Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2004)

SAMSTAG, 19. JUNI 2004 VOLKSI | IV11 A IVI 1*1 FL-BOTSCHAFTER IN BERN BLATTI IImLMIVL/ LIECHTENSTEINER IGH-KLAGE ZUM CALMY-REY BESUCH Walter Herzog: «Die Kleinen liebt man eben besser» Die historisch gewachsene Freundschaft zwischen zwei Ländern ist auch Ga­ rant für eine offene und ehrliche Kom- munikation zwischen zwei Regie­ rungen. Seit Jahrzehnten verbindet die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein ein enges Band der Zusammengehörigkeit. Es ist der Öf­ fentlichkeit oftmals nicht bekannt, wie in­ tensiv die gegenseitigen Kontakte auf den verschiedenen Ämtern tagtäglich sind. Es ist dabei beruhigend zu wissen, dass nicht nur die politische Ebene immer wieder von den gutnachbarschaftlichcn Beziehungen spricht, sondern dass diese Verbindung in beispielhafter Art und Weise auch gelebt wird. Die Verbundenheit der beiden Staaten be­ schränkt sich dabei aber nicht nur auf das offizielle und amtliche Netzwerk. Viejmehr wird diese Harmonie auch in einer breiten Schicht der Bevölkerung getragen. Die lang­ jährige Entwicklung einer solch dynami­ schen Verbindung bringt aber auch mit sich,-, dass die Partner sich neuen Gegebenheiten stellen und bei anstehenden Problemen ge­ meinsame tragbare Lösungen suchen. Dabei lallt in der Beziehung der beiden Staaten auf, dass viele Fragestellungen der letzten Zeit von einem ausgeprägten gegenseitigen Verständnis und Respekt der Lösung zuge­ führt wurden. Gerade in der heutigen Zeit, die von, Gigantismus und vFusitionismus 
ge^ prägt ist, ist die enge und ehrliche Verbin­ dung zweier befreundeter Kleinstaaten von eminenter Wichtigkeit. Der internationale Druck, den sich verschiedene Staaten wohl selbst auferlegt haben, geht nicht spurlos an . unseren beiden Ländern vorbei. Diesem Druck in qualifizierter Form und mit verein- i ten Kräften entgegen zu wirken um so für sich annehmbare Resultate zu. erzielen ist das legitime Recht unserer beiden Länder. Der Schweizer Verein im Fürstentum Liechtenstein hat sich in der Vergangenheit sehr engagiert für die guten Beziehungen der beiden Nachbarstaaten eingesetzt. Es ist uns ein ehrliches Anliegen, die vielschichti­ gen Verbindungen, die schon heute ausge­ zeichnet funktionieren, auch für die Zukunft zu festigen und weiter zu 
vertiefen. Die oft­ mals ähnlich gelagerten Interessen der bei­ den Länder bilden dazu eine ideale Platt­ form. Mit dem , anstehenden Besuch von Frau Bundesrätin Micheline Calmy-Rey er­ lebt das Fürstentum Liechtenstein neuerlich ein Zeichen der schweizerischen Freund­ schaft, der Verbundenheit zum Land und des Respekts. Für die vielen Schweizer/-innen, die im Fürstentum Liechtenstein ihre zweite ' Heimat gefunden haben, ist es eine tiefe Ge­ nugtuung, mit beiden Ländern 'so tief ver­ wurzelt zu sein. Walter Herzog, Präsident Schweizer Verein im Fürstentum Liechtenstein 
«Nicht einmal Rauchwolken» S.D. Botschafter Prinz Stefan zum Besuch von Bundesrätin Calmy-Rey ACHTUNG STAU Verbandsmusikfest VADUZ - Heute findet in Vaduz das Ver- bandsmusikfest statt. Dieses wird zu einigen Verkehrsbehinderungen in Vaduz führen. Die Lettstrasse und die Rheinstrasse sind ab 12 Uhr für den Verkehr gesperrt. Es ist kei­ ne Zufahrt zum Rheinparkstadjon möglich. Ab 24 Uhr wird ein Taxibetrieb vom Fest­ platz in al|e Gemeinden zum Preis von 5 Franken pro Person angeboten. Das OK ruft alle Gäste auf, dieses Angebot zu nutzen. Für jene, welche jnit dem Privatauto anrei­ sen, stehen entlang der 
Wuhrstrasse sowie in den Parkhäusern im Zentrum von Vaduz. .Parkplätze zur Verfügung. Das OK bittet die Besucher/-innen die öffentlichen Verkehrs­ mittel zu benutzen. (Eing.) 
VADUZ - Am Dienstag besucht die Schweizer Aussenministerin Micheline 
Calmy-Rey Liechten­ stein. Liechtensteins Botschaf­ ter in Bern, S.D. Prinz Stefan, über die Gesprächsthemen und die aktuellen Beziehungen zwi­ schen beiden Ländern. »Martin Fromme » Volksblatt: Herr Botschafter, was ist der konkrete Anlass für den Besuch der schweizerischen Aussenministerin "Calmy-Rey in Vaduz: Ist dies das Dossier «Zinsertragssteuer»? S.D. Prinz Stefan: Liechtenstein pflegt seit vielen Jahren einen in­ tensiven und auch regelmässigen Austausch mit der Schweiz auf Mi­ nisterebene. Vor fast genau einem Jahr besuchte Regierungsrat Ernst Walch die Aussenministerin der Schweiz, Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, in Bern, Am 22. Juni wird nun der Gegenbesuch stattfin­ den. Das freut uns sehr! Dieser Ter­ min wurde aber, schon vor einiger Zeit vereinbart. Da wussten wir noch nicht, dass das Thema Zinser­ tragssteuer gerade im Juni auch für Liechtenstein 
besonders intensiv diskutiert wird. In den letzten Jah­ ren war es eigentlich meistens so, dass es gerade besonders spannen­ de Themen gab, wenn sich die Aussenminister trafen. Natürlich wird unser Aussenminister dem ho­ hen Gast auch über die aktuellen Verhandlungen Liechtensteins mit der EU zur Zinsertragssteuer be­ richten. Sie können sich vorstellen, dass dieses Thema beide Länder interessiert. Dieser Besuch hätte aber in jedem Fall stattgefunden, auch dann, wenn Zinseinkünfte der Bürgerinnen 
und Bürger der EU nur ein Thema grosser Freude und Einigkeit in ganz Europa wären. Welches sind die wichtigsten Punkte, die es zu besprechen gilt? Die Schweiz und Liechtenstein sind in einem ständigen Prozess der Integration mit der . EU. Einmal macht der eine einen Schritt, dann der andere^ Als Folge entsteht dann Nachholbedarf im bilateralen Ver­ hältnis untereinander. Die Bewe- gungsspielräume, die Liechtenstein z. B. den Bürgerinnen und Bürgern der EWR Staaten gewährt, wollen auch der Schweiz gewährt werden. Dabei gilt es stets, die spezielle 
Si­«So 
hat Jede Person ihren eigenen Amtsstil»: S.D. Botschafter Prinz Ste­ fan zu Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. tuation Liechtensteins, die Grössen- verhältnisse, zu berücksichtigen. Umgekehrt steht die Schweiz kurz davor, mit den Bilateralen II wieder einen wichtigen Schritt der Integra­ tion zu machen. Viele Dossiers der Bilateralen II haben direkt oder indi­ rekt Auswirkungen auf Liechten­ stein.'Nicht nur Schengen oder die Zinsertragssteuer, sondern auch z. B. die landwirtschaftlichen Produk­ te. Das Ziel der Koordinationen ist stets das gleiche, nämlich den Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern beider Länder die grösstmögliche Bewegungsfreiheit zu geben. Die europäische Integra­ tion ist ein Dauerthema geworden. Seit die Schweiz Mitglied der UNO ist, können wir aber auch in­ tensiv über gemeinsame Interessen in der UNO sprechen, oder in ande­ ren internationalen Organisationen^ z. B. Europarat oder OSZE. Beide Länder setzen sich für das interna­ tionale humanitäre Völkerrecht ein. Beide Länder unterstützen die Ar­ beit des Internationalen Strafge­ richtshofes. Beide Länder können in Europa etwas über den Umgang miteinander und über direkte De­mokratie 
erzählen. Wir haben et­ was einzubringen. Da öffnen sich faszinierende Felder für gemeinsa­ me Projekte. Sie sind ja in Bern stationiert: Wie intensiv ist dort Ihr Kontakt zum dem Departement des Äus­ seren? Wir haben einen sehr guten und intensiven Kontakt, mit allen heute nur erdenkbaren Kommunikations­ mitteln. Für die Pflege der Bezie­ hungen zu Liechtenstein, ein­ schliesslich der Betreuung der Ver­ tragswerke und Abkommen, ist 
die Direktion für Völkerrecht im EDA zuständig. Wir sind darüber sehr glücklich, da gibt es - wenn ich das so sagen darf - wahre Liechten­ stein-Experten. Der Direktor dieser Direktion, Botschafter Paul Seger, ist ja derzeit der Schweizer Bot­ schafter in Liechtenstein. Aber auch mit den änderen Direktionen und Abteilungen sind wir immer wieder in Kontakt. Ich bin dankbar, dass ich stets auf offene Türen stosse. Sie hatten ja früher mit dem christdemokratisch gesinnten 
Aussenminister Deiss zu tun: Was hat sich durch den Wechsel zur sozialistisch ausgerichteten Aussenministerin Cillmy-Rey in der Zusammenarbeit geändert? Wie unterscheidet sich der Amts­ stil von Frau Calmy-Rey von Ih­ rem Amtsvorgänger? Erstens, die Aussenpolitik der Schweiz oder des Bundesrates hat sich natürlich nicht geändert. Die wird vom Gesamtbundesrat formu­ liert und vertreten und ist, wie wir wissen, langfristig angelegt. Die Schweiz ist für jedes Land ein sehr verlässlicher und berechenbarer Partner. Zum Stil kann ich Ihnen nicht viel sagen. Ich glaube, einen grossen Einfluss auf einen Amtsstil haben die äusseren Notwendigkei­ ten, die aktuellen Geschäfte. Die Schweiz wurde kurz vor Beginn der Amtszeit der amtierenden Aussenministerin Mitglied der UNO. Das eröffnet ein riesiges Tä­ tigkeitsfeld der Aussenpolitik. Ak­ tive Mitgliedschaft in der. UNO für ein mittelgrosscs Land verlangt auch' einen aktiven Stil. Die Schweiz hat sich in den letzten 20 Monaten hervorragend in der Welt der UNO positioniert. In wenigen Wochen wird ein Schweizer der neue Rechtsberater des Generalse­ kretärs der UNO im Range eines Under-Generalsecretary. Das ist beeindruckend, ja phänomenal. So hat jede Person ihren eigenen Amtsstil, aber auch jede Zeit. Die Beziehungen zwischen Liech­ tenstein und der Schweiz gelten traditionell als frcundnachbar- schaftlich gut: Gibt es dennoch; die eine oder andere Wolke am Horizont? Nicht einmal Rauchwolken, da wir fast alle Nichtraucher sind. Wenn Themen auftauchen, die ei­ ner Lösung bedürfen, wird disku­ tiert und argumentiert. Probleme sind da, um gelöst zu werden. Da Liechtenstein.und die Schweiz sich sehr gut kennen, kann es keine «hidden agenda» geben. Wir kön­ nen einander ja gar nicht falsche Tatsachen vorspielen. Im Gegen­ teil. Die Beziehungen zu unseren Nachbarstaaten haben für Liech­ tenstein die allerhöchste Priorität. Wir sind privilegiert. Die weitere Entwicklung in Europa wird auf je­ den Fall sehr spannend. Aber mit einem Nachbarland Schweiz kann man dieser Herausforderung ge­ trost entgegengehen. FL-Position vor dem IGH bekräftigt Plädoyers in Den Haag gestern beendet - Warten auf Zulassungsentscheid DEN HAAG - Jetzt ist es Sache des internationalen Gerichtsho­ fes in Den Haag zu entscheiden, ob die Klage des Fürstentum Liechtensteins gegen die Bundesrepublik Deutschland zugelassen wird und es zu ei­ ner Hauptverhandlung kommen wird. In der vergangenen Woche hatten beide Parteien Gelegenheit dem Gericht ihre Positionen zum Fall erläutern. Dabei bekräftigte das Fürstentum Liechtenstein, dass es sich durch Deutschland in seiner staatlichen Souveränität und Neu­ tralität verletzt sieht. Deutsches Auslandvermögen - Nach Auffassung des Fürstentums behandelt Deutschland liechten­steinisches 
Vermögen auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechos­ lowakei als deutsches Auslandsver­ mögen, das zur Begleichung deut­ scher Reparationsschulden heran­ gezogen werden kann. Die liechtensteinischen Prozess- vertreter, geführt von dem Sonder­ beauftragten und Verfahrensbevoll- mächtigten des Fürstentums, Dr. Alexander Goepfert, machten vor dem Internationalen Gerichtshof deutlich, dass der UN-Gerichtshof dazu berufen sei, über den deut­ schen Verstoss gegen das Völker­ recht zu entscheiden. Klage niclit gerechtfertigt Deutschland hatte sich in seinen \ Einlassungen am Montag und Don­ nerstag auf die angeblich mangeln­ de Zuständigkeit des Gerichts be­rufen. 
Die zwölfköpfige Delega­ tion unter der Führung des deut­ schen Botschafters in Den Haag, Dr. Edmund Duckwitz, und des Leiters der völkerrechtlichen Ab­ teilung des Auswärtigen Amtes in Berlin, Ministerialdirigent Dr. Tho­ mas Läufer, vertrat die Auffassung, dass das Auslandsvermögen Liech-- tensteins im Jahre 1945 von der ehemaligen Tschechoslowakei un­ ter den so genannten Benes-Dekre- ten beschlagnahmt worden sei. Aus diesem Grund sei die Klage gegen Deutschland ohne Substanz und nicht gerechtfertigt. IGH uneingeschränkt zuständig Die für Liechtenstein agierenden fünf Counsels führten im einzelnen aus, dass die Einwendungen Deutschlands zur Zulässigkeit der 
Klage unberechtigt seien. Der Internationale Gerichtshof sei un­ eingeschränkt zuständig, über die Klage Liechtensteins in der Sache selbst zu entscheiden. Denn Berlin ziehe sehr wohl auf Grundlage ei­ ner durch nichts gerechtfertigten Haltung das liechtensteinische Auslandsvermögen auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei zur Begleichung seiner Repara­ tionsschulden heran und verschaffe sich damit einen wirtschaftlichen Vorteil. Nachdem jeder Seite zwei Tage für ihre Plädoyers eingeräumt wur­ den, entscheidet nun der Internatio- hale Gerichtshof über die Zulässig­ keit der Klage. Bisher steht noch nicht fest, wann das Gericht seine abschliessende Entscheidung darü­ ber fällen wird. (pafl) 
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