Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

SAMSTAG, 19. JUNI 
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IM GESPRACH MIT GEROLF HAUSER O «7 WAS JETZT BLÜHT Diese Woche: Gemeiner Natterkopf 
KOPF DER WOCHE • , V • V | ; SCHAAN - An sonnigen Dämmen, auf Wegrainen, Bahnanlagen und Schuttplätzen, Mauerkronen, Trockenrasen und in Kiesgru­ ben blüht von Juni bis Oktober der Gemeine oder Blaue Natterkopf (Echium vulgare). Am Rheindamm und auf. dem unteren Wuhrweg entlang dem Rhein fällt jetzt die­ se zweijährige Pflanze auf. Sie gehört zur Familie der Boretsch- oder Rauhblattge­ wächse (Boraginaceae) und ist aus dem Mittelmeergebiet eingewandert. Die 30 bis 90 cm hohe wärmeliebende Pflanze ist in der liechtensteinischen Tal- ebene verbreitet, vorwiegend auf mässig trockenen humusarmen Böden. Die Wurzeln reichen bis 2,5 m in den steinigen Unter­ grund (Tiefwurzler). Die Natterkopf-Pflanzen sind borstig be­ haart. Diese stechenden Haare dienen,der Wasserdampfkoridensation und als Frass- Scjhutz. Die Blätter sind schmal-lanzettiich, die grundständigen bis 30 cm lang, in einen Stiel verschmälert. Die oberen, kleinen Blät­ ter sind sitzend und am Grunde abgerundet oder etwas stängelumfassend. ; Der. Blutenstand kann bis 50 cm lang sein und ist locker beblättert. Die Blutenkelche sind bis zum Grunde geteilt, die Kronen, sind etwa 2 cm lang und rachenförmig- zweilippig. Die BiUten sind zuerst rosa, fär­ ben sich dann blau. Die Staubblätter und Narben ragen weit aus der Krone heraus und dienen den bestäubenden Insekten, vorwie- gend Bienen, als Landeplatz. Der Name Natterköpf (griechisch «echis» bedeutet Natter) bezieht sich auf die Blüten­ form, die mit den herausragenden Staubge- fdssen und Narben an einen Schlangenkopf mit der zweigeteilten Zunge erinnert. ; 
Der Natterkopf enthält ein wenig giftiges Aklaloid sowie Gerbstoffe und galt früher als Heilkraut.. Josef Biedermann Diese Volksblatt-Rubrik wird von Josef. Biedermann im Namen der Botanisch- Zoologischen GesellschaftLicchtenstein- Sargans-Werdenberg (BZG) betreut. Kontakt: josef.biedermann@LG-vaduz.li . KURS Emaillieren BALZERS - Vom 5. bis 8. Juli geht es auf dem Gutenberg heiss zu und her. Unter der Leitung von Josef Ammann werden Farbe­ mails im Ofen bei 900 Grad auf Metall auf­ geschmelzt. Das Spielen mit Farben und Formen lässt kleine Kunstwerke entstehen - jedes Stück ein Unikat. Josef Ammann, frü­ her Lehrer an der Schule für Gestaltung in St. Gallen, arbeitet schon seit über 40 Jahren mit Email. Seine Werke wurden an vielen nationalen und internationalen Ausstellun­ gen gezeigt. Lassen Sie sich von einem ab­ soluten Könner in die Geheimnisse dieser alten Technik (1500 vor Christus entstan­ den) einführen. Anmeldeschluss: 24. Juni. Anmeldungen Haus Gutenberg, Balzers, Tel. 388 1 1 33, Fax 388 II 35. (Eing.) 
Günstling des Schicksals Gerolf Hauser nimmt Abschied und blickt in die Zukunft - mit viel Freude SCHAAN - Sollte Ihnen in nächs­ ter Zeit ein Mensch begegnen der tief aus seinem Herzen he­ raus strahlt - könnte es sein, dass Sie Gerolf Hauser getrof­ fen haben. Der langjährige Kul­ turjournalist vom Liechtenstei­ ner Volksblatt nimmt Abschied und blickt - nicht nur zurück. * Karin Hassle r  ' Mit Gerolf Hauser ein Gespräch zu führen ist spannend, interessant und aufschlussreich. Da sitzt ein Mensch, geboren Ende des zwei­ ten Weltkrieges in Deutschland, der in seinem Leben immer wieder Neuanfdnge gewagt hat und von sich selbst sagt: «Oh ja, ich habe gelebt!» Zum Beispiel dann, wenn Gerolf von seiner Jugendzeit in Berlin erzählt. Dorthin ist er im Jahr des Mauerbaus I96l «ge­ flüchtet», um der Wehrpflicht zu entgehen. Dort hat er die Sechzi­ ger Jahre hautnah miterlebt. Als Musikstudent, als Taxifahrer, als Fahrer von Notfallärzten, als Ehe­ mann einer 
Fabrikarbeiterin oder als Demonstrant. «Es war eine wirklich spannende Zeit damals in Westberlin. Ich habe dort sehr viel erlebt.» Zwei Welten Wenn Gerolf zu erzählen be­ ginnt, scheint er einzutauchen in sein damaliges Leben. Hellwach - als ob es gerade gestern gewesen wäre..- erzählt er: «Ein U-Bahn- fahrschein hat damals 35 Pfennig gekostet. Das war weniger als das Geld für die Kohle, um den Ofen in meiner Studentenbude zu heizen. Also was habe ich gemacht: Ich ha­ be meine Bücher gepackt, habe mir einen U-Bahnfahrschein gekauft und bin den ganzen Tag mit der U- Bahn von Endstation zu Endstation gefahren. Dort war es warm und lernen konnte ich auch.» Berlin damals - das sei wie der Tanz auf einem Vulkan gewesen. Eine Insel, die pulsierendes Leben und kulturelle Vielfalt zu bieten hatte. «Es gab ja damals keine Sperrstunde - jeder konnte seine Kneipe so lange offen halten wie er wollte. Da konntest du - sofern die Kondition vorhanden war - wo­ chenlang durchmachen.» Aber da gab es auch die Diskrepanz zwi­ schen zwei Welten. «Wenn ich tagsüber beispielsweise mit Freun­ den an den Wannsee gefahren bin, dann Waren wir in einer heilen Welt - alles war gut. Abends - zurück in Berlin - sind wir dann auf dem Kuhdamm demonstrieren gegangen und wurden von der Polizei ge­ jagt.» Da gäbe es noch so viele Ge­ schichten zu erzählen aus Berlin- schöne und weniger schöne. Aber egal worauf Gerolf zurückblickt - er tut es mit Freude. Die Ambivalenz Gerolf relativiert oft was er sagt, er zeigt die Verquickung entgegen­ gesetzter Gefühle auf, sagt von sich er sei nicht kompetent über dies oder jenes zu urteilen, er wolle nicht urteilen oder werten. Er teilt seine Sicht der Dinge mit, denkt nach - und immer wieder fallen ihm Geschichten aus seinem Leben ein. Und so sagt er mit Blick in die Zukunft gerichtet: «Ich werde auf Kreta viel Zeit haben, um über alles nachzudenken.» Ich spreche ihn auf seine Zeit als klassischen Gitar­ risten an und Gerolf erzählt, dass er acht Stunden täglich geübt habe 
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der linkeii Westentasche die Brille und In der rechten das Handy und ein Kugelschreiber: So kennt man Berolf Hauser In Liechtenstein. und dies über Jahre hinweg um für die Konzerte fit zu sein. Krönung seiner Zeit als .Profimusiker seien Rundfunkaufnahmen gewesen. Und nur ganz nebenbei erwähnt er, dass diese Aufnahmen zum Teil noch heute gespielt werden. Wie alles im Leben habe auch das Mu- sikerdaseiri zwei Seiten: einerseits sei es ein Knochenjob, andererseits bereite ihm Musik auch heute noch sehr viel Freude. Wieder scheint er gedanklich weit weg zu sein, Wenn er sagt: «Ich freue mich darauf, wieder Zeit zu haben, um Gitarre zuspielen». Das Schicksal Auf die Frage, wie er es denn im­ mer wieder geschafft habe - finan­ ziell und berufsmässig neu Fuss zu fassen, antwortet Gerolf: «Ich bin ein Günstling des Schicksals - wie Goethe von sich zu sagen pflegte. Nicht dass ich mich mit Goethe 
vergleichen möchte - oh nein kei­ nesfalls. Aber ich habe in meinem Leben viel Glück gehabt.» Mitten in der Wüste ist er mit seinem VW- Bus nahe der pakistanischen Gren­ ze stecken geblieben. Kein Benzin, kein Wasser, keine Menschensecle weit und breit. Brütende Hitze, Sand und Himmel. «Da habe ich auf den Tod gewartet,» sagt er zuerst nachdenklich und lacht dann. Gekommen ist dann nicht der Tod, sondern ein Lastwagenfahrer - der ausgerechnet- an diesem Tag eine andere Strecke gefahren ist als üblich. «Seither glaube ich an En­ gel», sagt Gerolf nebenbei und fügt an: «Nicht an Engel im christlichen Sinn». Anstatt nach Indien ist er dann zurück nach Teheran, wo er ein Jahr gelebt hat. Auf die Frage: «Was hast du dort gemacht?» ant­ wortet Gerolf: «Ich habe geschaut, zugehört, aufgesogen, gelernt, ge­ lebt...» Das Auto ist bepackt - die Reise für Gerolf Hauser kann beginnen - eine Reise in eine neue spannende Zukunft. 
Die intensive Beschäftigung mit der Anthroposophie habe ihm in seinem Leben viel geholfen. «Alles ist irgendwie vernetzt. Es muss Reinkarnation geben, das ist das Einzige was für mich Sinn macht, wenn ich schaue, was wir auf die­ ser Welt erleben.» Die Neigung Auf die Frage ob er als Journalist seine Meinung frei äussern habe können, füllt Gerolf auch eine Ge­ schichte ein: «Einmal habe ich nach einem Konzert einen Musiker kritisiert. 
Erst im Nachhinein habe ich erfahren, dass dieser Mensch an dem Tag den Tod eines ihm nahe stehenden Menschen zu verkraften hatte - da hat mir meine Kritik leid getan.» Kritik zu üben, so sagt Ge­ rolf sei eine Gratwanderung und sagt: «Egal was du schreibst - es ist eine Momentaufnahme dessen, was du als Mensch erlebt und gesehen hast.» Wenn Gerolf davon erzählt, dass es für ihn ein Glücksfall gewesen sei, nach seiner Zeit als Waldorfleh- rer - erst in Deutschland und dann in Liechtenstein - Kulturjournalist zu werden, wo er Beruf und Nei­ gung optimal vereinen habe können, dann sieht man einmal mehr die Freude in seinen Augen. Trotz des immensen Pensums, das er bewäl­ tigt hat - war er mit Freude bei der Arbeit. «Sicher bin ich auch manch­ mal gähnend aus einer Vorstellung heraus gegangen und habe mir ge­ dacht, das war jetzt schwach. Aber ich habe meine Arbeit sehr gerne ge­ macht. Und - die breite Allgemein­ bildung, die ich mir als Lehrer an der Waldorfschule angeeignet habe - ist mir oft eine Hilfe gewesen.» Die drei Augen Bald wird Gerolf von Liechten­ stein Abschied nehmen, um einen Neuanfang auf Kreta zu wagen. Ich habe das Gefühl, dass er gar nichts bereut, wenn er zurück, er nimmt jedes Erlebnis dankend als Teil sei­ nes Lebens an. Ob ihn der Ab­ schied nicht auch wehmütig stimmt, will ich von ihm wissen. Er lacht und sagt: «Wenn ich drei Augen hätte, würde eines ganz be­ stimmt 
weinen.» Mit den beiden Augen die er nun mal hat - sei es schwieriger - das müsste man ma­ thematisch berechnen. Und schon wieder lacht er. Ob dies jetzt wohl der letzte Neuanfang sein wird? Gerolf denkt nach und sagt: «Ich weiss es nicht, aber ich freue mich riesig darauf.» Er strahlt über das ganze Gesicht - nein vielmehr - der ganze Gerolf strahlt, wenn er von seiner Wahlheimat Kreta er­ zählt. Von der Wärme der Sonne, dem Rauschen und der Weite des Meeres, den Olivenbäumen, den Menschen dort in dem kleinen Dorf im Süden der Insel. «Wenn ich an den Tag meiner Abreise denke, so spüre ich nur Freude in mir», sagt er. Diese Freude strahlt er auch aus und ich hoffe für ihn, dass er diese Freude für immer in seinem Herzen behalten kann. ZUR PERSON Name: Gerolf Häuser Alter: 60 Jahre Wohnort: Schaan und Kreta Beruf: Studium der . Musik, Konzertgittarist, Waldorfpäda­ goge, Dozent an Musikhoch­ schulen, Kulturjoumalist... V
	        

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