme in Sydney 2000 kam er zu mir, und wir starteten das Abenteuer, herauszufinden, was einen guten Schützen ausmacht. Vier Jahre lang intensive Gesprä­ che und Experimente. Talent und Technik. Training und Wettkampf. Arbeit. Und noch mehr Arbeit. Was haben wir gelernt? Wir haben die Sache mit dem Risiko gelernt. Ein Schütze steht nie ganz still. Zwar muss er sich vorbereiten, sejne Nerven beruhigen, seinen Körper unter Kontrolle bringen - er muss still stehen, die Nullstel­ lung muss passen, er muss präzise zielen. Ruhig und kaltblütig. Und doch, ein Schütze muss auch atmen. Das Gewehr bewegt sich ständig ein ganz klein wenig.' Für einen Bruchteil einer Sekunde hat er die 10 ganz genau im Visier. Und dann ist sie wieder weg. Das Timing -ist-alles -im Schiessen. Kannst du das Ziel sehen? Hast du es im Gefühl? Fast nie ist alles perfekt. Es könnte eine 10 wer­ den. Es sollte eine 10 werden. Aber vielleicht wird es nur eine 9. Undenkbar. Aber möglich. Dieses Risiko begleitet einen Schützen ständig. Ist er bereit, sich darauf einzulassen? Bereits im Training, wenn der Schütze ganz allein im Ring steht, 
zielt und den Schuss abgibt, ist die Aufgabe schwierig. Noch schwie­ riger aber wird es an einer EM, WM oder an Olympischen Spielen, wo jeder Schuss so wichtig und kritisch ist, dass er 1000 Tonnen zu wiegen scheint. Ein Fehler, eine 9, kann nicht korrigiert werden. Der Schütze muss damit leben, er kann ihn nicht verbessern. Manchmal fühlt es sich an, als ob es eine 10 werden würde und doch ist es nicht so ganz sicher. Hast er trotzdem den Mut, den Schuss abzugeben? Oder nimmst er sich Zeit, von vor­ ne zu beginnen? Hat er die Nerven, den Mut und die Kraft für die rich­ tige Entscheidung? Die Zeit läuft unterdessen weiter. 60 Schüsse. Jeder Schuss ist wichtig. Jeder Schuss zählt. Nur dieser eine Schuss, Munition la­ den. Gewehr anheben. Tief durch­ atmen. Stell dir eine 10 vor, Oli. Vergiss das Atmen nicht. Zielen. -Warten. Noch ein bisschen länger warten. Siehst du dein Ziel? Fühlst du es? Feuer. Sechzigmal. Jeder Schuss ist wichtig. Keiner kann verbessert oder wiederholt werden. Die Welt dreht sich nur noch um diesen kleinen schwarzen Punkt 10 Me­ ter weiter weg. Nichts ist wichti­ ger als dieser kleine schwante Piinkt. Jeder Schuss ist ein ganzes Leben. Die gesamte Energie 
kon-Sportpsychologe 
Ed Weiss (48). zentriert sich auf diesen kleinen schwarzen Punkt. Sechzigmal. Die Zeit läuft. Oli ist bereit für das Risiko. Er hat die Nerven. Er kann sich auf das Ziel kon­ zentrieren. Die; ganze Welt schaut nach Athen. Die Zeit läuft. Munition la­ den. Gewehr anheben. Nur ein Schuss. Tief durchatmen. Stell dir eine 10 vor. Tief durchatmen. Zie­ len. Warten. Noch ein bisschen länger warten. Solange, bis der Schuss automatisch kommt. Päng... 10! Das war ein Schuss. 59 weitere warten. Und die Zeit läuft weiter. Ed Weiss Sportpsychologe aus Schaan
	        

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